Rudi Völler: "Wir haben Österreich im Auge"

Der Sportdirektor von Rapid-Gegner Leverkusen über den österreichischen Aufschwung und seine Spuck-Affäre.

Am Donnerstag trifft Rapid in der Europa League auf Bayer Leverkusen. Die Generalprobe ging ordentlich daneben (0:2 im Wiener Derby). "Naja, wir haben uns auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert", erwidert Rudi Völler und verweist auf das 2:2 gegen Mainz. Der Leverkusener Sportdirektor prophezeit ein "enges Spiel. Rapid hat mir bisher in der Europa League gut gefallen. Wir sollten gewarnt sein."

KURIER: Herr Völler, Österreich stellt mittlerweile die meisten Legionäre in der Deutschen Bundesliga. Wieso ist Leverkusen noch ein weißer Fleck auf dieser Landkarte?Rudi Völler: Wir hatten ja Emanuel Pogatetz in jungen Jahren bei uns, und zuletzt hätten wir fast Christian Fuchs verpflichtet. Sie können mir glauben: Wir haben ein Auge auf Österreich geworfen. Ich halte Österreich für einen sehr interessanten Markt.

Was ist so interessant?Man kann deutlich sehen, dass sich der österreichische Fußball in den letzten Jahren im Aufschwung befindet. Das beste Spiegelbild dafür ist die Nationalmannschaft. Das Niveau war vor einigen Jahren noch deutlich niedriger. Aber so wie ich das Team zuletzt gegen Deutschland gesehen habe, gebe ich euch gute Chancen auf den zweiten Platz in der WM-Qualifikation.

Was verbinden Sie eigentlich mit dem Duell mit Österreich: Brisanz? Positive Erinnerungen?Ich erinnere mich vor allem an meine Zeit als Bundestrainer. Da haben wir gegen Österreich in Leverkusen 6:2 gewonnen. Klar, ich weiß, dass dieses Duell für euch Österreicher immer etwas Besonderes ist. Für uns ist es ein wichtiges Spiel, ich sehe jetzt aber nicht die große Brisanz.

Lassen Sie uns über Bayer Leverkusen reden: Wie sehr leidet der Verein unter dem Graue-Maus-Image?Da tun Sie uns jetzt aber total unrecht.

Aber alle reden doch nur vom Werksklub.Genau das wollen wir sogar. Früher, in den 80er- und 90er-Jahren, da war Werkself noch ein Schimpfwort. Aber inzwischen ist das Kult, wir stehen dazu und lehnen diesen Begriff auch überhaupt nicht mehr ab. Das einzige, was uns bisher gefehlt hat, war ein Titel.

Stichwort Bayer Vizekusen – nervt es Sie, wenn sie diesen Ausdruck hören?Es stört mich nicht, weil ich weiß, dass wir uns einen Namen gemacht haben. Vor allem international: Wir waren im Finale der Champions League, wir spielen Jahr für Jahr im Europacup, das ist doch was. Und in Deutschland gibt es nun einmal den FC Bayern.

Eine unüberwindbare Hürde?Wenn du die Bayern in der Liga als Konkurrenten hast, dann wird’s schwer. Man muss ja nur auf die Tabelle schauen: Die Bayern spielen in einer eigenen Liga. Ich behaupte sogar: Wenn man eine Mannschaft zusammenstellen würde aus den elf Spielern, die bei den Bayern auf der Bank oder auf der Tribüne sitzen, dann kommt dieses Team unter die Top Ten. Locker sogar.

Themenwechsel: Sie haben 2002 als letzter Bundestrainer Deutschland in ein WM-Finale geführt. Wieso sitzen Sie heute nicht mehr auf der Trainerbank, sondern arbeiten als Sportdirektor?Ganz einfach: Weil der Trainerjob nicht meine echte Passion ist.

Dafür waren Sie aber ziemlich lange Bundestrainer. Ganze vier Jahre sogar.Das stimmt, aber ich bin da eher hineingerutscht und hab’ ausgeholfen. Bundestrainer war eigentlich nie mein Karriereziel. Ich blicke lieber über den Tellerrand hinaus, arbeite lieber hinter den Kulissen. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass man mich noch mal auf der Trainerbank sieht.

In Ihre Ära als Bundestrainer fällt auch die legendäre Wutrede im Gespräch mit Waldemar Hartmann. Wie geht’s Ihnen heute, wenn Sie sich so in Rage sehen?Heute kann ich darüber schmunzeln, aber damals hat mich dieser Auftritt wirklich sehr belastet. Die Tage nach dieser Rede waren extrem. Das war ja tagelang das Thema Nummer eins bei uns in Deutschland. Wenn ich heute dem Waldi über den Weg laufe, dann umarmen wir uns. Er hat ja davon nur profitiert und später sogar einen Werbevertrag bekommen. Bei mir gehört dieser Auftritt halt zur Biografie.

Genau wie die Spuck-Affäre mit Frank Rijkaard bei der WM 1990. Was passiert eigentlich, wenn Sie ihm heute über den Weg laufen?Wir beide haben inzwischen überhaupt kein Problem damit. Für mich war die Sache sowieso relativ schnell erledigt, ich glaub’ eher, dass diese Geschichte für den Frank eine große Belastung war. Wir haben uns damals bald nach der WM für eine holländische Butterfirma zum gemeinsamen Frühstück getroffen und die Einnahmen gespendet. Seither ist die Angelegenheit zwischen uns ausgeräumt.

Rudi Völler: "Wir haben Österreich im Auge"

Rudi Völler: Weltmeister & Tante KätheDer Spieler Rudolf "Rudi" Völler (*13. April 1960 in Hanau) startete seine Stürmer-Karriere bei Offenbach. Der Durchbruch gelang Völler bei Werder Bremen, zwischen 1982 und 1987 erzielte der Goalgetter in 137 Partien 97 Tore für Werder. Bei AS Roma (1987 bis 1992) war er Publikumsliebling, mit Marseille gewann er 1993 die Champions League, ehe er die Karriere bei Leverkusen ausklingen ließ. Rudi Völler spielte 90-mal für die deutsche Nationalmannschaft und ist mit 47 Teamtoren die Nummer vier der deutschen Goalgetter-Liste. 1990 wurde er mit Deutschland Weltmeister.

Der Trainer Von 2000 bis 2004 war Völler Bundestrainer und führte das deutsche Team 2002 ins WM-Finale. Bei Roma trat er nach nur 26 Tagen als Chefcoach zurück und beendete damit die Trainerlaufbahn. Seit 2005 fungiert Völler bei Bayer Leverkusen als Sportdirektor.

Der Mensch Rudi Völler ist in zweiter Ehe mit einer Italienerin verheiratet. Sein Sohn Marco spielt Basketball in der zweiten deutschen Liga (Langen). Wegen seiner grauen Locken erhielt Völler bereits in seiner aktiven Zeit den Spitznamen "Tante Käthe" verpasst.

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