Mythos Real: Zwischen Traum und Realität

Drei junge Österreicher suchten in Madrid das Glück – mit unterschiedlichem Ausgang.

Das Märchen von Philipp Lienhart begann mit einer Frage von Andreas Heraf. "Zoki, kannst du mir einen Innenverteidiger empfehlen?", fragte ÖFB-Nachwuchsteamchef Heraf im Frühjahr 2014 Zoran Barisic. Der Rapid-Chefcoach mit der Leidenschaft für den Nachwuchs konnte. Heraf, der auf der Suche nach einem zusätzlichen Verteidiger für die U-19-Europameisterschaft in Ungarn war, bekam einen Tipp namens Philipp Lienhart.

"Lienhart ist zwar ein Jahr jünger als die anderen, aber er hat keine Schwächen", erzählte Barisic über den damals 17-jährigen Niederösterreicher, der schon mit 16 in der Ostliga debütiert hatte.

Heraf vertraute auf den Rat, Lienhart spielte sich in die Innenverteidigung des U-19-Nationalteams und fiel bei der Endrunde in Ungarn den zahlreichen Scouts auf. Nach dem EM-Halbfinaleinzug bedankte sich Heraf bei Barisic, und Lienhart bekam ein Angebot von Real Madrid.

Logisch, dass der Athlet mit den kurzen blonden Haaren den angebotenen Leihvertrag annahm. Die Integration gelang im Eiltempo, sowohl in der hochkarätigen UEFA Youth League als auch in der U-19-Meisterschaft (Juvenil-A) setzte Real bisher auf den 18-Jährigen. Und Zinédine Zidane, der weltberühmte Trainer des B-Teams von Real, soll ebenfalls am spielstarken Verteidiger Gefallen finden.

800.000 Ablöse

Bis Ende Mai hat das Weiße Ballett Zeit, die Kaufoption auf den Rapidler zu ziehen. Laut KURIER-Informationen liegt die Ablösesumme bei knapp über 800.000 Euro. Nicht schlecht für einen, der zwar schon von Barisic die Zusage zum Aufstieg in den Profikader bekam, der offiziell aber noch als Amateur geführt wird. Wie geht’s weiter? Wird Lienhart tatsächlich der erste Österreicher, der beim erfolgreichsten Verein der Fußballgeschichte Karriere macht?

Lienhart selbst wurde von den Königlichen angewiesen, öffentlich nicht Stellung zu nehmen. Rapid-Sportdirektor Andreas Müller sagt: "Real hat bis jetzt weder Ja noch Nein gesagt. Wir warten." Förderer Barisic meint: "So wie er sich entwickelt, ist ihm dieser Sprung absolut zu gönnen."

Der Erstversuch

Einer, der den Mythos Real hautnah erlebt hat, ist überzeugt von Lienharts Kauf. "Die Verantwortlichen bezeichnen ihn als ,zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk‘. Real kauft Lienhart sicher", glaubt Michael Daniliuc. Der aus Rumänien geflüchtete Österreicher ist der Vater von Flavius Daniliuc, der ebenfalls von Rapid zu Real wechselte.

2011 war das, aber unter wesentlich schwierigeren Umständen als bei Lienhart. Weil Flavius damals erst zehn war, verlangten die UEFA-Transfer-Statuten, dass (zumindest) sein Vater bis zum 16. Geburtstag von Flavius nach Madrid zieht. Nicht so einfach bei einer achtköpfigen Familie.

Es wurde um den Traum gekämpft, Michael Daniliuc zog nach Madrid und Flavius zählte zu den Leistungsträgern. So weit, so gut.

Bis das Geld knapp wurde und der Vater in Wien wieder eine feste Anstellung suchen musste. Real hat darauf den 13-jährigen Flavius im Internat aufgenommen, obwohl das erst für 16-Jährige erlaubt ist. "Um sich die größten Talente zu sichern, werden die Jugendtransfer-Regeln nicht immer beachtet", behauptet Daniliuc. "Ich glaube, dass Real wegen diesen Praktiken tatsächlich bald so wie Barcelona mit einem generellen Transferverbot belegt werden wird."

Helfer Alaba

Mythos Real: Zwischen Traum und Realität
Flavius Daniliuc, David Alaba
Als kleinster Internatsbewohner wurde Flavius unsanft in die Realität befördert: Nach einem Streit beim PlayStation-Spielen wurde das Talent von einem älteren und wesentlich kräftigeren Burschen verprügelt.

"Zum Glück kannten wir damals schon David Alaba. Er hat Flavius bei den Bayern empfohlen und den Wechsel eingefädelt", erzählt der Kicker-Papa über das große Vorbild des Sohnes. Weil es keine Einigung über die Transfersumme gab, durfte der Offensivspieler sechs Monate lang nicht wechseln und bis zum 1. Jänner 2015 nur privat trainieren. Über die Ausbildung bei den Bayern soll die Familie öffentlich nicht berichten. So viel sei verraten: Flavius erholte sich vom Schock in Madrid und fand in Alaba einen Mentor.

Reales Ende

Kein Happy End hat die Geschichte von Hamed Rezai, der 2013 von Red Bull Salzburg nach Madrid aufgebrochen ist. Der Sohn einer Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan fiel als 13-Jähriger den Real-Scouts auf, wäre nach einer Probewoche auch genommen worden, doch die Spielgenehmigung blieb aus. Weil es unmöglich war, seine afghanische Familie in Madrid unterzubringen.

Was danach passiert ist, empört Hameds ehemaligen Jugendtrainer und Förderer Tino Ebertshuber: "Red Bull vertritt den Grundsatz ,Wer einmal geht, braucht nicht mehr zu kommen‘. Sie haben Hamed nach der Woche in Madrid nicht nur aus der Akademie ausgeschlossen, sondern sogar schon in seiner Schule abgemeldet."

Das Flüchtlingskind suchte wieder eine neue Heimat, versuchte es noch in der Rieder Akademie, war aber laut Ebertshuber "zu geknickt von der Real-Geschichte". Der 15-Jährige, der perfekt Deutsch spricht, hat den Biss für den Profifußball verloren, will eine ordentliche Ausbildung abschließen und spielt nur noch zum Spaß beim Amateurklub Pregarten.

Das Fazit von Ebertshuber: "Der Traum von den ganz großen Klubs wie Real ist verlockend. Aber um so eine Karriere wie David Alaba zu schaffen, gehört schon auch viel Glück dazu."

Real und Atlético Madrid soll ein Transferverbot drohen, berichtete ein spanischer Radiosender. Witzige Kommentare und einschlägige Formulierungen waren die Folge. "La Liga droht der Super-GAU", hieß es unter anderem. Nur weil einen Sommer lang das Transfertheater der Königlichen geschlossen ist?

Der Grund für das Verbot ist ganz und gar nicht witzig: Wie auch der FC Barcelona sollen die beiden Madrider Vereine unzulässige Transfers mit minderjährigen Spielern gemacht haben. Die FIFA hat vor mehr als einem Jahrzehnt die Transfers von Minderjährigen geregelt. Davor waren immer wieder Fälle von jugendlichen Fußballsklaven bekannt geworden.

Mitte der 90er-Jahre war Samuel Eto’o ganz allein in Madrid angekommen. Real hatte vergessen, den 16-Jährigen abzuholen. Ein netter Herr brachte den Bub aus Kamerun zum Bernabéu-Stadion. Und Barcelona jammerte nach dem von der FIFA verhängten Transferverbot, dass dieses eine Karriere à la Messi nicht mehr zulasse. Was so nicht stimmt, denn schon damals kam zumindest der Vater mit dem 13-Jährigen nach Spanien.

Real jedoch steckt Minderjährige ins Internat. Aber warum? Der Verein kauft doch ohnehin nur Stars. Zu solchen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten nur zwei Eigenbauspieler – Iker Casillas und Raúl.

Kommentare