Kolvidsson: "Für Island ist alles möglich"

Klartext: Der frühere Neustadt-Trainer Helgi Kolvidsson kennt Österreichs EM-Gegner Island perfekt
EURO-Gegner Island: Österreich-Kenner Helgi Kolvidsson im Interview über seine Heimat.

Helgi Kolvidsson, 44, kam 1996 als Verteidiger nach Lustenau. Geblieben ist der Isländer auch als Trainer in Österreich, 2015 war er in Wr. Neustadt und Ried tätig.

KURIER: Wie beurteilen Sie die EURO-Gruppe F?

Helgi Kolvidsson: Portugal und Österreich sind die Favoriten. Für uns ist aber sicher alles möglich. Wir haben eine extrem stabile Mannschaft, die lange zusammenspielt. Ein Vorteil kann sein, dass die Hälfte in Skandinavien spielt.

Warum?

Weil Spieler aus großen Ligen am Saisonende oft müde sind. Wenn deine Ganzjahresmeisterschaft im März startest, bist du im Juni voll da.

Ist der schwedische Teamchef Lars Lagerbäck wie Marcel Koller in Österreich zu Islands Volkshelden geworden?

Absolut. Ich kenne Teile seines Trainerstabes sehr gut. Lagerbäck war mit seinen Qualitäten für unseren Fußball überragend. Nicht nur im Team ist die Stimmung sehr gut. Es hat sich im ganzen Land eine Euphorie entwickelt. Unglaublich, wie viele jetzt nach Frankreich fliegen wollen!

Das strenge 4-4-2-System dürfte perfekt zu Island passen.

Wir haben uns die Raumdeckung in der Viererkette schon abgeguckt, als das ganz neu war. Als ich in den 90ern nach Deutschland gekommen bin, wurde dort noch mit Libero gespielt. Darum passt Lagerbäck mit seinem 4-4-2 und der guten Raumaufteilung auch so gut zu uns.

Viele Tore fallen nach Standards. Ist das die größte Stärke?

Diese Stärke ist nicht neu. Isländer haben immer von der Physis gelebt. Wir lernen in der Jugend mehrere Sportarten und das ist bei den Standards ein Vorteil.

Warum?

Ich habe bis 16 Fußball und Handball ernsthaft gespielt. Dadurch bekommst du beim Timing, der körperlichen Stärke und der Sprungkraft vom Handball etwas mit, das Jugendliche, die nur Fußball lernen, nicht haben.

Sie hatten 17 Team-Einsätze. War damals eine WM- oder EM-Qualifikation für Sie realistisch?

Wir haben immer davon geträumt, manchmal waren wir gar nicht so weit weg. Es ging voran. Jetzt wurde dieser Traum wahrgemacht.

Wo sehen Sie die Schwächen des isländischen Teams?

Taktik und Disziplin sind die Stärken. Es gibt auch schon herausragende Einzelspieler wie Sigurdsson, aber spielerisch sind andere Mannschaften sicher besser. Obwohl das auch schon wird, weil sich die vielen gebauten Fußball-Hallen positiv auswirken: endlich kann bei uns das ganze Jahr über gekickt werden.

Suchen Sie nach dem Abstieg mit Wiener Neustadt und dem frühen Rauswurf in Ried eine neue Herausforderung?

Es war wichtig, dass ich mich nach einem turbulenten Jahr neu sortiere. Ich war 20 Jahre ununterbrochen im Fußball unterwegs – da war es sehr angenehm, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Jetzt bereite ich mich auf neue Herausforderungen vor – egal, ob das in Österreich oder Deutschland wäre.

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