Isländer Sigurdsson: "Haben Kämpfermentalität"

Dagur Sigurdsson wurde mit Deutschland Europameister.
Einst kickte er im U-17-Nationalteam seiner Heimat, seit Jänner ist er Europameister. Der Handball-Fachmann über isländische Phänomene.

Alle sprechen vom Fußballwunder Island. Nur nicht die Isländer. Die Geschichte vom kleinsten EM-Teilnehmer, auf den Österreich zum Abschluss der Vorrunde trifft, muss anders erzählt werden. "Wir spielen seit drei Jahren sehr guten Fußball. Die Qualifikation war eine Überraschung, aber sicher kein Wunder." Sagt Dagur Sigurdsson. Ein Handballer, der es wissen kann.

Der 43-Jährige spielte in seiner Jugend bei seinem Verein Valur Reykjavik – wie viele seiner Landsleute – neben Handball auch Volleyball und Fußball. Nur Basketball ließ er aus. Als Fußballer brachte es Sigurdsson auf sieben U-17-Länderspiele, ehe er sich ganz dem Handball verschrieb. Nicht die schlechteste Entscheidung: Als Spieler wurde er Meister in Island sowie Olympia- und WM-Teilnehmer, als (Spieler)-Trainer kam er zu Titelehren in Bregenz, Deutschland und Europa (EHF-Pokal). Der jüngste Coup gelang ihm im Jänner, als er das deutsche Team sensationell zu EM-Gold führte.

Es ist diese Zielstrebigkeit und Vielseitigkeit, die Isländer auszeichnet. "Wir haben eine Kämpfermentalität – im Leben und im Sport", sagt Sigurdsson. Im Handball gehört Island seit Jahren zu den weltbesten Nationen, im Basketball schaffte man es im Vorjahr ebenfalls zur EM, und die Fußballer waren bereits in der Qualifikation für die WM 2014 bis ins Play-off vorgestoßen. All das gelang einem Land, das 330.000 Menschen bewohnen. Zum Vergleich: Allein der österreichische Fußball-Bund zählt 500.000 Mitglieder.

Nur mit Mentalität lässt sich der isländische Aufstieg nicht erklären. Die Hallen und die Kunstrasenplätze, die dank FIFA-Geldern gebaut werden konnten, haben geholfen, sagt Sigurdsson, "aber das Wichtigste war die Trainerausbildung."

2003 gab es nicht einen isländischen Trainer, der eine UEFA-A- oder -B-Lizenz hatte – elf Jahre später waren es 770!

Im Ausland sind die Isländer längst Exportschlager. Vorbei sind die Zeiten, in denen Eidur Gudjohnsen den Alleinunterhalter gab. Mit dem Ex-Barcelona- und -England-Legionär betreibt Sigurdsson erfolgreich ein Hostel in Reykjavik. Eröffnet wurde es kurz nach der Bankenkrise, die Island an den Rand des Ruins gebracht hatte. "Typisch Isländisch: Wir hatten die Idee, und dann ging es los. Ein Deutscher oder Österreicher würde sich das 100-mal überlegen."

Noch so ein Wunder, das keines ist.

Isländer Sigurdsson: "Haben Kämpfermentalität"

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Turnier-Teilnahmen
In Frankreich steht die allererste EM für Island an.

Stars, einst und Jetzt
Der aktuelle Kapitän Eidur Gudjohnsen war bei Barcelona.

Historische Erfolge
Eindeutig: EM-Teilnahme 2016.

Das kuriose Detail
1996 wurde Eidur Gudjohnsen im Nationalteam gegen Estland für seinen Vater Arnor eingewechselt – eine historische Premiere in einem internationalen Match.

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