In der Welt der Wetten

Alarm! Die Sirene legt los, das Geräusch ist nicht zu überhören. Doch wo bleibt die Reaktion? Die Buchmacher blicken ganz entspannt auf ihre Bildschirme, einige wenige Klicks mit der Maus und der Alarm ist wieder abgestellt.

Es ist ein ganz normaler Arbeitstag in der Zentrale des Wettanbieters tipp3. Der KURIER darf als erste Zeitung dabei sein, wenn in der Welt der Wetten an den Quoten gebastelt wird, die eingehenden Tipps kontrolliert werden und – schon wieder dieser Alarm losgeht.

Was sich dramatisch anhört, ist nur die erste Sicherheitsstufe in einem ausgetüftelten System. Wenige Hundert Euro Einsatz auf ein Einzelspiel irgendwo in Österreich reichen, damit im Büro der Buchmacher die Sirene ertönt. Nach einem routinierten Blick auf den Wetter, die gespielte Partie und die Quote wird in wenigen Sekunden entschieden, ob die Wette angenommen wird.

Rund fünf Mal pro Tag ertönt ein noch eindringlicheres Geräusch, um anzuzeigen, dass ein zu hoher Wetteinsatz zu einer Sperre geführt hat.

Absurde Einsätze

Dieses strenge Prozedere verdeutlicht, wie absurd die bei asiatischen Wettbörsen in gesamt sechsstelliger Euro-Höhe abgegebenen Wetten auf österreichische Zweitliga-Spiele sind. So verdreifachte sich die Quote auf einen Heimsieg bei der offenbar manipulierten Partie Grödig – Kapfenberg im April 2013 nach Anpfiff innerhalb von 20 Minuten. Endstand: 0:1.

Auffällige Einsätze meldet das 2001 gegründete Unternehmen (Casinos und Lotterien halten die Mehrheit an tipp3; der KURIER ist über die Mediaprint beteiligt) umgehend der Bundesliga. Nicht nur, weil die oberste Spielklasse noch bis Sommer offiziell tipp3-Liga heißen wird.

Mit dem Wettskandal hat auch das Image der (nicht immer seriösen) Anbieter gelitten. Bei all den berechtigten Fragen, ob die bei manchen Plattformen angebotenen Livewetten (etwa auf die nächste Gelbe Karte) den Betrug nicht geradezu anziehen, wird gerne vergessen, dass Wettbüros bei Manipulationen zu den Geschädigten zählen. „Es ist nicht lustig, wenn ich Bekannten erklären muss, dass ich nicht zu den Betrügern gehöre“, sagt einer der Buchmacher.

Von 6 bis 23.30 Uhr ist das Buchmacher-Büro 365 Tage im Jahr besetzt. Zwei Rechenzentren sorgen dafür, dass der Spielbetrieb auch bei Strom- oder Internet-Ausfällen gesichert ist. Zwei Buchmacher sprechen beim Fußball eine Runde im Voraus jede einzelne tipp3-Quote ab, durch „Betradar“ ist der internationale Vergleich stets abrufbar. Falsch gelegte Quoten können Unsummen kosten – es wird verständlicher, warum Sportwetten in Österreich als Geschicklichkeitsspiel gelten.

Bei manipulierten Partien befällt aber auch den geschicktesten Buchmacher das Gefühl der Ohnmacht. Lösungsvorschläge? Die Regulierung des aufgeblasenen asiatischen Wettmarktes wäre hilfreich. Doch die scheint weiter weg als ein hartes Durchgreifen der Bundesliga beim Wettskandal.

KURIER: Welchen Standpunkt vertritt tipp3 bei der Aufarbeitung des Wettskandals?

Philip Newald: Dass im Bereich des Matchfixing ein Problem existiert, ist für Experten seit Längerem offensichtlich. Das Ziel muss sein, die Thematik offensiver anzugehen und danach zu handeln. Wir fordern härtere Strafen für Wettbetrüger und ein verstärkt abgestimmtes Vorgehen aller Betroffenen.

Mit Dominique Taboga ist ein bis zum Skandal anerkanntes und führendes Mitglied der Fußballer-Gewerkschaft in die Fänge der Wettmafia geraten. Wie kann gegengesteuert werden?

Die Bewusstseinsbildung ist der Hebel, um direkt bei den Sportlern ansetzen zu können. Deshalb haben wir auch von Anfang an aktiv den „Play Fair Code“ des Vereins zur Wahrung der Integrität im Sport mit den Schulungen bei allen 20 Bundesligisten unterstützt.

Können Sie sich erklären, warum die zweite Spielklasse auf dem Wettmarkt im fernen Asien in den Fokus gerückt ist?

Es zeigt sich, dass der Spieltermin dieser Liga am Freitagabend in Asien sehr beliebt ist, weil international um diese Zeit kaum andere Profi-Fußballspiele ausgetragen und angeboten werden.

Der internationale Wettmarkt wächst durch das Internet noch stärker als zuvor. Welche Strategie verfolgt tipp3?

Umsatzwachstum um jeden Preis kann negative Folgen haben. Wir von tipp3 überlegen sehr genau, welche Sportarten und Ereignisse in das Wettprogramm aufgenommen werden, um unseren Kunden ein verantwortungsvoll quotiertes Angebot legen zu können.