Haftstrafen für Rapid-Rädelsführer

Das Wiener Straflandesgericht fällt im Prozess gegen Rapid-Fans 29 Schuldsprüche wegen Landfriedensbruchs. Einer der Anführer muss 14 Monate hinter Gitter.

Draußen marschierte ein Großaufgebot an Polizisten auf. Zwei Sicherheitskontrollen waren zu passieren. Eine Besucherin musste vor den Augen der Security einen Schluck Kaffee aus ihrer mitgebrachten Thermoskanne machen, um zu demonstrieren, dass sie darin keinen flüssigen Sprengstoff verborgen hat.

Drinnen im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts gab es keine Bewacher. Niemand gab auf die Vorsitzende Martina Frank acht, die drakonische Strafen über 29 angeblich gewaltbereite Rapid-Fans verkündete. Diese wippten mit den Füßen, lachten bitter auf, warteten die Rechtsbelehrung gar nicht mehr ab, sondern sprangen schon von ihren Sitzen auf. "Frechheit!" rief einer. "Ein Persilschein für die Polizei", ein anderer. Ein Verteidiger empfindet die Urteile so, "als ob der Richtersenat in einem anderen Prozess gesessen wäre".

Sie kamen überraschend, die drastischen Haftstrafen für die beiden Rädelsführer und die Verurteilungen sämtlicher 29 Angeklagten im ersten Teil des Rapid-Prozesses wegen "Landfriedensbruchs" in führender Rolle oder als Teilnehmer. Und sie werden Auswirkungen auf die Fan-Kultur haben.

Dirigiert

Der bereits zwei Mal vorbestrafte Chef der Hardcore-Fangruppe "Ultras Rapid", Oliver P., 29, muss für 14 Monate hinter Gitter, ein weiterer 22-jähriger Anführer (ebenfalls vorbestraft) fasste zehn Monate Haft unbedingt aus. Oliver P. habe den Ansturm dirigiert, sagte die Richterin, und die Masse sei ihm gefolgt. Die übrigen 27 Angeklagten wurden zu bedingten Haftstrafen zwischen drei und acht Monaten sowie zum Teil zusätzlich zu Geldstrafen zwischen 2300 und 3960 Euro verurteilt. Alle Verurteilte (Verteidigung Marcus Januschke, Werner Tomanek) gehen in Berufung.

Prozessthema war eine Auseinandersetzung zwischen Rapid-Fans und Austria-Fans am 21. Mai 2009 am Wiener Westbahnhof, bei der die Polizei dazwischengegangen war. Es flogen Mistkübel und Flaschen, es gab Fußtritte gegen Beamte, der Tumult wurde gefilmt, 85 nicht maskierte Teilnehmer wurden herausgefischt und angeklagt.

Gruppenzwang

Die Verfolgung nach dem Paragrafen 274 (" Landfriedensbruch") ist Neuland. Einigen Angeklagten konnten einzelne Delikte wie Sachbeschädigung oder die Körperverletzung eines Beamten (Nackenzerrung) nachgewiesen werden. Anderen wurde nur zum Vorwurf gemacht, das Ziel der Gruppe – Gewalt auszuüben – erkannt und sich nicht rechtzeitig entfernt zu haben. Die "gewalttätige Masse" wurde laut Richterin mit einem eMail mobilisiert, in dem stand: "Damit alle wissen, wem wir die Schädel zertrümmern."

Daraus habe sich ein Verhalten des Gruppenzwangs ergeben. Auch bisher "brave" Anhänger hätten sich "durch den Schutz der Menge plötzlich hervorgetraut", die Ausrede "im Eifer des Gefechts" erkannte der Senat nicht an. Zuschauen allein sei zwar nicht strafbar, aber man müsse sich vor der Gewaltanwendung zurückziehen. Die Urteile über 56 weitere Angeklagte sollen noch im Jänner gefällt werden.

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