Ein kurdischer Drittligist steht zwischen den Fronten

Hohe Sicherheitsvorkehrungen herrschten in Diyarbakir vor dem Duell mit Fenerbahce.
Amedspor gerät häufig zwischen die Fronten des Kurdenkonflikts und fühlt sich vom Verband ungerecht behandelt.

Als Schiedsrichter Ilker Meral das Hinspiel im türkischen Pokal-Viertelfinale zwischen dem Drittligisten Amed SK und dem Spitzenklub Fenerbahce Istanbul anpfiff, spielte zunächst nur eine Mannschaft. Während die Fenerbahce-Profis den Ball bereits hin- und her passten, drehten sich alle Spieler der Heimmannschaft zur Pressetribüne und blieben für etwa 30 Sekunden stehen.

Ein kurdischer Drittligist steht zwischen den Fronten
Amedspor's supporters gesture and wave scarves to cheer their team prior to the Turkish Cup football match between Amed Spor and Fenerbahce Zirrat on February 9, 2016 in Diyarbakir. The Turkish Football Federation said on February 5, 2016 it had suspended a Kurdish player for statements considered "ideological propaganda" on the conflict in the Kurdish-majority southeast, adding to a string of cases cracking down on freedom of expression in Turkey. / AFP / ILYAS AKENGIN
Es war ein stummer Protest gegen Disziplinarmaßnahmen, die der Fußballverband TFF vor der Partie ausgesprochen hatte und die der Verein in einer Presseerklärung als „ungerecht, parteiisch und gefühllos“ bezeichnete. Amed SK - in der Türkei auch als Amedspor bekannt - erreichte als erster Drittligist überhaupt das Pokal-Viertelfinale. Beim Duell mit Fenerbahce musste die Mannschaft auf die Unterstützung der Fans verzichten, da der Verein vom Verband mit einer Platzsperre und einer Geldstrafe belegt worden war.

„Ideologische Propaganda“

Ein kurdischer Drittligist steht zwischen den Fronten
Turkish riot police stand in front of the emty tribune of the Seyrantepe DISKI stadium before the Turkish Cup quarter final first leg soccer match between Amedspor and Fenerbahce in the Kurdish-dominated southeastern city of Diyarbakir, Turkey February 9, 2016. Two rival Turkish football teams stood defiantly behind a banner urging peace on Tuesday before playing a surreal quarter final match to an empty stadium in Turkey's conflict-ridden southeast following a ban on spectators for chanting political slogans. The conflict between Turkish security forces and Kurdish militants loomed large over the 3-3 draw between southeast Turkey's Amedspor and Istanbul side Fenerbahce, as police fired water cannon at a crowd near the stadium in Diyarbakir, the largest city in the mainly Kurdish southeast. REUTERS/Sertac Kayar
Begründet wurde dies mit „ideologischer Propaganda“. Bei vorherigen Spielen Amedspors hatten die Zuschauer unter anderem folgende Slogans gerufen: „Überall ist Widerstand“ und „Kinder sollen nicht sterben, sondern zum Spiel kommen“. Zudem wurde Leistungsträger Deniz Naki der Propaganda bezichtigt und für 12 Pflichtspiele gesperrt.

Er hatte das Erreichen des Viertelfinals im Internet jenen gewidmet, „die bei den Grausamkeiten, die seit über 50 Tagen auf unserem Boden stattfinden, getötet oder verletzt wurden“. Die Strafe für Naki ist Rekord im türkischen Fußball, so lange wurde noch kein Profi gesperrt. Zum Vergleich: Der ehemalige türkische Teamspieler Emre Belözoglu, der seinen Gegenspieler Didier Zokora im Jahr 2012 rassistisch beleidigt hatte, wurde für nur zwei Spiele gesperrt.

Zwischen den Fronten

Ein kurdischer Drittligist steht zwischen den Fronten
Turkish riot police use water cannons to disperse fans arround the stadium on February 9, 2016 in Diyarbakir, southeastern Turkey, during the Ziraat Turkish Cup football match between Amedspor and Fenerbahce. The Turkish Football Federation said on February 5 it had suspended a Kurdish player for statements considered "ideological propaganda" on the conflict in the Kurdish-majority southeast, adding to a string of cases cracking down on freedom of expression in Turkey. / AFP / ILYAS AKENGIN
Durch seine Erfolge und seine kurdische Identität ist Amedspor zwischen gesellschaftliche und politische Fronten geraten. Seit Dezember geht die türkische Armee im Südosten des Landes gegen die PKK vor. Gefechte, Verletzte und Tote sind vor allem in Städten wie Cizre, Silopi und Diyarbakir an der Tagesordnung.

Der Drittligist ist in Diyarbakir beheimatet und definiert sich über seine kurdische Herkunft. „Amed“ ist der kurdische Begriff für Diyarbakir. Im vergangenen Jahr erklärte der damalige Präsident Ihsan Avci: „Amedspor ist eine Mannschaft Kurdistans, unsere Mannschaft besteht zu 80 Prozent aus Kurden. Wir haben kurdische Spieler aus allen Ligen dazu aufgerufen, sich uns anzuschließen.“

Anfeindungen bei Auftritten auf fremden Plätzen

Seinen Anhängern dient der Verein als Identifikationssymbol und Hoffnungsschimmer in schweren Zeiten, bei Auswärtspartien kommt es dagegen oft zu Anfeindungen. Vereinspräsident Ali Karakas berichtete in einem Interview mit CNN Turk, dass die Mannschaft immer wieder „rassistischen Beleidigungen“ ausgesetzt sei. Er beklagte, dass der Verband dagegen noch „keinerlei Maßnahmen“ vorgenommen habe.

Ein kurdischer Drittligist steht zwischen den Fronten
Amedspor players carry a banner that reads, "Don't let children die, let them come to the match" before their Turkish Cup quarter final first leg soccer match against Fenerbahce in the Kurdish-dominated southeastern city of Diyarbakir, Turkey February 9, 2016. Two rival Turkish football teams stood defiantly behind a banner urging peace on Tuesday before playing a surreal quarter final match to an empty stadium in Turkey's conflict-ridden southeast following a ban on spectators for chanting political slogans. The conflict between Turkish security forces and Kurdish militants loomed large over the 3-3 draw between southeast Turkey's Amedspor and Istanbul side Fenerbahce, as police fired water cannon at a crowd near the stadium in Diyarbakir, the largest city in the mainly Kurdish southeast. REUTERS/Sertac Kayar
Als Amedspor im Pokal-Achtelfinale beim Erstligisten Bursaspor zu Gast war, gab es für Fouls gegen Amedspor-Akteure, die Gelbe Karten nach sich zogen, lauten Applaus. Zudem wurden Anhänger des Drittligisten wegen angeblicher Sicherheitsbedenken nicht ins Stadion gelassen. Am Ende gewann der Außenseiter trotzdem mit 2:1.

Auch im Hinspiel gegen Fenerbahce, den Spitzenreiter der Süper Lig, holte er am Dienstagabend ein beachtliches 3:3 und wahrte die Chancen aufs Halbfinale. Auch vor diesem Spiel setzte der Klub ein weiteres Statement. Beim Einlaufen trug die Elf ein Banner, auf dem erneut der Slogan „Kinder sollen nicht sterben, sondern zum Spiel kommen“ zu lesen war. Nun droht eine weitere Bestrafung durch den Verband.

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