20 Jahre Arsène bei Arsenal - eine Liebesgeschichte

Verdammt lang her: Monsieur Wenger bei seinem Amtsantritt 1996 in London.
Der Franzose ist seit 1. Oktober 1996 im Amt und längstdienender Trainer Europas.

"Arsène Who?" titelte der Londoner Evening Standard vor 20 Jahren, als der Arsenal FC einen unbekannten Franzosen aus Japan als neuen Trainer präsentierte. Unter den Spielern herrschte Skepsis: "Was versteht dieser Franzose schon von Fußball? Er trägt eine Brille und sieht eher aus wie ein Schullehrer. Spricht er überhaupt Englisch?", fragte sich der damalige Kapitän der Gunners, Tony Adams.

20 Jahre und 15 Titel später, hat Arsène Wenger den englischen Fußball geprägt wie kaum ein anderer. Die Ernährung der Arsenal-Spieler war eine der ersten Dinge, die Wenger veränderte. Heute undenkbar, aber Junkfood, Alkohol und Süßigkeiten gehörten für englische Kicker zum täglichen Brot.

Wie vielen erfolgreichen Trainern war dem Spieler Wenger der Durchbruch versagt. Er begann zu studieren, vertiefte sich in die Analyse verschiedener Spielstile. So entwickelte "Le Professeur" seine eigene Philosophie, die er bei Arsenal über Jahre perfektionierte.

Wenger geht es nicht nur ums gewinnen, er will schön gewinnen: "Fußball ist eine Kunst, so wie Tanzen eine Kunst ist – aber nur wenn es gut gemacht wird, wird es zur Kunst", soll er einmal gesagt haben. Arsenals Fußball gilt nicht umsonst als einer der schönsten der Liga. Wenger hat sich in Arsenal selbst verwirklicht. "Bisher war noch jede Mannschaft, die ich habe spielen sehen, das Spiegelbild der Persönlichkeit ihres Trainers", sagte er in einem Spiegel-Interview.

Arsènal

Allein wegen seines Vornamens könnte man meinen, dass Wenger wie bestimmt für den Verein war. "Arsène und Arsenal. Es ist Schicksal, es wird eines Tages passieren", dachte sich auch David Dein, damals Vizepräsident des Aufsichtsrats, als er Wenger kennenlernte. In der Tat: Der Franzose wurde zum besten Trainer, den Arsenal jemals hatte. Jeweils sechs F.A. Cups und Community Shields (Supercup) sowie drei Meistertitel gewann der Klub unter seiner Regie.

Legendär bis heute sind The Invincibles, die Unbesiegbaren. Jene legendäre Mannschaft, die 2004 mit 49 ungeschlagenen Spielen zum letzten Mal Meister wurde. Ein Kunststück, das zuvor nur Preston North End gelang – im Jahr 1889.

Die Zeit vergeht. Mittlerweile fordern nicht wenige Fans Wengers Ablöse. Kritiker unterstellen ihm Sturheit. Am Transfermarkt, bei Aufstellungen.

In der Tat sind Wengers Entscheidungen oftmals schwer nachvollziehbar. Dennoch, Arsenals lange Titelflaute hat mehrere Gründe: Nach dem Umzug 2006 von Highbury ins Emirates Stadium war der Klub finanziell limitiert. Anders als etwa Chelsea oder Manchester City hat Arsenal keinen Scheich hinter sich, der den Geldhahn aufdreht. Schlüsselspieler wie Robin van Persie mussten verkauft werden, auch an direkte Rivalen.

Trotz des personellen Aderlasses war Arsenal nie weg vom Fenster. Seit Jahren sind die Gunners mindestens in den Top 4 der Tabelle und Champions-League-Stammgast. Diese beispiellose Kontinuität gilt neben den Titeln als Wengers größter Erfolg. Zumal er dafür bekannt ist, der Jugend eine Chance zu geben. Cesc Fàbregas machte er mit nur 21 Jahren zum Kapitän. Aktuell zählen Héctor Bellerín (21) und Alex Iwobi (20) zur Stammelf.

Mittlerweile ist das Stadion abbezahlt, der Verein finanziell wieder konkurrenzfähig. Stars wie Mesut Özil und Alexis Sánchez wurden verpflichtet, seitdem ist eine klare Steigerung sichtbar: Neun Jahre nach der letzten Trophäe gewann Arsenal mit Wenger 2014 und 2015 jeweils den F.A. Cup und den Community Shield. Der Verein ist nun mit zwölf Cupsiegen alleiniger Rekordhalter – sechs davon wurden unter Wenger gewonnen.

Dennoch ist die Sehnsucht nach dem Meistertitel groß. "Ich möchte das Projekt zu Ende bringen", sagte Wenger 2009. Am Ende dieser Saison könnte es so weit sein. Dann könnte es der Franzose Sir Alex Ferguson gleichtun. Dieser trat 2013 nach 27 Jahren bei Manchester United als Meister zurück.

Verabschiedet sich Wenger am Saisonende, täte er dies als aktuell längstdienender Trainer Europas. Ein Trainer steht gemessen an Dienstjahren einsam an der Spitze: Unglaubliche 44 Jahre (1961-2005), mit kurzer Unterbrechung 2000, trainierte Guy Roux den französischen Zweitligisten AJ Auxerre.

Der aktive Premier-League-Trainer mit der zweitlängsten Dienstzeit ist ausgerechnet der Mann, der in englischen Medien als möglicher Nachfolger Wengers gehandelt wird. Der 38-jährige Eddie Howe ist seit knapp vier Jahren Trainer beim AFC Bournemouth und schaffte 2015 den erstmaligen Aufstieg in die Premier League. Er könnte Wengers Erbe antreten, sobald dieser aufhört und in den Aufsichtsrat bei Arsenal wechselt.

Ob Wenger sein Projekt bis dahin noch zu Ende bringen wird oder nicht – sein Name ist nach zwei Jahrzehnten in Nordlondon unvergesslich geworden.

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