Frauen-EM: Österreich schlägt zum Auftakt Schweiz

Goldtorschützing Nina Burger ballt die Siegesfaust.
Die ÖFB-Damen feierten zum Auftakt der Frauen-EM in Deventer einen 1:0-Erfolg gegen die Schweiz.

Trotz 100.000 Einwohnern ist Deventer ein beschauliches Städtchen. In der Altstadt saßen schon den ganzen Tag über bei Traumwetter Fans im roten Leibchen. Die einen mit Schweizer Kreuz, die anderen mit Bundesadler. Zwanzig Minuten Gehweg entfernt liegt ein ebenso beschauliches Stadion. Das hat zwar den klingenden Namen Adlerhorst, ist aber ein Nest unter den Stadien.

Trotzdem ist ein Adlerhorst eine würdige Bühne für das erste EM-Spiel in der Geschichte des österreichischen Frauenfußballs.Während die Fans (viele Familien und junge Menschen) an Limonaden nuckelten und in Espressos rührten, fiel im österreichischen Teamcamp eine erste Entscheidung. Viktoria Schnaderbeck spielte nicht in der Anfangsformation nach überstandener Knieverletzung. Schweren Herzens, weil sie Kapitänin ist und Führungsspielerin und verlängerter Arm des Teamchefs. An ihrer Stelle führte Nina Burger das Mannschaft auf des Feld.

Star-Schiedsrichterin

Es war eine Sicherheitsvariante bei den Hymnen. Polizistin Burger stand neben Bibiana Steinhaus. Die Deutsche ist nicht nur die bekannteste Schiedsrichterin der Welt und pfeift in der ersten deutschen Männer-Bundesliga, sondern auch Hauptkommissarin von Beruf. Die Österreicherinnen waren Außenseiterinnen, doch vorerst zeigten die Schweizerinnen Nerven: Nach einem Patzer von Kapitänin Abbé vergab die überraschte Billa eine Superchance (7. Minute). Dann kam die Zeit von Lisa Makas: Nach einem Ellbogenschlag erlitt sie ein Cut, kam mit sauberem Leiberl und Turban wieder und eroberte den Ball. Der kam nach Superkombination von Feiersinger und Zadrazil zu Nina Burger. Die machte freilich keine Gefangenen – erstes EM-Tor für Österreich, 1:0 (16.).

Frauen-EM: Österreich schlägt zum Auftakt Schweiz
Austria's Carina Wenninger (L) Katharina Schiechtl (C) head the ball next to Switzerland's Rahel Kiwic (R) during the UEFA WomenÕs Euro 2017 football tournament match between Austria and Switzerland at De Adelaarshorst Stadium in Deventer city on July 18, 2017. / AFP PHOTO / DANIEL MIHAILESCU
Danach ließ Teamchef Thalhammer ganz tief verteidigen, trotzdem wurden die Schweizerinnen nicht gefährlich, weil sie sich zu sehr auf die Dribbelkünste von Ramona Bachmann verließen, die aber immer wieder in der österreichischen Abwehr hängen blieb. Nach fast 20 Minuten machten die Österreicherinnen wieder etwas für die Offensive, die fehlerhafte Schweizer Defensive wackelte. Nach Flanke von Zadrazil musste sich Torfrau Thalmann ordentlich strecken, um den Kopfball von Burger abzuwehren.

Vor ihr hatte die Schweizer Teamchefin Martina Voss-Tecklenburg besonders gewarnt. Die Stürmerin war immer dort, wo es heiß war. So auch nach einer Stunde, als sie nach einem Gestocher an den Ball kam und von Kiwic umgerissen wurde. Die Schweizerin sah Rot, der Freistoß von Puntigam wurde von Thalmann pariert.
Mit einer Frau mehr auf dem Platz und dem historischen Sieg vor Augen kam die Nervosität. Zinsberger musste ihr Können zeigen, Wenninger wurde angeschossen, der Ball ging knapp drüber. Dann noch vier Minuten Nachspielzeit – und die Österreicherinnen lagen sich in den Armen.

Im zweiten Spiel der Gruppe C kam Favorit Frankreich zum erwarteten Erfolg gegen Island. Der haushohe Gruppenfavorit tat sich gegen die hinten kompakt stehenden Isländerinnen aber lange Zeit schwer. Erst ein verwandelter Foulelfmeter von Eugenie Le Sommer in der 86. Minute brachte die Erlösung für Frankreichs Team. Die Französinnen taten sich dabei aber überraschend schwer, erst ein Elfmeter in der Schlussphase brachte das 1:0 und damit die Entscheidung zugunsten Frankreichs. DieFranzösinnen treffen am Samstag (20.45) auf Österreich, während im Duell zwischen Island und der Schweiz schon eine Vorentscheidung im Aufstiegskampf fallen könnte.

Deventer, Stadion De Adelaarshorst, 4.781 Zuschauer, SR Bibiana Steinhaus (GER)

Tor: 1:0 (15.) Burger

Österreich: Zinsberger - Schiechtl (77. Schnaderbeck), Wenninger, Kirchberger, Aschauer - Feiersinger, Zadrazil, Puntigam, Makas (39. Prohaska) - Burger, Billa (83. Pinther)

Schweiz: Thalmann - Crnogorcevic, Kiwic, Abbe (57. Bernauer), Maritz - Bachmann, Moser, Wälti, Dickenmann - Humm (57. Aigbogun), Reuteler (62. Reuteler)

Rote Karte: Kiwic (59./Torraub)

Gelbe Karten: Kirchberger, Burger bzw. Abbe

Dominik Thalhammer (ÖFB-Trainer): "Der Spirit war genial. Wir wollten das mehr als die Schweizer. Wir waren aggressiver, vor allem in der ersten Halbzeit immer einen Schritt schneller. Ich muss meiner Mannschaft ein Kompliment machen. Das war ein historischer Erfolg heute. Wir dürfen nicht abheben und müssen weiter arbeiten. Aber der Auftakt war einfach genial. Wir wussten, dass wir selbstbewusst spielen müssen. Heute ist vieles von dem aufgegangen, was wir uns vorgenommen haben. Wir wollten situativ höher auf die Schweizer gehen, wussten aber auch, dass wir dieses Tempo nicht 90 Minuten gehen können. Am Ende sind unsere Kräfte geschwunden. Da hätte am Schluss immer etwas passieren können. Die Schweizer haben mit vielen hohen Bällen agiert. Jetzt geht es weiter darum, uns auf Frankreich einzustellen. Die sind spielerisch noch einmal zwei Stufen höher. Wir denken von Spiel zu Spiel. Das war aber schon ein cooler Auftakt. Wir sind stolz und genießen es."

Nina Burger (Torschützin): "Es klingt richtig geil. Der erste Punktegewinn, der erste Sieg. Wir haben uns vorgenommen, Geschichte zu schreiben. Wir sind bei der Europameisterschaft, da gibt's nix mit locker reingehen, da muss man schon aggressiv sein. Nach dem Ausschluss haben wir uns etwas schwerer getan. Wir wollten das runter spielen. Frankreich wird ein harter Brocken."

Über das Tor: "Wir haben einen Ballgewinn, Zadi (Sarah Zadrazil, Anm.) hat ihn mir perfekt gespielt. Ich habe geschaut, wo die Torfrau steht, und dort nicht hingeschossen."

Laura Feiersinger (Mittelfeld): "Es war extrem anstrengend. Wir waren super auf den Gegner und das Spiel eingestellt. Am Ende war auch das nötige Glück dabei, dass es nicht zu den ganz großen Chancen der Schweiz gekommen ist. Aber wir haben das hinten im Verbund klasse gelöst. Wir waren auf den zweiten Bällen drauf und haben den Schweizern wenig Raum gegeben. Das ist ein Wahnsinnserfolg. Es war erst das erste Spiel. Wir dürfen nicht abheben, aber wir genießen es jetzt. Wir müssen den Fokus auf unser Spiel legen."

Sarah Zadrazil (Mittelfeld): "Es ging richtig schnell. Ich denke, wir waren taktisch sehr gut eingestellt. Die Verteidigung und die ganze Mannschaft hat das sehr gut umgesetzt. Es war schon etwas ganz Besonderes, die Hymne zu singen, bei der EM dabei zu sein. Das werde ich nie vergessen."

Leo Windtner (ÖFB-Präsident): "Es war dramatisch. Es wurde mehr, als wir uns vorgenommen haben. Dass wir das geschafft haben, ist sensationell. Der Spirit hat die Mädchen bis zur Erschöpfung kämpfen lassen. Mit der Leistung, die wir heute gezeigt haben, können wir zuversichtlich in die nächsten Spiele gehen. Die drei Punkte kann uns niemand mehr nehmen"

Ramona Bachmann (Schweiz/Angreiferin): "Unsere erste Halbzeit war ungenügend. Österreich stand gut, wir haben keine Lösung gefunden. Dann bekommen wir ein dummes Tor. Nach der Roten Karte haben wir uns gefangen, aber in Unterzahl ist es schwierig. In so einem Turnier muss man mit allem rechnen. Jetzt brauchen wir sechs Punkte, was schwierig ist, wenn es gegen Frankreich geht. Wir haben Österreich nicht unterschätzt. Wir wussten, dass es ein gutes Kollektiv ist. Es ist eine gute Mannschaft, und wir haben gegen eine gute Mannschaft verloren."

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