3:0 gegen Liechtenstein: ÖFB-Team feiert Rekord-Quali
Verstopfung auf den Straßen rund um das Ernst-Happel-Stadion. Ausverkauft. Seit Wochen. Um 18.00 Uhr, eigentlich eine sittenwidrige Beginnzeit für ein Fußball-Länderspiel. Eines gegen Liechtenstein wohlgemerkt, ein Gegner im internationalen Vergleich oft respektlos begleitet von Begriffen wie gefundenes Fressen oder Jausengegner. Festmahl – im konkreten Fall die wohl feinere Umschreibung.
48.500 von Euphorie befallene Menschen wollten das Ereignis nicht versäumen. Feier-Abend in Wien. Weil sich Österreich plötzlich unter die zehn besten Mannschaften der Welt gedrängt hat. Weil das Team ohne Niederlage, mit nunmehr neun Pflichtspielsiegen in Folge, in der EM-Qualifikation allen übrigen Konkurrenten meilenweit davongaloppiert ist. Weil der Spaßfaktor längst ein erheblicher geworden ist, dieser Nationalmannschaft bei ihren Spielereien zuzuschauen.
Und die Anhängerschar weiß zu schätzen, wer dafür den Großteil der Verantwortung trägt. Marcel Koller, der Teamchef. Noch nie wurde ein Schweizer in Wien so frenetisch bejubelt begrüßt.
Der Architekt des kleinen Wunders setzte auch im letzten, für die Qualifikation bedeutungslos gewordenen Spiel auf das bewährte Personal, auf das erfolgsversprechende System. Experimente sind seine Sache nicht. Zum vierten Mal hintereinander schickte Koller die selbe Startformation auf das Feld.
Anders ausgedrückt: Eine lückenlos angetretene Kulisse hatte schließlich das Recht auf die vollzählig angetretene Erstbesetzung.
1:0 in der 12. Minute, 1:0 auch der zu knapp gehaltene Pausenstand. Es wurde kälter, tausendfaches Fähnchenschwingen als Warmhaltetaktik.
Klar war bereits, dass dem Team zum 19. Mal in Serie zumindest ein Treffer pro Spiel gelungen ist.
Ehren-Tor
Und so wurde Liechtensteins Tor weiter in Festtagslaune belagert. Torhüter Jehle blieb tapferer Spaßverdeber. Arnautovic schoss ein Abseitstor, umarmte nur einen Fotografen.
Selbst Koller hatte drei Mal gewechselt. Liechtensteins 41-jähriger Mario Frick wurde nach seinem 125. Länderspiel laut beklatscht verabschiedet.
Österreichs Spieler – einzeln vor den Vorhang geholt – badeten im Jubel. Die gesamte Mannschaft befindet sich jetzt in Topf zwei. Auch schön – für die EM-Gruppenauslosung am 12. Dezember in Paris.
Ergebnisse, Tabellen
Österreich - Liechtenstein zum Nachlesen
KURIER-Noten für die Teamspieler
Wien, Ernst-Happel-Stadion, 48.500 Zuschauer (ausverkauft), SR Zelinka (CZE).
Tore: 1:0 (12.) Arnautovic
2:0 (54.) Janko
3:0 (57.) Janko
Österreich: Almer - Klein, Prödl, Dragovic, Fuchs - Baumgartlinger (71. Ilsanker), Alaba (64. Sabitzer) - Harnik, Junuzovic, Arnautovic - Janko (64. Okotie)
Liechtenstein: Jehle - Rechsteiner, Frick (91. Kühne), Kaufmann, Oehri (46. Brändle) - Kieber (62. Yildiz), Martin Büchel, Polverino, Wieser, Burgmeier - Marcel Büchel
Gelbe Karten: Okotie bzw. Burgmeier, Polverino
Marc Janko (Doppeltorschütze Österreich): "Es ist eine Wahnsinnsstimmung wieder einmal. Wir wollten uns mit einem Sieg von den Fans verabschieden, das ist gelungen. Manchmal war ein bisschen Bauchweh dabei, aber man muss das Spiel auch erst einmal gewinnen."
Zu seinen Toren: "Ohne die Mannschaft wäre das nicht möglich. Ich stehe meist goldrichtig."
Julian Baumgartlinger (ÖFB-Teamspieler): "Es ist sehr schön. Wir haben es uns verdient. Es ist nicht nur für die Spieler und die Betreuer ein schöner Abschluss, auch für die Zuseher, die uns am Montag um diese Zeit so toll unterstützt haben."
David Alaba (Spieler Österreich): "Unglaublich. Diese Stimmung, diese Atmosphäre ist etwas ganz Besonderes. Wir können nur ganz laut Danke sagen, für die Unterstützung, die wir die ganze Zeit über bekommen haben."
Marko Arnautovic (Spieler Österreich): "Ich bin jetzt sieben Jahre dabei, so was habe ich in meiner Nationalteamkarriere noch nicht erlebt. Es ist einfach Wahnsinn. Es waren alle Spiele ausverkauft, es ist überragend. Mehr kann man dazu nicht sagen."
Leo Windtner (ÖFB-Präsident): "Das sind Bilder für die Geschichtsbücher des österreichischen Fußballs. Es ist ein wunderbarer Fußballabend, es ist ein denkwürdiger Abend. Es ist etwas, was sich die Mannschaft und der ÖFB miteinander erarbeitet haben. Ich glaube, die Fans sind selig, der österreichische Fußball lebt mehr als je zuvor. Marcel Koller hat sicherlich jenen Job gemacht, den ich und den wir erwartet haben. Dass er konsequent ist, dass er mit einer Akribie dahinter ist und dass er vor allem eines gemacht hat: Er hat aus den tollen und auch eigenwilligen Charakteren ein Kollektiv geformt hat, das wie Blech und Schwefel zusammenhält. Sie sind wirklich alle Freunde. Marcel Koller hat es verstanden, sie am Herz und am Schlips gleichermaßen zu packen."
Alfred Ludwig (ÖFB-Generaldirektor): Es ist ein historischer Erfolg. Es ist noch nie vorgekommen, dass unsere Nationalmannschaft in einer Qualifikation neun Siege erreicht hat. Da kann man nur demütig sein und Danke sagen, dass man da dabei sein darf. Wir können heute ein Fußballfest genießen. Diese Mannschaft ist noch lange nicht am Zenit. Ich glaube, die Fußballfans werden noch viele schöne Stunden erleben."
Christian Fuchs (Kapitän Österreich): "Es ist fast nicht in Worte zu fassen. Endlich haben wir etwas erreicht, worauf wir sehr lange hingearbeitet haben. Da geht einem das Herz auf."
Robert Almer (Tormann Österreich): "Es ist unglaublich, es ist ein Moment, den wir alle so schnell nicht vergessen werden. Wir müssen das alles erst realisieren, welche Dimensionen das alles mittlerweile angenommen haben. Wir können das jetzt genießen, wissen aber auch, dass wir für Frankreich noch viel arbeiten müssen."
Marcel Koller (ÖFB-Teamchef): "Es war wichtig, dass wir dieses Spiel noch einmal gewinnen, wenn das ganze Stadion voll ist. Zweite Halbzeit war die Leistung wieder besser. Jehle im Tor von Liechtenstein hat hervorragend gehalten."
Zur absolvierten Qualifikation: "Wir haben eine unglaubliche Qualifikation gespielt. Mit 28 Punkten ist das auch sehr verdient. Es ist ein Wahnsinn, was hier im Stadion abgeht, wie die Leute mitfeiern und das Team unterstützen. Es macht Riesenspaß."
Koller auf die Frage, worauf er am meisten stolz sei: "Dass wir nicht zufällig da oben stehen, dass wir hervorragend das umgesetzt haben, was wir wollten. Dass wir die beste Mannschaft waren über die gesamte Qualifikation. Wir haben uns weiterentwickelt und verfestigt. Wir haben uns mit den Siegen Selbstvertrauen geholt und sind noch stärker geworden."
Über den gesteigerten Stellenwert des österreichischen Nationalteams: "Man spürt das schön. Mit den Ergebnissen haben wir uns in der Weltrangliste nach vorne gearbeitet. Da kommt man nicht hin, wenn man ein bisserl gut spielt. Man braucht da schon auch die Konstanz und die Ergebnisse. Da sind wir mit dabei, das ringt sicher auch Respekt ab."
Zu möglichen Erwartungen für die EM-Endrunde: "Ich möchte heute noch nicht wirklich über die EM sprechen. Die Auslosung ist erst im Dezember. Bei einer EM sind die besten Teams dabei, aber wir haben auch ein gutes. Von daher rechnen wir uns schon etwas aus."
Zu seiner persönlichen Zukunft und einer möglichen Vertragsverlängerung als österreichischer Teamchef: "Wir haben einen Termin abgemacht. So wie die Sache jetzt steht, habe ich es aber nicht so eilig."
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