Bombensicheres Geschäft: Fußball im Visier

Die Dortmunder zollten ihrem verletzten Kollegen Marc Bartra Tribut.
Ein Attentat stört die Show – höchste Zeit, Irrtümer einzugestehen.

Am Dienstag wurde versucht, die Mannschaft von Borussia Dortmund auf der Fahrt ins Stadion zum Champions-League-Spiel gegen Monaco zu töten. Drei Sprengkörper detonierten unmittelbar neben dem Mannschaftsbus. Laut der Knall, groß die Erschütterung, der Rauch hat sich noch längst nicht verzogen.

Eilig und im Schock erstarrt wurde reagiert, kommentiert und angeordnet. So liefen Menschen auf ein Spielfeld, die nicht einmal 24 Stunden zuvor in das Zentrum einer hinterhältigen Brutalität gerieten, eine Situation, die den bloßen Nachrichtenempfänger jeder Urteilskraft beraubt. Allemal richtig sei die Entscheidung gewesen, zu spielen und den Gewalttätern mit spielerischer Leichtigkeit die Stirn zu bieten. Das Leben – im konkreten Fall die Show – müsse weitergehen, koste es, was es wolle. Meinte an dieser Stelle auch der KURIER-Redakteur. Ein im automatisierten Trotz verfasster Irrtum.

Mit Verwunderung lese ich heute in Ihrer Kolumne, in der Sie die Spieler Dortmunds zu Helden im Kampf gegen den Terror machen, schrieb Leser Rüdiger Z. Um den logischen Schluss zu ziehen, ... zumal ich mir die Frage stelle, ob es nicht an der Zeit wäre, wenn Betroffene nach den unzähligen Attentaten nicht einfach so weitermachen wie bisher.

Herr Z. hat recht. Ohne Widerspruch. Attentate sind keine Modeerscheinung, sie haben im Alltag nichts verloren.

Nebensächlich & unverzichtbar

Der Fußball trotze dem Terror. Mag sein, verloren hat er aber gewiss. Denn groß wie berechtigt war die Aufregung danach, zu viel ist in der Zwischenzeit geschehen:

Der Öffentlichkeit preisgegebene Emotionen, der Beweis, wie nebensächlich eigentlich ein Spielergebnis sein kann, einhergehend mit der fast hämisch offenbarten Ignoranz einer Branche, die einerseits darauf beharrt, sich in einem unangreifbar abgeschlossenen System zu befinden, andererseits keine Gelegenheit auslässt, auf ihren unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Wohl zu verweisen. Alleine der sich erhärtende Verdacht, Dortmunds Mannschaft könnte einem rechtsradikalen, rassistisch motivierten Anschlag zum Opfer gefallen sein, offenbart den Fußball als Angriffsfläche und entlarvt den gut gemeinten, aber leicht verwundbaren Slogan von seiner Menschen zusammenführenden Funktion als Wunschgedanken.

Die UEFA und sämtliche den Profifußball organisierenden Verbände haben sich in ihrer eigenen Welt verfangen. Erwerber von TV-Übertragungsrechten beanspruchen ein exklusives Produkt für die Millionen, die sie zahlen. Gemeinsam tatenlose Klubchefs reden sich aus, der Verzicht auf realitätsfremd hohe Spielergehälter koste die Wettbewerbsfähigkeit, und Stars halten hemmungslos, von Fans kaum beanstandet, ihre Hände auf, ohne zu kapieren, dass sie damit ihre menschlichen Ansprüche verlieren. Wer, wie beispielsweise in Dortmund, zwischen vier und zehn Millionen Euro im Jahr verdient, muss funktionieren, hat sich verkauft, in Haft nehmen lassen vom engen Terminkorsett des Showprogramms, das keine Unterbrechung und schon gar keinen Widerspruch duldet.

Am Samstag rollte die Kugel wieder. Auch in Dortmund. Was anders geworden ist? Vielleicht die verbesserte Psyche einiger Spieler, jedenfalls die schwere Bewaffnung und Anzahl der Sicherheitskräfte.

Und wann folgt das zum langfristigen Umdenken führende Erwachen?

Wahrscheinlich nie. Obwohl: Drei explodierende Bomben sollten eigentlich reichen.

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