Another Night in Istanbul

Steven Gerrard stemmte 2005 die Champions-League-Trophäe in den Istanbuler Nachthimmel.
Die Rückkehr des FC Liverpool an den Ort des größten Triumphs der jüngeren Klubgeschichte.

Wenn die Reds heute Abend in Istanbul zum Rückspiel im 1/16-Finale der Europa League gegen Besiktas antreten, klingt das nach einem ganz normalen Europacup-Abend. Wäre da nicht die Tatsache, dass sich vor 10 Jahren das möglicherweise ereignisreichste Champions League-Finale aller Zeiten zutrug und zwar im Atatürk-Olympiastadion am Stadtrand der türkischen Hauptstadt. Die bei Istanbuler Fußballfans nicht sonderlich beliebte Arena ist derzeit Austragungsort der Heimspiele von Besiktas, da sich die neue „Vodafone Arena“ noch im Bau befindet.

Im Finale der Champions-League-Saison 2004/2005 traf der FC Liverpool auf den AC Milan. Gespickt mit internationalen Superstars wie Seedorf, Kaka, Crespo oder Schewtschenko und einer von Altmeister Paolo Maldini und Jaap Stam organisierten Abwehr, war das Team aus der norditalienischen Metropole zu dieser Zeit wohl die beste Mannschaft Europas.

Liverpool galt hingegen als klarer Außenseiter, man hatte sich auch im Verlauf der Saison erst in letzter Minute - durch einen Weitschuss von Kapitän Steven Gerrard im letzten Gruppenspiel gegen Olympiakos Piräus - für das Achtelfinale qualifizieren können.

Ein Spiel für die Ewigkeit

Bereits nach einer Minute brachte ein Tor von Kapitän Maldini die Italiener in Führung. Zwei weitere Tore des argentinischen Stürmers Hernan Crespo bedeuteten eine 3:0 Führung für Mailand in der Halbzeitpause. Liverpool stand vor einem Drei-Tore-Rückstand gegen eine italienische Spitzenmannschaft, die Partie war entschieden.

Normalerweise! Doch an diesem Abend in Istanbul war gar nichts normal. Mit Toren von Gerrard, Smicer und einem Elfer-Nachschuss von Alonso schafften die Reds tatsächlich das Unmögliche, den Ausgleich zum 3:3.

Jerzy Dudek und das Spiel seines Lebens

Es ging also in die Verlängerung in der LFC-Tormann Dudek mit einzigartigen Reaktionen vor allem Milan-Stürmerstar Schewtschenko zur Verzweiflung brachte und sein Team im Spiel hielt. Vor allem die Reaktionen bei einer Doppelchance durch den Ukrainer in der Verlängerung machten Dudek, einen sonst eher durchschnittlichen Tormann, bis heute zum Liverpooler Helden. Der Pole im Tor des FC Liverpool hielt daraufhin im Elfmeterschießen zwei Strafstöße, der entnervte Schewtschenko vergab letztlich den entscheidenden.

Liverpool hatte sich nach einer ganz besonderen Partie zum fünften Mal Europas Krone aufsetzen können, ein Sieg der bis heute unvergessen scheint. Neben zahlreichen ausführlichen Dokumentationen über dieses Fußballwunder wurde mittlerweile sogar ein durchaus amüsanter Film produziert, der die verrückten Erlebnisse von drei Freuden aus Liverpool beim Spontantrip zum Finale beschreibt.

One Night in Istanbul - The Movie

Verletzungsprobleme und Zuversicht

Zurück in der Gegenwart hat der FC Liverpool vor dem Rückspiel gegen Besiktas mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Stammspieler wie Jordan Henderson, Philippe Coutinho, Glen Johnson oder Mamadou Sakho fallen aus. Hinzu kommt der rekonvaleszente Kapitän Steven Gerrard, der noch an einer Knieverletzung laboriert.

Besiktas wird möglicherweise auf Torjäger Demba Ba verzichten müssen, der in der letzten Saison, durch sein entscheidendes Tor für Chelsea, nach einem folgenschweren Ausrutscher von Steven Gerrard, Liverpools Hoffungen auf den ersten Meistertitel seit 1990 zunichtemachte. Der Nordirische Trainer der Reds, Brandon Rodgers, der auch sicherlich noch seine Erinnerungen an das Tor von Ba hat, gibt sich vor dem heutigen Spiel zuversichtlich: „Wir haben immer noch eine Mannschaft, die stark genug ist den Job zu erledigen!“

Es wird sich also zeigen ob der FC Liverpool zehn Jahre nach dem „Wunder von Istanbul“, im Atatürk-Stadion erneut einen Erfolg feiern kann.

von Stefan Gamlich

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