Adi Hütter: "Ich mache heute weniger Fehler"

Zielstrebig: Adi Hütter ist in der Schweiz der Trainer der Stunde.
Der Vorarlberger kämpft mit den Young Boys Bern um den Einzug in die Champions League und in der Liga gegn den FC Basel.

Adi Hütter ist das gelungen, was seinem Ex-Verein versagt geblieben ist: Der ehemalige Salzburg-Trainer steht mit seinen Berner Young Boys im Champions-League-Play-off (Gegner ZSKA Moskau) und hat damit zumindest die Europa-League-Teilnahme sicher. Zudem führt der Traditionsklub mit dem Punktemaximum und ohne Gegentor die Super League an.

KURIER: Herr Hütter, darf man Ihnen auch sonst gratulieren?

Adi Hütter: Wozu denn?

Dafür, dass Sie so lange durchgehalten haben. Sie sind schon der zweitdienstälteste Trainer in der Schweizer Super League, und dabei sind Sie noch nicht einmal zwei Jahre im Amt.

Daran kann man sehen, wie kurzlebig der Fußball geworden ist. Vor allem für die Trainer. Insofern macht es mich schon ein wenig stolz, dass ich fast zwei Jahre hier bin. Die Young Boys sind ein Klub mit langer Tradition, großer Fangemeinde und hohen Ansprüchen, denen wir gerecht werden wollen.

Ist es nicht erschreckend, wie wenig Zeit und Vertrauen heute ein Trainer oft bekommt?

Das ist nun einmal der Lauf der Zeit. Überall wird der schnellstmögliche Erfolg angestrebt, wenn du die Ziele nicht erreichst, dann bist du als Trainer meistens der Erste, der gehen muss. Mir ist bewusst: Wenn du mit einem Verein wie YB Fünfter wirst, hast du als Trainer ein Problem. Als Trainer hast du Woche für Woche eine Prüfung.

Dabei hat sich ja schon oft genug bewiesen, dass sich Kontinuität langfristig auszahlt.

Das stimmt, aber dafür muss man gemeinsam auch Rückschritte meistern und als Verein den Druck aushalten, der zwangsläufig von außen kommt, wenn es einmal nicht so läuft. Das Wichtigste ist, dass ein Grundvertrauen herrscht. Dass honoriert wird, wenn du akribisch arbeitest und deine Linie verfolgst. Fakt ist: Vielen Vereinen fehlt die Geduld.

Nach einer Cup-Niederlage gegen einen Zweitligisten war im Frühjahr auch schon Ihre Ablöse gefordert worden.

Man muss wissen, von welcher Seite diese Forderung gekommen ist. Das war der Boulevard. Ich habe das als ziemlich heftig empfunden. Was mich so gestört hat: Wir reden da von einem Spiel. Wenn wir das gewonnen hätten, wäre alles perfekt gewesen. So war alles schlecht.

Haben Sie sich in der Schweiz als Trainer verändert?

Ich finde es extrem wichtig, dass man als Trainer Entwicklungen durchmacht. Wenn man glaubt, man kennt und kann alles, dann wird man nicht weit kommen. Ich habe zum Beispiel schnell versucht, Französisch zu lernen, damit ich mich mit unseren französischsprachigen Spielern unterhalten kann. Es reicht heute nicht mehr aus, auf dem Platz zu stehen und deine Übungen zu machen. Der Trainerjob ist sehr facettenreich geworden. Wir reden da vom persönlichen Umgang mit den Spielern, mit dem Umfeld, mit den Sponsoren. Du musst einfach pickelhart arbeiten.

Und was machen Sie heute anders als der Jung-Trainer Hütter?

Ich würde sagen, dass ich heute weniger Fehler mache als früher. Das bringt einfach die Erfahrung mit sich. Man kann Situationen besser einschätzen, weil man sie vielleicht schon einmal erlebt hat und Lehren daraus gezogen hat. Am Anfang sind die Emotionen oft größer als der Verstand. Ich bin sicher auch ruhiger geworden. Und selbstbewusster.

Selbstbewusster?

Ja. Ich habe großes Vertrauen in mich als Trainer und Mensch. Wenn du als Coach beginnst, dann bist du ungeduldig und auch ein wenig unsicher. Weil du weißt, dass du dir keinen Fehltritt erlauben darfst. Sonst bist du nämlich weg aus dem Geschäft. Wenn du als junger Trainer bei zwei Stationen hintereinander scheiterst, dann war’s das für einige Zeit mit der Trainerkarriere.

Sie betonen gerne, dass Sie als Trainer die Komfortzone verlassen haben. Wie ist das denn zu verstehen?

Es gab da einmal ein Schlüsselerlebnis zu der Zeit, als ich noch selbst gespielt habe. Das hat mich geprägt und meine Entscheidungen beeinflusst.

Sie sprechen vom Angebot von 1860 München.

Genau. Ich hätte damals die Möglichkeit gehabt, in die Bundesliga zu wechseln, habe mich aber dagegen entschieden.

Warum das?

Ich war damals in Salzburg Kapitän, hatte einen gewissen Stellenwert im Klub, es ging mir gut. Im Nachhinein hätte ich wohl anders entschieden. Als meine Spieler-Karriere vorbei war, habe ich mir geschworen: Sollte ich als Trainer jemals die Möglichkeit bekommen, ins Ausland zu gehen, dann mach’ ich das. Ich empfinde es heute als Privileg, bei einem Klub wie YB zu arbeiten. Es gibt in der Schweiz viele gute Trainer, die haben nicht auf mich gewartet.

Trotzdem war’s ein Risiko, während der Saison nach einem Fehlstart bei einem neuen Verein anzufangen.

Sicher. Aber genau da ist mir wieder die Geschichte mit 1860 durch den Kopf gegangen, ich habe mir gesagt: ,Du kannst nicht Wasser predigen und Wein trinken.‘ Was hätte denn schon passieren können? Es sind schon andere Trainer entlassen worden. Ich finde, Scheitern gehört dazu im Leben, um die nächsten Schritte zu machen und Lehren zu ziehen. Tatsache ist: Als ich 2015 nach Bern gekommen bin, wusste ich wenig über die Liga und das Team. Umgekehrt hat man mich auch nicht sehr gut gekannt. Aber es ist uns gelungen, dem Team schnell ein Gesicht und einen Spielstil zu geben. Die Art, wie wir spielen, hat Spuren hinterlassen.

Themenwechsel: Wie tanken Sie eigentlich Energie und finden Ablenkung vom Fußball?

Ich geb’s zu, dass ich mir privat auch viele Fußballspiele ansehe. In war einmal ein sehr leidenschaftlicher Golfer, aber in Bern habe ich erst einmal gespielt.

Fehlt Ihnen die Zeit?

Nein, aber wenn du auf dem Golfplatz bist und du verlierst zwei, drei Mal, dann hast du eine blöde Nachrede. Du musst als Trainer schauen, dass du so wenige Angriffsflächen wie möglich bietest. Deswegen sieht man mich in Bern auch abends relativ selten. Wobei Stadt und Leute angenehm sind. In Bern bin ich noch nie angepflaumt worden. In Österreich passierte mir das öfter.

Der Spieler

Adi Hütter (*11. Februar 1970 in Hohenems) spielte für Altach, den LASK und den GAK, ehe ihm bei Austria Salzburg der Durchbruch gelang. Mit den Salzburgern stand der Mittelfeldspieler 1994 im UEFA-Cup-Finale und holte drei Meistertitel. Zum Abschluss der Karriere wurde der 14-facheTeamspieler 2002 mit dem GAK noch einmal Cupsieger.

Der Trainer

Der Vorarlberger startete seine Laufbahn 2007 bei den Red Bull Juniors, von 2009 bis 2012 betreute er Altach. Mit Grödig gelangen ihm der Aufstieg in die Bundesliga und der Sprung in den Europacup. In der Saison 2014/’15 holte Hütter mit Salzburg das Double und trat zurück. Seit Herbst 2015 ist er Chefcoach der Young Boys Bern.

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