Österreich schlägt sich in Serbien selbst

Österreichs Mannschaft nach der Niederlage gegen Serbien
Drei schwere Aussetzer in der Defensive bringen die Österreicher um einen möglichen Punkt.

Die teilweise gähnende Leere auf den Rängen des Stadions Rajko Mitic, das sie hier träumerisch nach brasilianischem Vorbild "Marakana" nennen, verleitete zu falschen Schlüssen. Das mäßige Interesse der serbischen Fans war jedenfalls kein unbedingter Gradmesser für den aktuellen Zustand ihrer Mannschaft. Österreich bekam es in der halbverfallenen Schüssel von Belgrad gegen die vielleicht besten Individualisten in der WM-Qualifikationsgruppe D zu tun.

Was Teamchef Marcel Koller drei Tage nach dem 2:2 gegen Wales verändern musste? Vor allem den verletzten Stammtorhüter Almer durch Ramazan Özcan ersetzen. Achter Länderspieleinsatz für den Leverkusen-Legionär. Sonst blieben Veränderungen aus.

Österreich schlägt sich in Serbien selbst
Ramazan Özcan: Weil Almer die Wade zwickte, feierte er eine Premiere. Erstmals durfte Özcan in einem Pflichtspiel von Beginn an die Bälle fangen. Drei fing er nicht, bei den Gegentoren war er machtlos. Dafür rettete er drei andere Male in höchster Not. Note: 2
Was noch zu erwarten war? Ein Gegner mit höheren technischen und spielerischen Qualitäten, einer, der keine Unkonzentriertheiten verzeiht. Koller, der wegen seines maroden Knies auf einem Golfwagerl durch den Spielertunnel ins Stadioninnere transportiert worden war, saß gerade einmal sechs Minuten auf der Bank, als sich seine Schmerzen verstärken sollten. Schlecht sortiert war seine Hintermannschaft als ein Ferserl von Kostic den ständigen Unruheherd Tadic befeuerte – Pass zur Mitte, kein Hinteregger weit und breit, aber zur Stelle war Aleksandar Mitrovic – 1:0. Es sollte der Startschuss zu einer fehlerhaften, deshalb abwechslungsreichen Partie sein.

Schon gegen die Waliser war die Moral österreichische Tugend gewesen. Und auch gegen die Serben wurde ein Rückstand zunächst aufgeholt. Sabitzer nützte den Schnitzer von Stefan Mitrovic, behielt Nerven und glich aus. (15.). Zufriedenstellend die Vorstellung in der Offensive. Arnautovic, Mann mit serbischen Wurzeln, beendet seinen Sololauf zuvor ohne präzisen Abschluss, Janko vergab per Kopf.

Überfordert

Aber es bleibt brotlose Kunst, wenn in der Defensive die Hilflosigkeit regiert. Immer wieder Ballverluste, die den Serben zu flinken Kontern verhalfen und Österreichs Abwehr heillos überforderte. Baumgartlinger bereits auffällig gewordene Unsicherheit nützt wieder Tadic, Serbiens fleißigster Vorbereiter in dieser WM-Qualifikation. Seine Flanke nahm abermals Aleksandar Mitrovic dankend entgegen. Dieses Mal per Kopf (23.)– 2:1. Einen verhungerten Befreiungsschlag kann Kostic nicht nützen, Tormann Özcan bleibt fehlerlos.

Unzähmbar

Gewechselt die Seiten, es sollte weiterhin zunächst nicht rund laufen. Arnautovic hat mit einem Kopfball an die Stange Pech (55.). Doch auch auf Serbiens Durchlässigkeit war Verlass. Als sich Junuzovic durchwühlen konnte, hatte plötzlich der sonst unauffällige Janko die Gelegenheit zum Abstaubertor. Eine leichte Übung – 2:2 (62.). Gerechte Verteilung der beidseitigen Schwächen.

Österreich schlägt sich in Serbien selbst
Football Soccer - Serbia v Austria - 2018 World Cup Qualifying European Zone - Group D - Belgrade stadium, Belgrade, Serbia - 9/10/16 Austria's Stefan Ilsanker, David Alaba and Marc Janko react after scoring a goal REUTERS/Marko Djurica
Der Unterschied hieß allerdings Dusan Tadic. Österreichs Team sollte ihn nie in den Griff bekommen. Auch in der 74. Minute nicht. Sein 3:2 bedeute Serbiens achtes Tor im Bewerb, acht Mal hatte Tadic seine Beine im Spiel.

Es musste einfach so kommen: Österreichs Nationalmannschaft verliert nach 13 Spielen zum ersten Mal ein Qualifikationsspiel. Die Souveränität und Sicherheit ebenso. Im November bietet Irland die Gelegenheit zu einem Neustart.

Belgrad, Stadion Rajko Mitic, 20.000 Zuschauer, SR Eriksson (SWE)

Tore: 1:0 A. Mitrovic (6.), 1:1 Sabitzer (15.), 2:1 A. Mitrovic (24.), 2:2 Janko (63.), 3:2 Tadic (74.)

Serbien: Stojkovic -Ivanovic, S. Mitrovic, Nastasic - Rukavina (90. Maksimovic), Milivojevic, Fejsa, Kolarov - Tadic, Kostic (66. Katai) - A. Mitrovic (78. Gudelj)

Österreich: Özcan - Klein, Dragovic (71. Prödl), Hinteregger, Wimmer - Baumgartlinger (57. Ilsanker), Alaba - Sabitzer, Junuzovic (64. Schöpf), Arnautovic - Janko

Gelbe Karten: Tadic (34.), Milivojevic (37.), Kolarov (80.) bzw. Baumgartlinger (39.), Ilsanker (77.)

Marcel Koller (Teamchef Österreich): "Wir haben in der ersten Hälfte nicht so kompakt in der Defensive gespielt, auch in der Vorwärtsbewegung haben wir Bälle verloren. Sie haben sehr gute Fußballer, die das brutal ausgenützt haben. In der zweiten Hälfte war das besser, wir haben mehr gemeinsam defensiv gearbeitet. Die Serben haben natürlich auch aus vier Möglichkeiten drei Tore gemacht. Wir hatten auch zwei Stangenschüsse. Es hat leider nicht sein sollen, dass wir zumindest ein Remis holen. Es war ein sehr intensives Spiel, die Spieler haben auch gesehen, dass es 90 Minuten braucht. Das ist auch eine Erfahrung, die man mitnehmen kann.

Zu defensiven Schnitzern: "Das ist nur mental, das ist die Bereitschaft, den Weg zu gehen. Sie können es ja, das haben sie ja schon gezeigt. Man soll vorne nicht nur spekulieren, sondern muss die Wege nach hinten konsequent gehen."

Marko Arnautovic (Spieler Österreich): "Wenn wir auswärts spielen und in drei Kontertore laufen, müssen wir uns hinterfragen. Wir hatten genug Chancen, ich hatte auch genug Chancen. Ich denke, wir haben unverdient verloren. Es ist bitter, es schmerzt natürlich. Es ist das dritte Spiel, es ist noch nichts verloren. Es war sehr emotional, ich habe mich aber auf mein Spiel konzentriert."

Marc Janko (Torschütze Österreich): "Wir haben uns zu blöd angestellt bei den Gegentoren. Wir waren zu nachlässig, haben ihnen zu leicht die Räume freigeben. Es war ein ausgeglichenes Spiel, Serbien ist immer in Führung gegangen, aber wir haben ausgeglichen. Aufgrund des Spielverlaufs und der Tatsache, dass wir die bessere Mannschaft waren, tut das schon weh. Wir haben es ihnen bei den Gegentoren zu einfach gemacht, sie konnten durchkombinieren und sind zu leicht zum Abschluss gekommen. Abgesehen von diesen Unkonzentriertheiten - an der Qualität liegt es nicht - waren wir gut eingestellt."

David Alaba (Spieler Österreich): "Wir haben versucht, unser Spiel zu spielen. Ihre Offensive hat nach hinten nichts gemacht, da entstehen dann Löcher. Während des Spiels hatte man zwei verschiedene Gefühle: Einmal waren wir da, dann waren die Serben am Drücker, dann wieder wir. In so einem Spiel, das man in der Hand hat, kann man keine drei Tore bekommen, das ist zu viel."

Dusan Tadic (Torschütze Serbien): "Es war ein schwieriges Spiel, Österreich hat eine starke Mannschaft mit guten Spielern. Sie hatten auch gute Möglichkeiten, vielleicht hätten sie sich einen Punkt verdient. In der Gruppe ist es sehr schwierig, jeder kann jeden schlagen. Es war ein wichtiges Spiel für uns, aber wir haben noch einige Spiele zu spielen."

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