20. Todestag von Ernst Happel

20. Todestag von Ernst Happel
Kein Österreicher hat den Fußball so geprägt wie der "Wödmasta".

Es wird wohl kaum einen Österreicher geben, dem zur Ehren die deutsche ARD anlässlich seines 20.Todestages eine Sondersendung widmet, in der Kultfiguren wie Franz Beckenbauer und Günter Netzer über ihn schwärmen werden. Der ORF würdigte Ernst Happel schon ausführlich im "Sport am Sonntag".

Und der österreichische Fußballbund wird am Mittwoch, dem 14. November, wenn die Nationalelf in Linz gegen die Elfenbeinküste antritt, natürlich auch nicht vergessen, dass er am Tag genau vor 20 Jahren einen seiner Größten verlor.

Ernst Happel? Jungen Menschen, die in das nach ihm benannte Prater-Stadion vielleicht nur noch wegen Bruce Springsteen oder Madonna kommen und denen das Glorifizieren einstiger Sportgrößen auf die Nerven geht, sei verraten:

Happel war schon als Spieler eine Ausnahme­erscheinung. Gegen Real Madrid erzielte er, obwohl Verteidiger, einmal sogar drei Tore für Rapid.

Er besaß in den Füßen mehr G’fühl als andere in die Händen. So durfte ich als Reporter-Jungspund Augenzeuge sein, wie der Trainer Happel vor dem Meistercup-Finale 1970 beim Abschlusstraining in Mailand Cola-Dosen auf dem (damals noch viereckigen) Querbalken des Tores platzieren ließ und sie je nach Wunsch abwechselnd mit links und rechts aus 16 Metern Entfernung herunterschoss.

Seine niederländischen Schützlinge von Feyenoord Rotterdam verloren diesbezügliche Vergleiche mit ihrem Wiener Coach. Einen Tag später aber gewannen sie (angetrieben vom Österreicher Franz Hasil) gegen Celtic den Europapokal.

Tollhaus

Acht Jahre später führte Happel bei der WM in Argentinien das niederländische Nationalteam, nachdem er zuvor u.a. seine Landsleute vom ÖFB taktisch ausgekontert hatte (Österreich verlor 1:5, auch das passierte in Cordoba), ins Endspiel gegen Gastgeber Argentinien.

Das River-Plate-Stadion in Buenos Aires glich einem Tollhaus. Dass die Militärjunta während der WM tausende Menschen auf Nimmerwiedersehen verschwinden ließ, wusste damals niemand von uns WM-Berichterstattern. Dass Argentiniens WM-Sieg Befehl von Gastgeber und Diktator Jorge Videla war, ahnte Happel aber sehr wohl. Nicht nur er.

Kurz vor Anpfiff untersagte der Schiedsrichter dem holländischen Mittelfeldstrategen Willy van de Kerkhoff das Mitwirken, weil dieser seinen gebrochenen Arm mit einer Ledermanschette schützte.

Jeder andere Trainer hätte durchgedreht. Happel aber reagierte gelassen, indem er wissen ließ: "Okay. Wenn De Kerkhoff nicht spielen darf, muss ein Ersatzspieler aufwärmen und das Spiel 30 Minuten später angepfiffen werden."

Happel wusste genau, dass der Satellit für die Übertragungen in alle Welt auf einen pünktlichen Beginn programmiert war und eine Verspätung Millionen kosten würde. Fazit: Es wurde pünktlich angepfiffen. Mit Van de Kerkhoff.

Holland verlor erst in der Verlängerung mit 1:3. Nach dem unglücklichen 120-Minuten-Krimi schwänzte Happel, obwohl von der FIFA zur Anwesenheit verpflichtet, die internationale Final-Pressekonferenz.

Austeilen und Einstecken

Auch als Happel später den Hamburger SV zum Europacupsieger machte, ignorierte er immer wieder Medien und Sponsoren. Ein Verhalten, wie es heute untolerierbar wäre. Selbst im Finish seines Lebens, als er schwer vom Krebs gezeichnet das österreichische Nationalteam coachte, ärgerte ihn mediale Kritik oft mehr als eine unnötige Niederlage. Nicht ahnend, dass ausgerechnet seine geliebte Enkelin dereinst selbst Reporterin werden würde. Christina Happel ist heute Fußballexpertin von Sky.

Opa Happel war im Austeilen stärker als im Einstecken. Und durchaus Patriot, sobald er sich außerhalb des Landes befand. Nie mehr sollte ihn sein Assistent Dietmar Constantini so wütend erleben wie im Juni 1992 in Schweden, als die beiden im ÖFB-Auftrag bei der EM spionierten und den damaligen deutschen Teamchef Berti Vogts nach dem 1:1 gegen Russland bei der Pressekonferenz sagen hörten: "Wir haben ja heute nicht gegen irgendwelche Türken oder Österreicher gespielt."

Abschätzige Kommentare über seine Heimat waren Happel stets zuwider. Auch das unterschied ihn von so manch anderem Fußball-Österreicher.

Vor 20 Jahren, am 14. November 1992, starb Ernst Happel (mit 67) in der Innsbrucker Uni-Klinik an Krebs. An seinem Grab (Feld 1, Nr. 238) am Hernalser Friedhof wird eine attraktive, junge Frau eine Kerze anzünden und sich mit glänzenden Augen bei ihm bedanken.

Bei ihrem Großvater, den die (Fußball-)Welt als grantig und griesgrämig fürchtete, den sie freilich nur als gutmütig und großzügig in Erinnerung hat. Gerade jetzt, vor Weihnachten: „Da hat er uns zum Christkindlmarkt geführt.“ Dort gab’s heiße Schokolade und dann, bei der Bescherung, große Geschenke ("das Schönste war einmal eine riesige Stoffente, weiß ich noch ganz genau").

Christina Happel (29) ist die Enkelin des erfolgreichsten Trainers, Gurus und Fußball-"Gottes" .

Während ihr Bruder Philipp (30) als AUA-Manager in Bukarest lebt, hält Christina, die Opas Pausbäckigkeit und Großäugigkeit seiner jungen Jahre im Antlitz trägt, das Erbe auch beruflich hoch: Als Sportreporterin bei Sky.

KURIER: Haben Sie den Fußball-Sachverstand vom Großvater?
Christina Happel: Da war ich doch noch viel zu klein. Und zum Glück war ich ein Mädchen. Ich musste nie kicken. Meinen Bruder hat der Opa aber schon ordentlich hergenommen – Schusstechnik im Garten und so ... Philipp hat nach Opas Tod mit dem Fußball aufgehört. Er hat’s ja nur ihm zuliebe getan, glaub ich.

Der Name hat Ihnen im Fernsehjob aber nicht geschadet?
Klar hat das geholfen am Anfang. Aber dann musst du dich selbst behaupten. Das Lustigste ist, dass ich jetzt in dem Job bin, den mein Opa am meisten gehasst hat. Aber im Gegensatz zu ihm rede ich halt ganz gern ...

War er denn privat auch so einsilbig und übel gelaunt?
Oh, nein! Genau das Gegenteil davon: Er hat sich bei den seltenen Anlässen, zu denen er uns aus dem Ausland besuchte, stets als extrem liebevoll, großzügig und geduldig erwiesen. In der Schule war ich seinetwegen ein kleiner Star. Alle wollten was wissen über ihn.

Das schönste Erlebnis mit ihm?
Da gibt’s einige. Bei einem Zoobesuch in Hamburg hat er einmal einer ganzen Schulklasse Autogramme gegeben, bis der Lehrer gesagt hat: So, Kinder, jetzt geht’s aber weg! Da hat er dem Lehrer gesagt: Nein, die Kinder bleiben, SIE gehen weg! – Ja, so war er.

In Hamburg wurde er geradezu vergöttert. Die HSV-Fans beten heute noch gern das "Happel Unser". War Ihnen damals schon bewusst, wie groß Ihr Opa war?
Eigentlich erst beim Begräbnis. Das wurde ja live im ORF übertragen und da sind plötzlich all die Fußballstars zu mir hergekommen und haben mir die Hand gedrückt. Da hab ich mir mit meinen neun Jahren schon gedacht: Hallo? Was ist da los? Das ist doch mein Opa! Der, der mir einmal eine riesige Stoffente geschenkt hat. Ich erinnere mich so genau daran, als wäre es erst gestern gewesen.

Haben Sie sein Sterben geahnt? Er wurde ja immer "weniger".
Das ging mir nahe. Aber es war kaum Zeit, sich still damit auseinander zu setzen. Opa starb am späten Nachmittag – und am Abend liefen schon die Nachrufe auf allen Sendern. Diese totale Öffentlichkeit hat uns abgelenkt.

Sie haben nach dem Tod Ihrer Oma all die Souvenirs geerbt. Ist ein Happel-Museum in Planung?
Das könnte ich locker mit Trikots, Pokalen, Fotos, Fanbriefen und Wimpeln füllen. Vielleicht mach ich das noch einmal ... Einen wie den Opa wird man eh nie vergessen.

Happel unser, der du bist im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Meister komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel,
so auch im Volkspark.

Unser wöchentlich Spiel
gib uns heute.
Und vergib uns unser Bier,
wie auch wir vergeben
unseren Brauereien.

Und führe uns nicht zu St. Pauli,
sondern erlöse uns
von den Bayern.

Denn dein ist der Ruhm
und die Ehr'
und der Eurocup
in Ewigkeit.
Amen

Der aufmüpfige Pimpf Als zwangsrekrutierter "Hitler- Junge" nach dem "Anschluss" der "Ostmark" (1938) widersetzte sich Happel (13) dem Befehl "Ein Lied!", flog aus dem HJ-Bann 507 und durfte erst nach Intervention Rapids weiter Fußball spielen.

Der Spitzname "Aschyl" Während einer Tournee Anfang der 1950er sahen die Rapidler in Istanbul einen türkischen Film, in dem ein Haremswächter namens „Aschyl“ auftauchte, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah ...

Der cleverste Verhandler Die ersten (und oft einzigen) Worte, die Happel in jedem fremden Land beherrschte, waren Zahlen. Einmal verhandelte er als Aktiver während eines Spiels an der Outlinie mit Rapid-Manager Schick über die Siegprämien.

Der Wurst-Schmuggler Von jedem Wien-Besuch nahm Happel kiloweise Wurst mit und schmuggelte sie über die Grenze.

Der heimliche "Häftling" Nach einer feuchtfröhlichen Tour durch die Nacht von Rotterdam wurde Happel 1970 alkoholisiert am Steuer erwischt. Polizei und Presse hielten zwar dicht, aber zwei "kasernierte" Wochen auf Staatskosten (zur Nachschulung) blieben ihm nicht erspart.

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