WM-Schlusspfiff. Endlich.

Anstoß: Gipfeltreffen
Der Gastgeber hat sich gut geschlagen, der Fußball so halbwegs. Ein erster Blick zurück.
Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Im Luschniki-Stadion gehen die Lichter aus. Frankreich jubelt. Die Fußball-Weltmeisterschaft ist zu Ende. Endlich.

64 Spiele, einen Monat lang, hat sie gedauert. Zu lange vielleicht. Ein ständiges Wechselbad der Gefühle, Planschen in Jubel und Trauer, oft mischte sich die Hysterie als Zutat ein, wieder einmal legte der Fußball beeindruckendes Zeugnis ab, welche Macht er auf die Menschheit auszuüben vermag, welch Fehleinschätzung es doch ist, er sei in seiner ureigenen Erscheinungsform eigentlich „nur ein Spiel“. National ausgeprägt war so manches Gedankengut. Gedankenlos offenbart von Spielern, besinnungslos zelebriert von einigen Fans.

Massenhaft

Es war eine Lawine, die am 14. Juni losgetreten wurde. Eine Vorrunde, die das Publikum mit Spannung, Fadesse, Niedergeschlagenheit, Freude und Schadenfreude versorgte und nicht wenigen die Nüchternheit und den klaren Überblick über die jeweiligen Gruppensituationen raubte. Teams zogen ihre vielbeinigen Verteidigungslinien vor eigenen Strafräumen auf, von ihren Mitspielern alleine gelassene, ausgelaugt wirkende Stars taten sich verdammt schwer damit. Auffallend oft wurden Elfmeter geschossen, als wichtigstes Werkzeug, um Tore zu produzieren, war jede Standardsituation gut zu gebrauchen. Videobeweise täuschten die Entdeckung eines neuen Gerechtigkeitssinns vor auf dieser ins Ungleichgewicht kippenden Welt. Auch so ein Machtspiel des Fußballs.

Aha-Effekt

Was man anfangen soll mit dieser WM? Enttäuscht äußerten sich die einen über „unterdurchschnittlichen Unterhaltungswert“, begeistert würdigten andere die reichhaltig zur Schau gestellte taktische Disziplin.

Irgend ein Drehbuchautor hatte den Geistesblitz, den Deutschen das lächerliche Fach umzuhängen, die zähe Gruppenphase mit einem Überraschungseffekt vor dem Zugriff aufkeimender Langeweile zu retten. Abgeben durfte im Gegenzug der Gastgeber die monatelang einstudierte Rolle des mit Spott und Hohn überschütteten Verlierers, des ungeliebten Fremden im eigenen Land. Der Blamage entkommen, hoben Russlands neu entdeckte Helden die Laune.

Aufgebläht

In acht Jahren – nach dem Abstecher in die Wüste – kriegt man mehr davon. Von 32

auf 48 Länder wird das Teilnehmerfeld aufgeblasen, 80 Spiele wird es dauern, bis ein Mannschaftskapitän den Pokal gen Himmel heben darf. Die Quantität besiegte die Qualität in der Verlängerung, unübertroffen bleibt der Ideenreichtum der FIFA, wenn das Geldverdienen ein Thema wird.

Jetzt geht diese Weltmeisterschaft in die Geschichte ein. Russland probte die Weltoffenheit und stellte seine Austragungsorte in diesem riesigen Land in die Auslage. Eine Momentaufnahme – oder vielleicht doch gelungene Zerstörung des Klischees von der autoritär geführten, unnahbaren Nation?

Straff geführt

Unseriös ist jeder Versuch, als Besucher dies zu beurteilen. Auffällig war jedenfalls die perfekte Organisation, der verschwindend kleine Unterschied zu westlichen Städten, das Trachten nach der totalen Gefahrlosigkeit, der penibel registrierten und damit streng überwachten Fanmasse, das Aufrechterhalten des Zustands der Sauberkeit.

So unermüdlich, wie es wohl nur eine straff geführte Gesellschaftsform zu bewältigen versteht. Fast sympathisch, die Lücken zu entdecken, die sich hin und wieder auftaten. Manch knüppelschwingende, wohlgenährte Sicherheitskraft war nur Statist im Szenario einer großen Show.

Russland, Gastgeber der Fußball-WM 2018, wird in Erinnerung bleiben. Trotzdem, es ist gut, dass die WM jetzt zu Ende ist. Durchatmen.

Das hat mit Russland allerdings überhaupt nichts zu tun.

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