Die EM verlangt Lehrgeld – auch Alaba zahlt ein

Traute Familie: Nach der frühen Auswechslung gegen Portugal suchte David Alaba Trost beim Papa.
David Alaba wurde in den letzten Jahren zum Gesicht des österreichischen Fußballs. Doch um in die Rolle des großen Leaders à la Ibrahimovic oder Lewandowski zu schlüpfen, braucht er noch Zeit.

Er ist Champions-League-Sieger, fünffacher deutscher Meister, zweimaliger Sportler und fünfmaliger Fußballer des Jahres, Werbestar und Großverdiener. David Alaba – jener Name, der zuallererst genannt wird, wenn es um Österreichs Fußball geht. Weil er es war, der mit seinen persönlichen Erfolgen in den letzten Jahren den leidgeprüften Fußballfans des Landes – ganz egal, welchen Klub sie bevorzugen – immer wieder ein stolzes Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.

2016 sollte das Jahr sein, in dem Alaba im Trikot des ÖFB-Teams die Österreicher mindestens ebenso stolz macht. Umso mehr fragt sich eine ganze Fußballnation nach zwei Spielen dieser Europameisterschaft:

Was ist los mit Alaba?

Zwei Spiele sind gespielt. Zwei Mal konnte der Star der Österreicher dem Spiel seiner Mannschaft nicht den erwünschten Stempel aufdrücken. Die Gründe dafür sind durchaus vielfältig, dürften aber in erster Linie im mentalen Bereich liegen.

Erwartungshaltung

Aufgrund seiner Erfolge wird erwartet, dass es Alaba ist, der Österreich ins Achtel- und Viertelfinale oder – für unverbesserliche Optimisten – sogar zum EM-Titel führt. Er ist der Star des Teams, weil er der einzige Österreicher bei einem Weltklub ist.

Dort, bei den Bayern, ist der Wiener jedoch ein Teil eines Starensembles. Einer von vielen. Kommt Alaba aus München zum Team, steht er plötzlich voll und ganz im Mittelpunkt. Eine vergleichbare Situation gibt es gerade noch für seinen polnischen Bayern-Kollegen Robert Lewandowski und vor allem beim Schweden Zlatan Ibrahimovic. Deutsche Bayern-Stars wie Müller, Boateng oder Neuer erwartet indes im Nationalteam die gleiche Situation wie im Verein: umzingelt von anderen Stars, auf die der Fokus der Medien und der Öffentlichkeit gleichmäßig verteilt ist.

Ibrahimovic ist um elf und Lewandowski um vier Jahre älter als Alaba. Dazu kommt, dass sie nicht ihr erstes Turnier spielen. Weil Alaba schon so lange auf Top-Niveau agiert, im Grunde, seit er 17 ist, wird gerne vergessen, dass er am Freitag seinen erst 24. Geburtstag feiert.

Alaba weiß, dass die Erwartungen an ihn enorm sind. Auch er weiß, was es für ihn bedeutet, wenn er die Gazetten aufschlägt, die den Begriff Nationalmannschaft gerne auf "Alaba & Co." reduzieren, wenn er im Internet einen Rap mit dem Refrain "da kummt der Alaba mit seine’ Haberer" hört und auf Wiens Straßen keinen Schritt tun kann, ohne dabei den Wunsch nach einem Selfie erfüllen zu müssen.

In den letzten Jahren war gut zu beobachten: Der Hype um Alaba in Österreich hat ganz andere Dimensionen erreicht als jener, dem sich etwa Thomas Müller in Deutschland stellen muss, weil es in Deutschland zehn Spieler dieses Formats gibt.

Dazu kommt der Druck, den sich Alaba selbst auferlegt. Er ist ambitioniert, die Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern wenn möglich zu übertreffen. In Summe führte diese mentale Situation in den jüngsten zwei Spielen dazu, dass Alaba seine größte Stärke – seine Unbekümmertheit und Pfeif-mirnix-Mentalität – verloren hat.

Sportliche Aufgabe

Im Schatten der mentalen Komponente kommt freilich auch der nicht enden wollende Positionswechsel erschwerend hinzu. Eine seiner Stärken, die Vielseitigkeit, treibt Alaba derzeit mehr in die Kritik als zu Erfolgen.

Gegen Portugal agierte er in einem defensiven 4-4-2 praktisch als zweiter Stürmer neben Harnik. Wie er rannte sich auch Alaba in der Spitze die Seele aus dem Leib. Den Ball erst einmal gewonnen, folgte zu oft das, was auch derjenige erkennt, der nur drei Mal im Jahr den Fernsehapparat für ein Fußballspiel aufdreht: ein Fehlpass.

In der Tat hätte Alaba mit dem Ball am Fuß ruhiger agieren können. Meist suchte er schon nach ein, zwei Kontakten einen Mitspieler. Die Flügel Arnautovic und Sabitzer geizten aber ebenso mit Ideen und Durchsetzungsvermögen wie Alaba selbst. Und weil auch Harnik kein Spieler ist, der mit dem Rücken zum Tor angespielt werden und Bälle behaupten kann, landete das Spielgerät oft viel zu schnell wieder beim Gegner, der den Druck auf Österreichs Defensive hoch hielt.

Ob in der Abwehr oder im defensiven Mittelfeld: Alaba ist ein Spieler, der zur Geltung kommt, wenn er das Spiel vor sich und dadurch viele Ballkontakte hat, die ihm ermöglichen, seinen Spielrhythmus zu finden.

Die nächste Chance, ihn zu finden, gibt es bereits am Mittwoch, wenn er gegen die stets tief verteidigenden Isländer aller Voraussicht nach wieder weiter hinten im zentralen Mittelfeld neben Baumgartlinger und davor Alessandro Schöpf als "Zehner" auflaufen wird.

Bis dahin zählt die Erkenntnis, dass der Star der Österreicher, der er natürlich bleibt, einer von 23 ist im Kader Kollers. Und dass er noch Zeit braucht, um in jene Rolle zu wachsen, in der ihn viele schon lange sehen.

KURIER-Noten für die Teamspieler

Kommentare