Wurz: "Fahrfehler müssen Konsequenzen haben"

Alexander Wurz arbeitet an sicherem und spannendem Motorsport.
Der Ex-Pilot fordert eine authentischere Formel 1, als Streckendesigner arbeitet er bereits daran. Dass einer seiner drei Söhne Rennen fährt, wollte der 43-Jährige eigentlich nicht. Nun tun es alle drei.

Er ist die vermutlich umtriebigste Person im Motorsport. Das Interview mit Alexander Wurz findet zwischen zwei Besprechungen bei Williams statt, beim britischen Rennstall ist der 43-Jährige technischer Berater. Heute, Sonntag, wird der Wahlmonegasse für den ORF den Großen Preis von Spanien (14 Uhr) mitkommentieren. Parallel laufen mehrere Projekte im Streckendesign, etwa für die MotoGP in Finnland.

KURIER: Herr Wurz, Sie haben nach der aktiven Karriere sofort weitergemacht. Gab es nie den Wunsch nach einer Auszeit?

Alexander Wurz: Doch, die Momente gab’s. Aber der Hunger nach dem Tun ist einfach immer größer als der Hunger nach dem Ruhen. Der Augenblick, auf einem leeren Grundstück eine neue Strecke entstehen zu lassen, ist unglaublich erfüllend.

Gutes Stichwort: Was macht eine gute Rennstrecke aus?

Eine gute Strecke fordert Fahrer und Ingenieur. Und für mich muss eine gute Rennstrecke mittlerweile auch wieder Konsequenzen haben. Wenn du es übertreibst, zu schnell in eine Kurve fährst und von der Strecke abkommst, darfst du nicht in elendslange Asphalt-Auslaufzonen gelangen, die dich ohne Mühe wieder zurückbringen. Das wäre, als ob ein Fußball-Linienrichter bei einem Out weiterspielen lässt, weil der Ball nur einen halben Meter draußen war. Motorsport ist Präzisionssport, in dem Fehler bestraft werden sollen. Das bedeutet nicht, dass die Sicherheit vernachlässigt werden soll. Wollen Sie ein Beispiel?

Gerne.

Die Passage Copse-Corner in Silverstone war früher durch Kies begrenzt, heute gibt es Asphalt. 2015 lag dort fünf Runden vor Schluss Hamilton ein paar Sekunden vor Rosberg in Führung, als Hamilton einen Fehler beging. Ohne Probleme kam er aber über den Asphalt zurück und gewann einen langweiligen Grand Prix. Mit Kies wäre sich das nie ausgegangen. Den Aufschrei der britischen Fans hätte ich gerne gehört: von Hero to Zero in wenigen Sekunden. Diese Momente brauchen wir wieder mehr.

Welche ist für Sie derzeit die spannendste Rennserie?

Interessante Frage (denkt lange nach). Die Langstrecken-WM ist weit vorne, weil durch den dichten Verkehr hinter jeder Kurve ein Überraschungsmoment lauern kann. Die Serie hat sich ihren ursprünglichen Kern erhalten, geht aber dennoch mit der Zeit. Einzig für den normalen Sportfan wird sie zu wenig beworben, sie ist daher ein Insiderprodukt, aber zumindest authentisch. Genau das hat der Formel 1 zuletzt ein wenig gefehlt, aber das ändert sich gerade wieder. Rundherum darf und soll es Show geben, auf der Strecke soll aber einzig der Sport im Vordergrund stehen.

Wurz: "Fahrfehler müssen Konsequenzen haben"
Alexander Wurz of Austria leads the pack with his Toyota TS040 Hybrid number 7 just after the start of the Le Mans 24-hour sportscar race in Le Mans, central France, June 14, 2014. The Toyota TS040 Hybrid number 7 is also driven by Kazuki Nakajima of Japan and France's Stephane Sarrazin. REUTERS/Stephane Mahe (FRANCE - Tags: SPORT MOTORSPORT)
Viele kritisieren aktuell an der Formel 1, dass durch die neuen Regeln das Überholen schwieriger geworden ist.

Das ist es definitiv. Es ist ein falscher Ansatz, dass ständig überholt werden soll. In der Formel 1 sind die weltbesten Fahrer unterwegs, die wenige Fehler machen. Wenn wir dann aber ein heroisches Überholmanöver sehen, hat das eine höhere Wertigkeit als zehn künstliche Manöver mit flachgestelltem Heckflügel. Wichtiger wäre etwas anderes.

Was denn?

Wichtig ist, dass das Feld enger zusammenrückt. In dem Punkt muss sich die Formel 1 stark verbessern. Der Unterschied zwischen erstem und letztem Team muss geringer werden. Dann steigt automatisch der Druck, und unter Druck entstehen Fehler. Die brauchen wir.

Ihre drei Söhne sind seit einigen Jahren im Kartsport unterwegs. War das logisch?

Im Gegenteil. Ich wollte ursprünglich gar nicht, dass sie Kart fahren, weil die Chance, es im Motorsport an die Spitze zu schaffen, gering ist. Zusätzlich zum Talentefilter gibt es einen finanziellen Filter, der entscheidender ist.

Was hat sie umgestimmt?

Ich habe mit anderen Ex-Rennfahrern gesprochen, und die haben mir gesagt, dass ich das nicht machen darf. Ich dürfe meinen Kindern nicht die Chance nehmen, das zu erfahren, was ich beruflich gemacht habe. Umgestimmt hat mich das Argument allerdings noch nicht.

Sondern?

Es war ein Gespräch mit dem Sohn eines Ex-Rennfahrers. Der hat mir gesagt, dass er eine Art Hassliebe zu seinem Vater entwickelt hat, weil der ihn lange Zeit nicht Rennfahren ließ. So weit wollte ich es nicht kommen lassen. Also sind wir irgendwann auf die Kartbahn gegangen. Mittlerweile bin ich sogar ganz froh.

Warum das ?

Der Motorsport ist die perfekte Karotte vor ihren Nasen. Wenn die Kinder zuhause schlimm sind oder in der Schule nicht mitziehen, gibt’s einfach keine neuen Reifen oder keinen Nachmittag an der Kart-Strecke.

Wie groß ist der Aufwand?

Jedenfalls nicht gering. Aber die Kinder lernen dabei fürs Leben, sie müssen mit Höhen und Tiefen umgehen, Entscheidungen treffen. Wir sind nun bei einem halben Kart-Werksteam dabei und haben den Aufwand heuer deutlich erhöht.

Warum?

Weil sich in den nächsten beiden Jahren entscheidet, ob einer das Zeug zum Profirennfahrer hat. Falls nicht, kann es ihr Hobby bleiben.

Sind Ihre Kinder talentiert?

Ich kann es schon beurteilen, verrate es aber nicht. Außerdem habe ich eine etwas andere Definition von Talent.

Welche denn?

Für viele bedeutet Talent, dass jemand mit wenig Aufwand Erfolg hat. Aber am erfolgreichsten sind die talentierten Arbeiter. Nur die schaffen es in die Formel 1. Selbst Kimi Räikkönen arbeitet wie besessen, auch wenn das nach außen gerne anders verkauft wird.

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