Was sich in der Formel 1 ändern könnte

Chase Carey übernimmt: Der neue Chef der Formel 1.
Die Ära Bernie Ecclestone ist vorbei - und das könnte für die Königsklasse einige Änderungen bedeuten.

Knapp zwei Monate vor dem Start in die neue Formel-1-Saison hat die Königsklasse ihre Weichen für die Zukunft gestellt - und es war, ungeachtet zahlreicher Regeländerungen mit teils drastischen Ausmaßen - die wohl bedeutsamste Veränderung in den letzten vierzig Jahren. Der Abgang von Urgestein Bernie Ecclestone und die damit einhergehende Übernahme durch den US-amerikanischen Mediengiganten Liberty Media läuten für die Formel 1 ein neues Zeitalter ein.

Geprägt wird dieses Zeitalter von einem Triumvirat, das sich an die Spitze des Motorsport-Zirkus gesetzt hat: Mit Chase Carey, Ross Brawn und Sean Bratches übernehmen drei höchst unterschiedliche, aber durchweg erfahrene Experten jenes Ruder, welches Ecclestone mit seiner Mischung aus diktatorischer Selbstsicherheit und eiskaltem Geschäftssinn seit den 70er Jahren fest in der Hand hielt. Und damit zeichnen sich Änderungen in jenen drei Bereichen ab, für die die neuen starken Männer jeweils verantwortlich sind.

Chase Carey: Der neue Big Boss

Auch wenn eine Persönlichkeit wie Ecclestone von Anfang an nicht gleichwertig ersetzbar ist, war doch abzusehen, dass Chase Carey die meisten von Ecclestones Funktionen übernehmen wird. Dazu zählt die Geschäftsführung des Milliardenkonzerns, der die Formel 1 mittlerweile geworden ist. In dieser Funktion wird sich Carey vor allem um neue Austragungsorte und damit neue Märkte bemühen.

Neue Märkte
Carey hat von Anfang an wenig Zweifel daran gelassen, dass ihm - und den Stakeholdern der neuen Formel-1-Eigentümer Liberty Media - zu wenig für den US-amerikanischen Markt getan wird. Schon im Herbst, als sich die Übernahme abzeichnete, deutete Carey an, dass es zwei bis drei Rennen in den USA geben könnte, dazu noch ein oder zwei weitere Südamerika-Rennen. Wenig Interesse hat Liberty Media dafür an Rennen wie Baku oder Sotschi. Auch Singapur könnte dem Rotstift zum Opfer fallen.

Was sich in der Formel 1 ändern könnte
epa00696976 German F1 driver Nick Heidfeld steers his BMW Sauber, during the F1 race in Imola, Italy, Sunday, 23 April 2006. EPA/JIMMY FROIDEVAUX

Traditionsrennen
Anders als Ecclestone, der traditionsreiche Rennen wie Frankreich oder Deutschland aussetzen ließ oder ganz aus dem Kalender strich, hat Carey betont, dass die Traditionsrennen vor allem für die Fernsehzuschauer enorm wichtig sind. Denkbar ist unter anderem, dass unter Liberty Media Kurse wie der Nürburgring oder Imola in den Kalender zurückkehren - vor allem, weil Carey angekündigt hat, die Kosten für Streckenbetreiber deutlich senken zu wollen.

Der Kalender
Ganz allgemein ist bereits durchgesickert, dass schon der WM-Kalender 2018 deutlich wachsen könnte. In der aktuellen Saison stehen - mangels Deutschland-GP - 20 Rennen auf dem Programm. Carey ließ anklingen, dass diese Zahl auf bis zu 25 Rennen steigen könnte. Kandidaten für eine Erweiterung kommende Saison sind neben der Rückkehr von Hockenheim oder dem Nürburgring und dem bereits feststehenden Frankreich-Rennen in Le Castellet ein weiteres Rennen in den USA sowie ein Ausflug nach Argentinien.

Sean Bratches: Der Marketing-Guru

Bei ESPN war Bratches für den Ausbau des Senderprogrammes, die Einführung von Pay-Per-View-Veranstaltungen sowie den Verkauf von Werbeflächen verantwortlich. Gut möglich, dass er in der Formel 1 eine ähnliche Rolle übernimmt. Vor allem im Bereich Digital Media hat die Formel 1 massiven Nachholbedarf, vor allem mit neuen Übertragungskanälen wie etwa DAZN, die als TV-Partner zunehmend interessant werden könnten.

Die TV-Rechte
Das große Thema in der Formel 1 sind und bleiben die Übertragungsrechte. Sollten die Antrittsgelder der Streckenbetreiber sinken, müsste man diesen Ausfall wohl vor allem mittels der TV-Verträge ausgleichen. Zum Beispiel: Der ORF zahlte bis einschließlich 2016 ungefähr 15 Millionen Euro pro Jahr, im neuen Vertrag, der von 2017 bis 2019 gilt, dürfte die Gebühr knapp unter 10 Millionen Euro liegen. Diese Preise werden vermutlich wieder ansteigen. Denkbar ist, dass Liberty Media die Formel 1 künftig pro Land an mehrere Sender verkauft: Im Rahmen unterschiedlicher Pakete könnten hier von kurzen Highlight-Zusammenfassungen bis hin zu vollumfänglichen Live-Übertragungen mehrere Möglichkeiten bestehen.

Digital Media
Der große Schwachpunkt der Formel 1? Die gestiegene Bedeutung des Internets. Erst 2015 begann die Königsklasse, aktiv über diverse Social-Media-Kanäle jüngere Zuseher anzusprechen, etwa mit kurzen Videoclips spektakulärer Rennszenen, aber auch mit Exklusiv-Interviews und Einblicken hinter die Kulissen. Dieses Angebot wird unter Liberty Media zweifellos ausgebaut werden, schon allein, weil Online-Streamingdienste einen neuen Vertriebskanal eröffnen.

Ross Brawn: Das Superhirn

Für Fans vor dem Fernseher ist die Ernennung von Ross Brawn zum Managin Director im Bereich der sportlichen Entwicklung sicherlich die aufregendste Neuigkeit. Brawn kennt die Formel 1 wie seine Westentasche, hat die heute oft als goldenes Zeitalter bezeichneten 70er und 80er Jahre als Techniker und Konstrukteur live miterlebt und mit Michael Schumacher gemeinsam Ferrari zur dominierenden Kraft am Anfang des 21. Jahrhunderts gemacht. Kein Wunder, dass sich der Brite den Titel "Superhirn" verdient hat.

Die Regeln
Eine von Brawns ersten Amtshandlungen war es, das aktuelle Reglement zu kritisieren. Priorität müsse haben, die Regeln zu vereinfachen, damit die Zuschauer sie verstehen können. Für 2017 wird die Rennleitung den Fahrern etwas mehr Spielraum im Zweikampf geben, auch Verstöße gegen die Streckenbegrenzung - etwa das Kurvenschneiden - sollen zum Einen verständlicher und zum Anderen auch etwas lockerer gehandhabt werden.

Was sich in der Formel 1 ändern könnte
Ferrari's driver Felipe Massa (L) leads the pack of drivers as he is followed by team-mate Michael Schumacher (R) and Renault's Fernando Alonso (C) during the first lap in the Turkish F1 Grand Prix at Istanbul Park track in Istanbul August 27, 2006. REUTERS/Fatih Saribas (TURKEY)

Die Autos
Viele Fans haben kritisiert, dass die aktuelle Generation der Formel-1-Boliden zu leise, zu komplex und zu unspektakulär sei - darunter auch Brawn. Mit den neuen Aerodynamik-Regeln des Jahres 2017 ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan - die Autos werden noch schneller, zudem werden sie wohl auch spektakulärer aussehen. Brawn ist aber auch kein Fan der V6-Hybrid-Motoren, die vielen Fans zu leise und zudem enorm kostspielig sind. Gut denkbar, dass die Idee eines kostengünstigen Alternativmotors für kleinere Teams wieder aufgegriffen wird.

Die Show
"Wir wissen doch, was die Fans wollen - sie wollen unterhalten werden", stellte Brawn klar. "Sie wollen enges Racing, und sie wollen verstehen, was vor sich geht." Damit fasst er die Kritik der vergangenen Jahre knapp zusammen. Fraglich ist, ob das enge Racing schon 2017 Einzug hält - mit den neuen Boliden dürfte Überholen eher schwieriger als leichter werden. Auch die neuen, größeren Reifen sind ein Fragezeichen. Klar ist aber, dass Brawn nichts von Ideen wie dem Eliminations-Qualifying oder künstlichen Regenrennen hält, sondern mithilfe des Reglements mehr Spielraum für unterschiedliche Konzepte schaffen möchte.

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