Pangl: "So kann es nicht weitergehen"

Georg Pangl schlägt Alarm.
Der Ex-Bundesliga-Vorstand und Generalsekretär der Vereinigung der europäischen Profi-Ligen (EPFL) kritisiert die Champions-League-Reform.

Der 51-jährige Burgenländer Georg Pangl, der von 2004 bis 2014 die Geschicke der Bundesliga als Vorstand geleitet hat, ist seit drei Jahren Generalsekretär der Vereinigung der europäischen Profi-Ligen (EPFL). Der KURIER hat ihn in seinem Büro in Nyon am Genfer See zu einem ausführlichen Gespräch über die Zukunft des europäischen Klub-Fußballs getroffen.

KURIER: Was ist die EPFL? Können Sie das kurz erklären?

Georg Pangl: Wir sind eine Vereinigung von 32 Ligen aus 25 Ländern. Wir sind die Stimme von 900 Klubs und organisieren Woche für Woche die nationalen Meisterschaften. Unser Ziel ist, einen ausgeglichenen Wettbewerb in den Meisterschaften zu bewahren und zu verbessern sowie faire Rahmenbedingungen für alle Klubs zu bieten. Da bin ich bei einem Stichwort: Champions-League-Reform. Wir haben die geplanten Änderungen im Detail analysiert, die Auswirkungen sind aus unserer Sicht beängstigend.

Alle Details der umstrittenen Champions-League-Reform finden Sie hier.

Was kommt durch diese Reform auf den Fußball zu?

Die wirtschaftliche und sportliche Schere zwischen den 15 großen Klubs und den restlichen, die jetzt schon weit offen ist, wird noch viel weiter aufgehen. Das wollen wir im Sinne des Fußballs verhindern. Darüber hinaus muss der Traum für alle Klubs und ihre Fans in Europa bestehen bleiben, sich auch in Zukunft für die Champions League qualifizieren zu können und nicht durch fixe Startplätze eingeschränkt oder ausgeschlossen zu werden.

Die EPFL vertritt auch die italienische Serie A, die der Gewinner der Reform ist. Ist das nicht ein Spagat, den Sie machen müssen?

Wir haben eine sehr klare Linie und im Vergleich zu früher eine unglaubliche Geschlossenheit innerhalb der EPFL. In dem Fall muss man sagen, dass die Serie A als großer Nutznießer in dieser Thematik dagegen gestimmt hat. Aber der restliche Aufsichtsrat hat einstimmig eine klare Linie beschlossen – die auch von der Generalversammlung bestätigt wurde.

Was kann man jetzt noch ändern – oder ist nicht alles entschieden?

Man kann ganz offen sagen, der nächste Europacup-Zyklus 2018 bis 2021 ist im Prinzip beschlossen, obwohl wir zumindest die Verteilung der Gelder, die zugunsten der Top-Klubs stattfindet, noch einmal diskutieren würden. Der Verkaufsprozess der TV-Rechte ist bereits voll im Gang und kann schwer gestoppt werden. Wir wollen uns in den Verhandlungen mit der UEFA auf den Zeitraum 2021 bis 2024 konzentrieren und nachhaltigere Rahmenbedingungen schaffen.

Wie kann der Fußball wieder fairer werden?

Man muss die sportlichen Grundwerte beschützen und einen direkten Zugang zu den europäischen Klubbewerben ermöglichen, für welche die Klubs das Fundament bilden. Die großen Klubs müssen sich ebenfalls die Frage stellen, was in zehn oder 20 Jahren sein wird, wenn sich die aktuelle Entwicklung auf Basis der Globalisierung derart fortsetzt. Und die UEFA muss und wird sich mit ihren Mitgliedsverbänden um die Gesamtheit des Fußballs sorgen und darf nicht von einer kleinen Gruppe an Top-Klubs zu sehr lenken lassen. Einfach gesagt muss der Zugang für die Klubs, d.h. die Qualifikation offen bleiben, die Verteilung der Gelder geändert werden und der Kalender im Sinne der Spieler und Ligen vereinfacht werden; das alles unter Einbeziehung der EPFL auf Augenhöhe mit der UEFA.

Wie soll dieses Vorhaben umgesetzt werden?

Der Fußball muss unter Zusammenarbeit aller beteiligten Stakeholder in einen Rahmen zurückgeführt werden, in dem es wieder um sportliche Werte geht und gegen die teils exzessiven Auswüchse mit dem Fokus auf das Wirtschaftliche. Ja, Fußball hat sich zu einem wichtigen Business in der Freizeitindustrie entwickelt. Und die großen Klubs sollen ja in ihrem weltweiten Wachstum nicht eingeschränkt werden. Es ist aber in jedem Fall notwendig, für die restlichen Klubs ein besseres Umfeld zu schaffen. Mein Vergleich lautet immer: Wenn die großen Fische im Ozean die kleinen nicht mehr um sich haben, dann werden auch sie selber über kurz oder lang nicht überleben.

Die Reform sorgt für mehr Fixstarter aus den großen Ländern und weniger Qualifikanten aus den kleinen in der Champions League. Soll es in die andere Richtung gehen?

Natürlich, weil es nicht sein kann, dass vier Verbände mit 16 Klubs 50 Prozent aller Teilnehmer und 51 Verbände mit über 700 Klubs die restlichen 16 stellen. Alle Meister sollen zumindest wieder eine faire Möglichkeit haben, sich für die Champions League zu qualifizieren. Durch die vielen Fixstartplätze für die großen Klubs wird aber dieser Grundwert des Fußballs ad absurdum geführt.

Wäre es eine Lösung, die Europa League noch attraktiver zu machen?

Das könnte ein Ansatz von mehreren sein, auch hier das aktuelle Verhältnis auf Klubebene im Preisgeld von 6:1 – Champions League versus Europa League – zu ändern. So weit sind wir noch nicht. Wir wollen erst einmal ein Bewusstsein schaffen, dass es derzeit in die falsche Richtung geht. Danach geht es um Lösungsansätze. Wir wollen mit der UEFA die Richtung neu definieren und dabei natürlich auch die Klubs ins Boot holen.

Die Champions League ist sowieso schon eine Inzucht-Liga, in der praktisch immer die gleichen Klubs reüssieren. Wird das durch die Reform nicht noch verstärkt?

Das ist genau der Punkt. Es sagt auch der normale Fan: Irgendwann kann ich die immer selben Klubs nicht mehr sehen. Ich will auch andere sehen. Aber diese de facto geschlossene Liga wird durch die Reform praktisch einzementiert. Nur ein Beispiel: Die Tore von Ferenc Puskas in den 1950er- und 60er-Jahren werden Real, wenn sie sich nur für die Champions League qualifizieren, praktisch fix 35 Millionen Euro bringen, weil ja künftig auch Erfolge, sprich die Titel der europäischen Bewerbe von früher, belohnt werden. Das hat mit Fairness nichts zu tun und ist himmelschreiend ungerecht. Diesen Nachteil können kleinere Klubs niemals wettmachen.

Killt sich der Fußball selbst?

Die Gefahr ist, dass unter anderem dieses Format den Fußball killen wird. Dass die Gier nach dem großen Geld über allen Grundwerten steht. Wenn man sieht, dass Olympiakos 18-mal in den letzten 20 Jahren griechischer Meister war, immer wieder Champions League spielt, dadurch 30, 40 Millionen Euro pro Saison Mehreinnahmen hat, dadurch die besten Griechen und auch internationale Spieler wie Karambeu holen kann.

Das schadet dem Wettbewerb.

Klubs wie Schachtar Donezk, FC Basel und andere haben ein Abo auf den Meistertitel. Wie soll da eine Spannung entstehen? Wenn man im März weiß, wer Meister wird, killt das à la longue das Interesse der Fans. Und um die geht es noch immer.

Nach dem Anschlag in Dortmund war die Aufregung groß, weil das Champions-League-Spiel gegen Monaco am Tag danach stattfand. Aufgrund des dichten Spielplans war das aber gar nicht anders möglich. Muss man diesen nicht entflechten?

Absolut. So kann es nicht weitergehen. Das extreme Auspressen des Terminkalenders geht auf Kosten des Fußballs. Mit dem neuen UEFA-Präsidenten Aleksandar Ceferin gibt es aber offenbar ein Umdenken im Vergleich zu Vorgänger Michel Platini, der Weichen gestellt hat, die nicht gut für den Fußball waren. Herr Ceferin dürfte die Folgen sehen. Er hört uns zu und versteht unsere Argumente.

Es unterwirft sich im Fußball alles dem Kommerz. Wie weit kann man diese Spirale drehen?

Natürlich brauchen alle Vereine Geld. Aber das Problem ist: Wenn man die aktuelle Einnahmenverteilung konservativ auf die nächsten drei Zyklen hochrechnet, würde sich zwischen den 32 Klubs der Champions League und den restlichen mehr als 700 nicht qualifizierten Klubs eine Differenz von mehr als 20 Milliarden Euro ergeben. In der Praxis würde das bedeuten: Wenn Top-Klubs einmal zwei Milliarden Euro Umsatz machen, würden wiederum 60 bis 70 Prozent der Einnahmen an die Spieler gehen. Und dann würden die künftigen Messis und Ronaldos nicht 25, sondern wahrscheinlich 70 Millionen Euro im Jahr verdienen. Da würde sich jeder Fan fragen, ob das noch normal wäre ...

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