Thiem schnupperte gegen Tsonga an der Sensation

Thiem schnupperte gegen Tsonga an der Sensation
Der Österreicher musste sich der Nummer 8 der Welt erst im Tie-Break des dritten Satzes beugen.

So eine Stimmung gab es zuletzt zu meiner Zeit“, sagt Hans Kary, der 1977 im Semifinale des Stadthallenturniers stand. Alexander Antonitsch, Doppelsieger von 1988, korrigiert: „So geil war es seit Connors und 1992 nicht.“ Aber in einem sind sich die Ex-Profis einig: „Die Stimmung war so gut wie Ewigkeiten nicht.“

Dafür sorgte ein 20-jähriger Niederösterreicher. Dominic Thiem, schon vor Jahren von Großmeister Ivan Lendl als zukünftiger Top-Ten-Spieler angekündigt, bot dem Turnierfavoriten und Weltranglisten-Achten Jo-Wilfried Tsonga ein hochklassiges, aber vor allem ausgeglichenes Match und musste sich erst im Tie-Break des Entscheidungssatzes geschlagen geben. Am Ende gab es Standing Ovations für die Nummer 149, Hunderte Kinder wollten ein Autogramm von einem Spieler, der vor kurzer Zeit selbst noch ein Kind war.

Lernprozess

4:6, 6:3, 6:7 verloren, aber dennoch viele Erkenntnisse gewonnen. „Ich hab’ gewusst, wie gut ich spielen kann, aber dass ich fast einen Top-Ten-Spieler geschlagen hätte, war großartig. Auch, wenn ich ein wenig enttäuscht bin.“ Lob gab es vom Vater: „Es war eine geile Partie, aber solche Spiele sind auch dazu da, um zu lernen“, sagt Vater Wolfgang.

Zum Match: Thiem spielte von Beginn an mit dem Weltranglisten-Neunten mit, überraschte das „Ali-Double“ mit knallharten Grundschlägen. Allein an der Chancenauswertung mangelte es. Thiem vergab beim Stand von 3:2 drei Breakbälle, Tsonga nutzte seinen ersten zum vorentscheidenden 5:4 und servierte aus.

Der Niederösterreicher steckte den Satzrückstand geduldig weg, peitschte sich immer wieder nach vorne – und wurde belohnt. Angetrieben vom euphorischen Publikum (so stimmungsvoll war es zuletzt beim Muster-Abschied vor zwei Jahren, für den auch Thiem sorgte) schaffte er problemlos das Break zum 5:3 und nützte bei eigenem Aufschlag den vierten Satzball zum Ausgleich. Im Entscheidungssatz wehrte Thiem einen Matchball ab und kämpfte sich ins Tie-Break. Phasenweise hielt sich sein französischer Gegner nur mit seinem gewaltigen Service im Spiel, „Ali“ wankte, fiel aber nicht..

Dream-Thiem

Verantwortlich für den guten Auftritt beim Erste Bank Open war das Trainergespann. Günter Bresnik weilt zwar mit seinem anderen Schützling, dem Letten Ernests Gulbis, in Stockholm, hat ihm aber das Rüstzeug für eine Karriere mitgegeben. Vater Wolfgang agiert ebenso im Trainerteam, in dem auch der ehemalige Koubek-Coach Thomas Strengberger mitarbeitet. Und da gibt es ja noch Sepp Resnik, den naturverbundenen Ex-Triathleten, der Thiem konditionell half.

Das Potenzial brachte Thiem selbst mit. Siehe Lendl.

Dominic Thiem hat am Freitagabend vielleicht sein erstes Match gegen einen Top-Ten-Spieler verloren, aber viele Herzen und Sympathien gewonnen. Der erst 20-jährige Niederösterreicher, der am Abend auch im Doppel noch auf den Platz musste, sprach im Interview über seine Eindrücke, seine Zukunft und die Sehnsucht der österreichischen Fans nach einem neuen Tennis-Hero.

War das das Spiel Ihres Lebens?
Dominic Thiem: "Von der Atmosphäre her auf jeden Fall und auch von meiner spielerischen Leistung. Er war einfach auch der verdiente Sieger, aber im dritten Satz im Tiebreak entscheidet dann nur noch Glück und Pech, finde ich."

Man hat gemerkt, er hat gewankt. Es hat wohl nicht viel gefehlt.
Thiem:
"Stimmt. Bei 4:4 war es 0:30, das sind enge Situationen. Aber da kann ich mir gar nichts vorwerfen, er hat meistens in den engen Situationen unglaublich serviert. Er ist nicht umsonst Nummer acht der Welt."

Kann das der Startschuss sein für Ihre großen Ziele, die Sie sich gesteckt haben?
Thiem
: "Auf jeden Fall. Aber es ist natürlich mit 8.000 Leuten im Rücken gegen so einen Gegner etwas leichter, so eine unfassbare Leistung abzurufen als bei irgendeinem kleinen Turnier, wo niemand zuschaut, oder die Zuschauer nicht für dich sind. Aber es stimmt mich sehr zuversichtlich, wenn ich mit solchen Leuten mitspielen kann."

Österreichs Tenniswelt lechzt nach einem neuen Tennis-Hero und hofft auf einen neuen Muster oder neuen Melzer. Nervt Sie das?
Thiem
: "Nein, das ist natürlich eine Ehre. Aber ich bin weder der neue Muster noch der neue Melzer, sondern ich habe meinen eigenen Stil. Ich bin weder der eine noch der andere Spieler, habe keine Ähnlichkeiten. Aber ich hoffe, dass ich von den Erfolgen her an sie anschließen kann."

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