Doping: Drahtzieher bestätigt Vorwürfe gegen Russland

Der Chef des russischen Doping-Kontrolllabors schilderte laut "New York Times" die Vertuschung.

Die Dopingvorwürfe gegen Russland während der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi sind detailliert bestätigt worden. Der Informant: Dr. Grigori Rodschenkow, damals Chef des russischen Doping-Kontrolllabors. In einem Interview schilderte er laut „New York Times“ die detaillierte Planung und Anwendung und Vertuschung staatlichen Dopings von Dutzenden russischer Sportler.

Schon seit vielen Jahren habe er mit Dopingmitteln experimentiert, sagte Rodschenkow. Vor den Olympischen Spiele in London 2012 habe er dann einen Cocktail aus drei verbotenen, leistungssteigernden Substanzen entwickelt. Seither sei dieser an russische Sportler gegeben worden.

Zwei Jahre später, in Sotschi, lag die Überwachung der Dopingproben dann beim russischen Kontrolllabor. Das Sportministerium habe darin die Chance gesehen, die Spiele zu dominieren. Es sei ein systematischer Dopingplan erstellt worden.

Im Herbst 2013 habe der russische Geheimdienst FSB begonnen, Rodschenkows Labor Besuche abzustatten, schreibt die „New York Times“. Das sei offensichtlich geschehen, um sich genau über die Behälter von Dopingproben und deren Verschlusssysteme zu informieren.

Austausch der Proben

Schon Monate vor den Spielen seien dann Urinproben genommen worden - bevor die Athleten mit dem Doping begonnen hatten. Während der Spiele habe Rodschenkow nachts, wenn kein unabhängiger Beobachter vor Ort war, die sauberen Proben erhalten und gegen diejenigen ausgetauscht, die ihm zuvor vom Sportministerium mitgeteilt wurden.

Keiner der russischen Athleten wurde des Dopings überführt. Das Team gewann in Sotschi 33 Medaillen. Nach den Doping-Enthüllungen durch die ARD im vergangenen Jahr sei Rodschenkow unter Druck geraten. Er sei dazu gezwungen worden, seinen Job aufzugeben, bekam Angst um seine Sicherheit und ging nach Los Angeles. Kurz darauf seien in Russland zwei seiner engen Kollegen völlig unerwartet gestorben.

In den USA schilderte er die Ereignisse nun dem Filmemacher Bryan Fogel in einem Interview. Das sei seine „Wiedergutmachung“, sagte Rodschenkow.
Seine Aussagen können bisher nicht unabhängig bestätigt werden. Sie passen jedoch zu Untersuchungen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.

Wenig überrascht

Ihr ehemaliger Chef Richard Pound, der im Vorjahr einer Kommission zur Untersuchung der russischen Machenschaften angehört hatte, zeigte sich wenig überrascht. Was Rotschenkow sage, sei „so schlimm wie das, was wir gesehen haben“. „Es gibt keinen Grund, jemals zu glauben, dass die Leichtathletik der einzige vom russischen System betroffene Sport war“, sagte Pound.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) kündigte am Donnerstag eine rasche Reaktion an. „Diese Vorwürfe sind sehr detailliert und sehr beunruhigend und wir werden die WADA aufrufen, unverzüglich zu ermitteln.“

Der russische Sportminister Witali Mutko nannte die Anschuldigungen in einer Stellungnahme eine Fortführung der böswilligen Angriffe auf den russischen Sport. Russlands Skilanglauf-Verbandschefin Jelena Wälbe betonte, dass es „kein Doping“ gegeben habe. Der russische Skeleton-Cheftrainer Willi Schneider sagte, dass es sich nur um „Gerüchte“ handle.

"Größter Betrug aller Zeiten"

Kronzeuge Rodschenkow bietet indes dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) Hilfe bei der Aufklärung an. Er schrieb dem IOC und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA einen entsprechenden Brief. Der Brief liegt der US-Nachrichtenagentur AP vor.

Rodschenkow bezeichnet sich selbst als Vater des staatlichen, systematischen Dopingprogramms. Nur er selbst könne die gefälschten Urinproben identifizieren, sagte Rodschenkow. Er schlug vor, diese Überprüfung filmen zu lassen. „Russische Athleten, die mit großer Wahrscheinlichkeit gedopt waren, kamen unentdeckt im zweifellos größten Betrug im Sport aller Zeiten davon“, hieß es in dem Brief.

Dementi

Die russischen Olympiasieger Alexander Subkow und Alexander Legkow haben die Einnahme verbotener Substanzen dementiert. „Das ist eine absolute Verleumdung der Sportler der russischen Nationalmannschaft und auch von mir“, sagte Subkow, der 2014 in Sotschi im Vierer- und Zweierbob Gold gewann, der russischen Zeitung „Sport Express“.

Auch Langlauf-Olympiasieger Legkow sieht die Dopingvorwürfe gelassen. „Ich bin zu 300 Millionen Prozent ruhig. Rufen Sie meine Trainer an und fragen Sie, wie wir in jenem Jahr trainiert haben“, sagte Legkow. „Wo sitzt Rodschenkow, in Miami, in Los Angeles? Es ist sehr leicht, so etwas zu sagen, wenn du weit weg bist.“

Auch Subkow ist sich keiner Schuld bewusst. „Ich gab Dopingproben vielfach sowohl an die Rusada als auch an die WADA ab. Ich nahm an fünf Olympischen Spielen teil und gewann auf drei von ihnen Medaillen“, sagte er. „Und jetzt versucht plötzlich jemand mir etwas unterzuschieben. Ich verstehe nicht, warum.“

Kommentare