Dominic Thiem verliert Kitzbühel-Finale
Nur ein Schritt fehlte. Ein Schritt zum ersten ATP-Turniersieg. Diesen hat
Dominic Thiem verfehlt, es blieb die Erkenntnis, dass der Belgier David Goffin auf dem Weg zu dessen ersten Turniersieg zu stark, zu abgebrüht war. Der 23-Jährige besiegte den 20-Jährigen in einem packenden Finale 4:6, 6:1, 6:3.
Es blieb auch die Erkenntnis, dass sich einiges getan hat im österreichischen Tennis. Nicht nur in Kitzbühel, wo bei der 70. Auflage des Traditionsturniers erstmals seit Jahren wieder eine Euphorie herrschte, wo erstmals seit Ewigkeiten die oberen Ränge geöffnet werden mussten, um dem Besucheransturm (beim Finale waren es 7000 Zuseher) Herr zu werden. Verbandspräsident Ronnie Leitgeb verschob sogar seinen Flug nach Toronto, wo sein Schützling Jürgen Melzer aufschlägt, wegen des 20-jährigen Niederösterreichers, der trotz der Finalniederlage eine sensationelle Woche spielte.
Eine Sensation? Vielleicht. Aber ganz sicher deswegen, weil er die mit 20 schon geschafft hat. Und damit der jüngste Kitzbühel-Finalist seit 2008 ist, seit Juan Martin del Potro das Turnier gewann. Der Argentinier war 19 und gewann ein Jahr später die US Open. Eine Ausnahmeerscheinung.
Karriereende drohte
Wie auch Thiem. Schon vor Jahren erkannten Größen wie Ivan Lendl oder Roger Federer sein Talent. Schon damals begann eine vielversprechende Karriere, die vor neun Jahren fast zu Ende gewesen wäre. Trainer Günter Bresnik nahm sich des Knaben an – und stellte ihn vor die Wahl: Thiem stellt sein Spiel auf eine einhändige Rückhand um, oder die Partnerschaft ist beendet. „Es waren harte Jahre, vor der Umstellung war ich der Beste, dann hab’ ich gegen Spieler verloren, die zuvor niemals eine Chance gegen mich gehabt hatten“, erinnert sich Thiem. Die Umstellung gelang, Thiem wurde Nummer zwei der Junioren-Weltrangliste und gewann die Orange Bowl. Den richtigen Durchbruch schaffte er aber erst im vergangenen Jahr, als er rund 230 Plätze in der Weltrangliste gutmachte. Wichtiger als ATP-Punkte ist die Erkenntnis, dass Österreich wieder einen Hoffnungsträger hat, einen, der vielleicht sogar Legende Thomas Muster vergessen machen kann.
Ein Typ ist Thiem bereits jetzt. Nicht nur, weil er als junger Wilder Zuschauer anlockt, sondern auch, weil er mit den Massen umgehen kann, weil er geduldig alle Fragen beantwortet (und zwar ziemlich klug) und artig Autogramme schreibt. Jeder, der schon einmal seine Facebook-Seite aufgerufen hat, wird sich wundern, was der Anfeuerungsruf Bamos bedeutet. „Ich wollte nicht wie die Spanisch sprechenden Spieler ‚Vamos‘ gebrauchen, deshalb hab’ ich Bamos erfunden“, sagt Thiem.
In der Heimat ist er längst ein Held. Auch wenn Vater Wolfgang, 41, sagt: „In Lichtenwörth haben wir 2000 Einwohner und außer ein Gasthaus nur sehr wenig. Und da haben sie mich vor einem Jahr mit Dominic verwechselt.“ Spätestens jetzt ist Dominic dort am Stammtisch Gesprächsthema Nummer eins. Nach
Kitzbühel wird man den Vater auch nicht mehr verwechseln.
Kitzbühler Bilanz
Bereits vor dem Finale haben die Veranstalter des mit 485.760 Euro dotiertem ATP-Sandplatzturniers zufrieden Bilanz gezogen. Im fünften Jahr seit der Wiederbelebung des Kitzbüheler Tennis sprachen die Veranstalter von einem gelungenen 70. Geburtstag. Der Blick ist aber auch schon in die Zukunft gerichtet.
"70 ist für mich nun die neue Glückszahl", strahlte Herbert Günther, Präsident des Kitzbüheler Tennisclubs (KTC), "und Dominic war das Riesengeschenk." 37.000 Zuschauer verfolgten trotz zweier Regentage heuer das Turnier, 2,5 Millionen Euro Budget musste der KTC stemmen. "Wir steigen sicher mit einer schwarzen Null aus, wenn es einen leichten Gewinn gibt, wird dieser in das Turnier im nächsten Jahr gesteckt", bestätigte Günther.
Nachdem das Turnier 2009 schon tot schien, entschloss sich der KTC es doch wieder zu beleben. "Es ging dann alles ganz schnell", erinnerte sich Günther. 2010 wurde mit 800.000 Euro noch ein Challenger organisiert. 2011 gab es, dank der Lizenz der Washingtoner Agentur Octagon, wieder ein ATP-250-Turnier mit 1,6 Millionen Euro Budget. Das Turnier wuchs stetig und im September des Vorjahres wurde der Lizenzvertrag mit Octagon um zehn Jahre bis 2023 verlängert. "Uns ist es gelungen, das Turnier wieder von einem Wirtschaftsevent zu einem Sportevent zu machen", freute sich Günther.
Alexander Antonitsch, Turnierdirektor und Mastermind, ließ nach dem Finaleinzug Thiems seinen Tränen freien Lauf. "Dafür schäme ich mich nicht", betonte der ehemalige Topspieler. "Wir haben seit 2010 auf Thiem gesetzt. Das ist aufgegangen. Die Leute in Österreich haben lange wieder auf einen 'Tennisspieler' gewartet. Und der Kleine hat das Zeug, die Fans mitzunehmen." Antonitsch ist überzeugt, dass die Stimmung im Kitzbüheler Stadion bei Thiems Halbfinalsieg besser gewesen sei, als 1993 bei Musters Sieg.
Auch in Zukunft setzt Kitzbühel auf Thiem. Er ist an den "bet-at-home Cup" vertraglich nicht gebunden. "Aber emotional schon. Wenn er will, haben wir eine lange gemeinsame Zukunft", betonte Antonitsch. Dass nach dem Erfolg des Kitzbüheler Turniers 2014 der Druck auf die Veranstalter wächst, lässt den Turnierdirektor nur lachen: "Solchen Druck haben wir alle gerne. Wir wollen in Zukunft das beste Turnier auf der ATP-Tour werden."
Die traditionelle Players-Party in Kitzbühel wurde von den Spielern schon auf Platz drei gereiht, die Location mit dem Luxushotel Kempinski in der Nähe von Kitzbühel von der ATP auf Rang vier. Heuer vergnügten sich bei Austern, Sushi oder Kaiserschmarren 500 Leute auf der Party.
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