Thiem: "Das sollten die Kritiker sehen"

Thiem: "Tagebuch führe ich keines, das ist alles in meinem Kopf."
Dominic Thiem verteidigt sein dichtes Programm, spricht über Erfolge und das Top-Turnier in Wien.

"Sie schreiben ja mit Ihren Autogrammen mehr als Ihr Trainer mit seinem Buch, oder?", fragt ein Fan in der Wiener Stadthalle. "Vielleicht ist es keine Million, aber es sind schon sehr viele Autogramme, die ich schreibe", antwortet Dominic Thiem, Österreichs größte Hoffnung beim morgen beginnenden Erste Bank Open. Übung macht den Meister, deshalb ist er beim Signieren des Günter-Bresnik-Buches "Die Dominic-Thiem-Methode" flinker als sein Trainer.

Einerlei. Dieser Tage kommt es auf andere Fähigkeiten mit den goldenen Händchen an. In Wien treffen einander Teile der Weltelite und zu dieser gehört der 23-jährige Thiem längst. Nummer sieben der Tenniswelt war der Niederösterreicher heuer bereits, ab Montag ist er Neunter. Vor dem ersten Aufschlag beim Tie-Break-Turnier am Sonntag Abend plauderte Österreichs Vorzeige-Sommersportler mit dem KURIER über das Bresnik-Werk, die lange und erfolgreiche Saison sowie über das Wiener Turnier.

KURIER: Gibt es Stellen in dem Buch Ihres Trainers, die Ihnen völlig neu sind?

Dominic Thiem: Also die Passagen über mich sind mir freilich nicht neu, weil ich mich eigentlich selbst ganz gut kenne. Aber natürlich gibt es Teile, von denen ich nichts gewusst habe. Beispielsweise mit wie vielen Leuten Günter schon gearbeitet hat. Und was er mit ihnen alles schon erlebt hat. Da sind Sachen drinnen, die einerseits lustig sind, teilweise aber auch zum Nachdenken anregen.

Und haben Sie etwas gefunden, wo Sie sagen: ‚Moment, das stimmt so nicht‘?

Nein. Schon alleine aus dem Grund, weil mich Günter so gut wie kaum einer kennt. Und das seit Ewigkeiten.

Wird Dominic Thiem selber einmal zum Autor?

Das kann ich nicht ausschließen. Hoffentlich ist es noch sehr lange hin bis zu diesem Zeitpunkt. Tagebuch führe ich aber keines, das ist alles in meinem Kopf.

Geschichte wird ab Montag in Wien geschrieben. Dort geht die höchstdotierte Veranstaltung in Österreichs Sportgeschichte über die Bühne. In den vergangenen zwei Jahren scheiterten Sie jeweils früh. Haben Sie etwas gutzumachen?

Nein. Denn wenn man alles gibt, kann man sich im Nachhinein nichts vorwerfen. Man kann eben nicht immer in Bestform sein. Derzeit bin ich auch etwas davon entfernt, wie fast alle Spieler am Ende der Saison. Hier gewinnt der, der sich besser reinkämpfen kann.

Nun gibt es am Dienstag einen Fight mit Gerald Melzer. Eine unangenehme Aufgabe, zumal Sie in Kitzbühel in einem anderen Österreicher-Duell gegen Jürgen Melzer verloren haben?

Ein Österreicher-Duell ist immer eine mühsame Sache und Gerald hat zudem auch seine mit Abstand beste Saison gehabt. Es wird sehr eng, aber der schnelle Belag kommt mir zugute, das taugt ihm weniger.

Welche Gegner hätten Sie sich absolut nicht zum Auftakt gewünscht?

So lange Aufschlag-Riesen wie John Isner. Ich glaube, Ivo Karlovic ist wie ich gesetzt. Das sind Spieler, die einem kaum Rhythmus geben, da kommt auch selten ein Spiel zustande.

Ihr Jahr war sensationell. Jetzt kann es sogar noch mit dem ATP-Finale Mitte November klappen. War der Semifinaleinzug bei den French Open das höchste der Gefühle?

Nur eines von mehreren Highlights. Irrsinnig toll war der Turniersieg in Acapulco. Wenn man sieht, welche Leute bei den 500er-Turnieren gewonnen haben, macht es einen schon stolz. Das sind nur 12, 13 Spieler, die das geschafft haben. Und ein Highlight war freilich der Sieg in Stuttgart auf Rasen. Weil ich dort nichts erwarten durfte und dann habe ich den Titel geholt und somit auf allen Belägen Turniere gewonnen.

Es gibt Kritiker, die meinen, sie hätten heuer zu viel gespielt. Was antworten Sie?

Unsinn. Ich war kürzlich bei der Untersuchung wegen meines Knies, das ist in einem hervorragenden Zustand. Es hat Probleme gegeben, weil ich das Bein bei den US Open durch eine Blase falsch belastet habe. Und im Sommer war ich einfach krank, leider bin ich im Jahr immer zwei bis drei Mal verkühlt. Aber wenn ich nicht so viel gespielt hätte, wäre ich nicht soweit vorne. Das sollten die Kritiker auch sehen.

Solche könnten Sie zu Österreichs Sportler des Jahres küren. Am Donnerstag ist die Gala, machen Sie sich Hoffnungen?

Da hoffe ich, nicht dabei sein zu können, weil ich noch im Turnier bin. Wenn ich gewinne, freue ich mich, wenn ein anderer gewinnt, freue ich mich mit ihm. Marcel Hirscher hat es sich verdient. Wenn man seinen Körper sieht, merkt man, dass der in jeder Sportart ganz oben sein könnte.

Zum grenzüberschreitenden Sport: Ein Besuch beim Fußball-Derby ist kein Thema?

Wie denn? Zunächst wird trainiert, dann spiele ich das Tie-Break-Turnier, eine ideale Vorbereitung auf den Hauptbewerb. Ganz ehrlich, der österreichische Fußball ist eher nicht mein Fall. Ich werde am Sonntag das Chelsea-Spiel streamen.

Denken Sie auch schon an die Jahre danach? Wird das Preisgeld gut angelegt?

Viel geht ja für das Team Thiem drauf. Aber ich habe auch fürs Finanzielle Leute, die einen guten Job machen.

In Österreich wohnen Sie daheim in Lichtenwörth. Wohnt dann die Nummer neun der Welt im Kinderzimmer?

Naja, Kinderzimmer ... aber ja, ich wohne da zuhause. Immer schön, wieder zurück zur Familie kommen. Wenn ich hier spät spiele, geh’ ich aber ins Hotel. Auch, weil daheim alle krank sind.

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