Rapid-Präsident Krammer: "Das ist jetzt viel Hättiwari"

Michael Krammer im KURIER-Interview.
Der Rapid-Präsident über die Verantwortung in der Krise, Steffen Hofmann und den Einfluss der Fans.

Das Wiener Derby hat Rapid nach dem kurzen Höhenflug gegen Altach wieder zurück auf den Boden der Realität geholt. Die schmerzhafte Bruchlandung gegen den Erzrivalen vor heimischem Publikum hat unterstrichen, dass mit dem Abgang von Damir Canadi noch lange nicht alle Probleme beseitigt sind - eine Erkenntnis, die vor allem im Hinblick auf die großen Ziele zu Saisonbeginn umso ernüchternder ist, auch für Rapid-Präsident Michael Krammer.

KURIER: Haben Sie als erfahrener Manager jemals einen so großen Unterschied zwischen den Vorhaben und der Realität erlebt wie bei Rapid?
Michael Krammer: Nein, definitiv nicht! Der größte Unterschied zur Wirtschaft: Die Dinge hängen im Fußball viel stärker an Psychologie und Zufall.

Die Rapid-Krise ist aber kein Zufall, oder?
Nein. Was ich während der laufenden Analyse schon sagen kann: Ich habe niemanden gefunden, der vor der Verpflichtung Damir Canadis gewarnt hat. Jene, die das jetzt behaupten, tun das aus der Weisheit des Rückblicks. Meine Erkenntnis: Auch ein qualitativ guter Trainer plus eine gute Mannschaft müssen zusammen nicht Erfolg ergeben. Vielleicht wäre es mit einem Derbysieg ganz anders gelaufen. Es gibt immer Ereignisse, an denen alles kippt.

Wenn es zwischen Trainer und Mannschaft Probleme gibt, entscheidet aber nicht ein Ergebnis.
Veränderung ist per se nicht gut oder schlecht, sondern für den Menschen generell schwer. Dafür braucht es Akzeptanz. Die kann ich bei den Betroffenen durch zwei Punkte erreichen: Einerseits durch hohe soziale Kompetenz und Kommunikation. Andererseits durch gemeinsamen Erfolg. Bei meinen Gesprächen mit Spielern hab ich oft gehört: „Wenn wir gewinnen, ist das andere nicht entscheidend. Dann ist es auch leichter, daran zu glauben, was du hörst. Das haben wir früher schon erlebt.“ Aber das ist jetzt viel Hättiwari.

Hätte es mit Damir Canadi und seinen Eigenheiten auf Dauer funktionieren können?
Canadi hatte in Altach fast vier Jahre Erfolg. Das wäre unmöglich, wenn in der Kabine nur Krieg herrschen würde. Die jetzt von dort kursierenden Geschichten – mit möglicherweise wahrem Kern, aber überzeichnet dargestellt – wurden damals nicht auf den Tisch gelegt. Unsere Probleme waren nicht absehbar.

Ein Unterschied zu Altach ist, dass es dort immer einen Sportdirektor als Korrektiv gab, der nicht erst in einer heiklen Lage dazustößt. Würden Sie den Ablauf vom November – zuerst den Trainer holen, dann den Sportdirektor – wiederholen?
Ganz sicher nicht! Das ist eine Lehre, die ich mitnehme. Ein Mitgrund für unsere Vorgangsweise waren damals die unter Büskens verschobenen Hierarchien unter den amtierenden Co-Trainern.

Sie sprachen damals von einer Fehlerkette. Wer machte die größten Fehler? Die Spieler? Der Trainer? Geschäftsführer Peschek? Präsident Krammer?
Das analysieren wir noch, wir stehen alle in der Verantwortung. Klar ist: Die Spieler haben den Ernst der Lage jetzt erkannt. Das war gegen Altach offensichtlich.

Erst jetzt? Muss deswegen ein Teil des Kaders gehen?
Nein. Ich weiß, dass die Spieler sehr viel reflektieren und die nötigen Schlüsse ziehen. Besonders interessant empfinde ich in der schwierigen Situation aber eines.

Und zwar?
Es gibt Personen, die jetzt unqualifiziert, zum Teil persönlich diffamierend, Rapids Führung angreifen. Personen, die behaupten, ihnen liege das Wohl des Klubs am Herzen. Aber das Einzige, das sie für Rapid getan haben, geschah im Rahmen von bezahlten Verträgen. Als Spieler oder Trainer. Danach haben sie nix mehr für Rapid getan.

Geht das auch konkreter?
Ich glaube, das ist eh klar. Aber das richtet sich von selbst und wir können damit umgehen.

Trotzdem, Sie haben den Mund öfters voll genommen: „Nur der Titel kann das Ziel sein“, „wir werden es in der Champions League richten“, „der Trainer wurde alternativlos präsentiert“, „der Abstieg ist denkunmöglich“ ... Gilt für die Zukunft: Weniger ist mehr?
Ja, daraus ziehe ich meine Lehren. Auch wenn’s nicht so viel Unterhaltung liefert wie diese Zitate (lacht).

Wollen Sie sich künftig aus dem Sportlichen raushalten?
Es läuft weder bei Rapid noch in meinem Unternehmen so, dass ich etwas anordne. Da gibt’s immer Abstimmungen. Einer meiner ersten Chefs hat gesagt: Ich bin für nix zuständig, aber für alles verantwortlich. So ist es. Ich habe die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die Erfolg ermöglichen und dann die Entscheidungen nach außen zu vertreten. Schau ich mir nur den Rahmen an – Stadion, Sponsoren, Budget, neue Organisationsstruktur – dann ist das nicht so schlecht.

Sollte Sportdirektor Bickel einsagen, „da gibt es einen Schweizer Trainer, dem ich voll vertraue“ – werden Sie zustimmen? Oder gibt’s da mit dem Verweis auf Müller – Büskens ein Veto?
Ich bin ein großer Anhänger davon, Kompetenz und Verantwortung in eine Hand zu legen. Wenn in Bickels sicher fundiert aufbereiter Entscheidungsgrundlage nichts auf den ersten Blick Wahnsinniges vorkommt, wird unser Gremium seiner Empfehlung zustimmen.

Der Pass des Trainers ist egal?
Absolut! Wir sind nicht rassistisch. Wir wollen einen guten Trainer, der perfekt zu Rapid passt.

Bis wann muss entschieden sein, ob Interimstrainer Djuricin zur Dauerlösung aufsteigt?
Djuricin hat seine Chance, dazu stehe ich. Die Entscheidung muss bis zum Saisonende fallen, weil es ja auch um die Kaderplanung geht.

Steffen Hofmann fehlen noch fünf Einsätze, um zum Rekordrapidler aufzusteigen. Welchen Rat geben Sie ihm? Soll er dann aufhören?
Ich gehe mit Steffen Hofmann immer wieder Abendessen. Das machen wir auch künftig. Und was ich dazu denke, werde ich ihm in dieser Zweisamkeit mitteilen.

Fans sind bei Rapid immer großes Thema. Haben sie das Recht, den Mannschaftsbus anzuhalten, um zu reden?
Rapid ist neben Sturm der einzige Verein in Österreich mit einer aktiven Fanszene. Die sorgt – neben unserer Fanarbeit – dafür, dass auch nach neun Spielen ohne Sieg 20.000 Zuschauer gegen Altach kommen. Das war nicht immer so bei Rapid! Was auch nicht passiert ist, war der von einigen Medien herbeigeschriebene Platzsturm. Tatsächlich hat es eine Aussprache gegeben, die nicht erzwungen und von Spielern, Trainern, vom Sportdirektor und von den Fans selbst gut gefunden wurde.

Die veröffentlichte Wortwahl „Den Bus von der Autobahn holen“ und „die Leviten lesen“ klingt beängstigend ...
Man muss unterscheiden zwischen der Wortwahl und was tatsächlich passiert. Es gibt meiner Meinung nach in der Fanarbeit keine Alternative zu Prävention und Dialog. Populismus und Repression führt zu Chaos.

Viele in der aktiven Fanszene bezeichnen Rapid als Sinn ihres Lebens. Ist das nicht eine Belastung für den Verein?
Für viele ist Rapid tatsächlich der Lebenssinn. Die Fanszene ist ein sich selbst organisierendes und finanzierendes Gebilde. Viele werden dadurch von der Straße geholt. Für diese Menschen ist das Übergeordnete nicht die katholische Kirche, sondern der SK Rapid. Das sehe ich nicht als Belastung, sondern als Herausforderung und Verpflichtung.

Ihr Vorgänger hat gesagt „Rapid ist auch eine sozialtherapeutische Anstalt“. Hat er den Punkt getroffen?
(lacht) Ich würde es nicht so pointiert ausdrücken wie Rudi Edlinger. Aber ja, wir leisten gelungene Sozialarbeit und haben als Verein große soziale Verantwortung.

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