Die Spritze des Doping-Eisberges

APAHKT08 - 25032009 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA 360 SI - Die seit Jaenner 2009 operierende ãSonderkommission DopingÒ im Bundeskriminalamt arbeitet derzeit auf Hochtouren: Die aus zehn Spezialisten aus ganz Oesterreich bestehende ãSOKO DopingÒ hat mit bisher drei Festnahmen und der Beschlagnahmung von Dopingmitteln bei mehrere Hausdurchsuchungen fuer Aufsehen gesorgt. Dabei wurden eine grosse Menge von EPO, Testosteron, Anabolika, des Wachstumshormons Somatropin und viele andere Praeparate gefunden, die auf der Verbotsliste stehen. Im Bild beschlagnahmte Dopingmittel, aufgenommen am Mittwoch, 25. Maerz 2009, in Wien. APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
Im deutschen Sport wurden jahrelang Doping-Experimente vollführt - und geduldet.

Eine Sport-Woche ohne eine Dopingaffäre ist wie ein Gewitter ohne Blitz. Also praktisch nicht mehr vorstellbar. Eben erst wurden die prominenten Supersprinter Tyson Gay (USA) und Asafa Powell (Jam) nur wenige Wochen vor der Leichtathletik-WM in Moskau (10. bis 18. August) ertappt; vergangene Woche diskutierte die deutsche Sportöffentlichkeit noch empört über die Beichte des ehemaligen Radsprinters Erik Zabel; und kaum war diese Entrüstung etwas verebbt, da hat Deutschland auch schon den nächsten Dopingfall am Hals. Kein trauriger Einzelfall, in der aktuellen Affäre geht es vielmehr um jahrelanges Täuschen und Tarnen mit System, geduldet, sogar erwünscht, unter dem Deckmantel der Forschung.

Deutsche Einheit

Das ist die erschütternde Erkenntnis einer Studie von Historikern der anerkannten Humboldt-Universität, die mehrere Jahre lang die Doping-Vergangenheit der Bundesrepublik untersuchten. Ergebnis: Nicht nur im sogenannten Zwangsdopingsystem der früheren DDR wurde ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Sportler mit Medikamenten und anderen unerlaubten Substanzen herumexperimentiert, auch die Spitzenleistungen einiger westdeutscher Athleten dürften vor dem Mauerfall tatsächlich nur Spritzenleistungen gewesen sein. Oder, wie es die anerkannte deutsche Anti-Doping-Aktivistin Ines Geipel ausdrückt: „Die Einheit hat es bereits Anfang der 70er-Jahre gegeben.“

Zu diesem Zeitpunkt, schreiben die Historiker rund um Giselher Spitzer in ihrer 800 Seiten langen Studie „Doping in Deutschland“, sei in der Bundesrepublik „flächendeckend anwendungsorientierte Dopingforschung“ betrieben worden. Im Auftrag von höchster politischer Stelle und bezahlt vom Bundesinnenministerium, ausgeführt von den bekannten Sportmedizin-Universitäten von Freiburg bis Köln. Dabei ging es weniger um Forschungen zu medizinischen Zwecken, vielmehr um ausführliche Tests mit Anabolika, Testosteron, Steroiden und dergleichen. Ziel: die internationale Chancengleichheit der deutschen Sportler zu gewährleisten.

Anabolika für Buben

Bei ihren Experimenten kannten die beteiligten Mediziner keine Skrupel und trieben es phasenweise sogar auf die Spritze: So wurden Leichen Wachstumshormone entnommen, auch Doping-Versuche mit Minderjährigen standen auf dem Programm. Die Wirkung von Anabolika soll sogar an Elfjährigen getestet worden sein. Selbst Hundeherzen wurden auf ihren leistungssteigernden Effekt hin untersucht.

Die dunklen, unsauberen Machenschaften der Vergangenheit, die in dieser Studie aufgelistet werden, bergen jede Menge Brisanz. Zumal es bei der Aufarbeitung der eigenen Doping-Vergangenheit plötzlich vorbei zu sein scheint mit der deutschen Gründlichkeit. So beklagte Forscher Giselher Spitzer, dass etliche brisante Dokumente vernichtet worden seien, zudem hätten auf Geheiß des Olympischen Sportbunds und des Instituts für Sportwissenschaften, den Auftraggebern der Studie, einige Namen aus Datenschutzgründen nicht im Bericht erwähnt werden dürfen.

Der Druck der Öffentlichkeit ist mittlerweile aber so groß geworden, dass sich nun sogar der Bundestag mit dem Inhalt der brisanten Doping-Studie beschäftigen soll. Und sollten – wie gefordert – alle 800 Seiten tatsächlich vollständig der Öffentlichkeit präsentiert werden, dann scheinen weitere Sport-Wochen mit Doping-Affären garantiert.

Auch jenseits des Atlantiks gehen die Doping-Wellen gerade hoch. Im Zwielicht stehen einmal mehr Stars der US-amerikanischen Major League Baseball.

Die MLB hat wegen Dopingvergehen insgesamt 13 Spieler bestraft. Während zwölf Akteure für je 50 Spiele gesperrt wurden, traf es den Star Alex Rodriguez von den New York Yankees besonders hart: Der höchstbezahlte MLB-Spieler - er erhält für einen Zehnjahresvertrag über 275 Millionen Dollar (194,65 Mio. Euro) - wurde für 211 Spiele gesperrt. Das ist die bisher höchste Strafe wegen Dopings im Profi-Baseball.

Die Strafen sind die Folge einer langdauernden Untersuchung über Verbindungen zwischen Spielern und einer Klinik in Florida, die leistungssteigernde Substanzen weitergegeben hat. Der 38-jährige Rodiguez hatte bereits 2009 zugeben müssen, dass er von 2001 bis 2003 verbotene Steroide verwendet hatte. Falls er wie von seinen Anwälten bereits angekündigt gegen die Sperre Einspruch einlegen sollte, wird die Strafe bis zu einer Entscheidung ausgesetzt.

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