Am Schauplatz: In Brasilien regiert mittlerweile das Chaos

Endspurt: Noch prägen Baustellen das Bild von Rio de Janeiro.
Das Gastgeberland der Olympischen Spiele erlebt die größte wirtschaftliche und politische Krise seit Jahrzehnten - das Volk protestiert.

Als Abschluss einer Trilogie sportlicher Mega-Events sollte Brasilien erneut als starke, aufstrebende Nation in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken. Nach dem Confederations-Cup 2013, der Generalprobe für die Fußball-WM, sowie nach dem Endrundenturnier selbst waren die diesjährigen Olympischen Sommerspiele als krönender Abschluss gedacht.

Doch gerade jetzt wird das fünftgrößte Land der Erde von der schlimmsten Rezession seit fast 100 Jahren erschüttert: Der Bundesstaat Rio de Janeiro ist de facto pleite, die Beamten können kaum noch bezahlt werden, Staatspräsidentin Dilma Rousseff von der linken Arbeiterpartei PT steht vor ihrer Absetzung.

Es gilt als so gut wie sicher, dass nach dem Abgeordnetenhaus auch der Senat Mitte Mai für ihre Amtsenthebung stimmen wird. Der Vorwurf: Sie soll im Wahljahr 2014 die Budgetzahlen geschönt haben.

In diesem Fall ist sie für sechs Monate suspendiert. Die Spiele wird dann am 5. August ihr bisheriger Vize, der konservative Michel Temer, im Maracanã-Stadion feierlich eröffnen. Wobei es sowohl für die Athleten als auch für die Zuschauer – aus dem Ausland werden mindestens 500.000 erwartet – zu einem heißen Tanz unter dem Zuckerhut kommen könnte. Denn die Anhänger der Noch-Präsidentin laufen Sturm gegen das Amtsenthebungsverfahren. Sie orten einen kalten Putsch der Rechten und haben massive Straßen-Proteste angekündigt.

Schon einmal haben die Brasilianer ihrem Unmut am Rande eines Großereignisses freien Lauf gelassen: Beim Confederations-Cup demonstrieren Millionen gegen die Regierung und waren – trotz unterschiedlicher Interessen – vereint.

Ein Land sieht Rot

Heute stehen einander zwei Lager in absoluter Konfrontation gegenüber. Durch die Gesellschaft zieht sich ein tiefer Riss. Passanten wurden bereits attackiert, weil sie ein rotes T-Shirt trugen – Rot ist die Farbe der regierenden PT.

Neben der explosiven innenpolitischen Lage sorgt die Austragung der Spiele an sich für Kritik. "Für die Errichtung der Sportstätten und der nötigen Infrastruktur mussten 65.000 Personen weichen, viele wurden gegen ihren Willen zwangsumgesiedelt", sagt Sandra Quintela von der Menschenrechtsorganisation PACS, die von der österreichischen Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar unterstützt wird.

Die Organisation beklagt zudem die hohen Kosten von Olympia (zehn bis elf Milliarden Euro), bereits die WM vor zwei Jahren habe in etwa die gleiche Summe verschlungen. Das Geld fehlt nun im desolaten Gesundheits- und Bildungssystem. Tatsächlich wurden diese Budgetposten im Vorjahr um 1,5 Milliarden Euro beziehungsweise um 545 Millionen Euro gekürzt.

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