Til Schweiger über Neid, Kinder und den "Tatort"

Deutschlands größter Kinostar wurde mit zwei Akademie-ROMYs ausgezeichnet. Der KURIER besuchte ihn bei seiner Arbeit am neuen Film.

Freitagvormittag, Hamburg-Niendorf. Til Schweiger öffnet die Tür, sagt: "Hallo, was willst du trinken?" Hund und Katze streifen durch den Garten, die Kinder sind in der Schule. Es ist wie in anderen Patchwork-Familien, bei denen Mutter und Vater getrennt leben: Sie muss aus familiären Gründen rasch in ihre Heimatstadt reisen (im Fall von Dana Schweiger ist das Seattle), er zieht die paar Tage bei den Kindern ein und nimmt seine Arbeit einfach mit. Im Fall von Til Schweiger ist das ein mobiler Schneideplatz, jede Menge Filmmaterial und sein "Buddha", wie er sagt, der unerschütterliche Cutter Constantin von Seld. Der Ruf, der Til Schweiger vorauseilt, wird hier völlig konterkariert, sehen so Diven aus? Er arbeitet konzentriert, kommuniziert beinahe wortlos, oft nur über Blickkontakt, mit Constantin von Seld. Er zeigt eine Szene nach der anderen aus dem neuen Film "Schutzengel", an dem noch bis Ende April gedreht wird.

Auch wenn er die Aufnahmen unzählige Male gesehen hat, lacht er bei den komödienhaften Elementen, weint er bei den emotionalen Momenten. Er jubelt über die herrlichen Aufnahmen vom Seebad Brighton, die vor zwei Tagen gedreht wurden: "Da war ein Orkan, und plötzlich, wie aus dem Nichts, drei Stunden Sonne – nur für uns!" Er freut sich über die soeben eingetroffene hitverdächtige Musik von OneRepublic. Er schmunzelt beim Gedanken, dass man sich bei Warner Brothers den Kopf zerbricht, welchem Genre der Film zuzuordnen sei: "Drama-Thriller, emotional, da gibt es kaum etwas Vergleichbares, am ehesten ,Der einzige Zeuge"." Schweigers Tochter Luna spielt, beeindruckend, eine Zeugin, die getötet werden soll; er, der seelisch verwundete Kriegsheimkehrer, ist ihr Beschützer, dann wendet sich das Blatt, sie beschützt ihn. Der Film rührt an einem Thema, das in Deutschland polarisiert: am Umgang mit Waffen, Krieg und Kriegsheimkehrern.

KURIER: Sie sagen, Sie denken nur an den neuen Film "Schutzengel". Können wir kurz zu "Kokowääh" blenden, der  die Akademie-ROMY 2012 für Bester Film und Beste Regie bekommt?
Til Schweiger: Gern! Denn "Kokowääh" wurde nicht für würdig erachtet, in die Hauptauswahl für den Deutschen Filmpreis zu kommen. Jetzt kriegt der Film zwei ROMYs. Das freut mich. Ich finde, es war der beste deutsche Film 2011. Und alle, die sich einen Preis verdient hätten, etwa mein Kameramann, werden in Deutschland dafür abgestraft, dass sie bei einem Til-Schweiger-Film mitmachen.

Sie polarisieren in Deutschland wie kaum ein Zweiter, haben Sie dafür eine Erklärung?
Wie man das Licht der Welt erblickt, so wird man wahrgenommen. Und ich bin halt in der "Lindenstraße" aufgetaucht und hab mit "Manta Manta" meinen ersten Film gehabt. Da haben viele gesagt: "Die Karriere ist vorbei, bevor sie angefangen hat." Dann fing ich an, meine eigenen Filme zu machen, bin damit sehr erfolgreich, das stört manche Leute.

Sie meinen, es ist Neid?
Ja, es gibt auch Leute, die sich ärgern, dass Instagram eine Milliarde von Facebook bekommt. Ich denk mir: "Das ist die coolste Geschichte der letzten Zeit, drei Studenten kriegen eine Milliarde!" Neid macht nur dein Leben kaputt. Das erklär ich auch immer wieder meinen Kindern: "Neid ist der überflüssigste Wesenzug, bringt dich überhaupt nicht weiter. Wenn du dich für andere freuen kannst, kriegt dein Leben viel mehr Qualität."

Til Schweiger über Neid, Kinder und den "Tatort"

Emma ist 9, aber Ihre drei älteren Kinder sind 16, 15 und 13, hören die da noch zu?
(Er lacht) Klar kommt die Sozialisierung in dem Alter eher über die Freunde, aber ich lass nicht locker. Auch wenn`s dann heißt: "Ja, Papa, das hast du schon 100-mal gesagt."

Wie ist es, mit eigenen Kindern zu arbeiten?
Es ist toll. Obwohl ich dabei immer Ängste hab. Man will den eigenen Kindern keinen Druck machen, weiß aber: Wenn die Rolle nicht funktioniert, funktioniert der ganze Film nicht. Luna hat in "Schutzengel" eine wirklich heftige Rolle zu spielen. Sie ist sehr, sehr begabt, ich hab dennoch mit ihr gesprochen und gesagt: "Ich will dir keinen Druck machen." Sagt sie: "Das tust du gerade" (schmunzelt). Luna hat das großartig gemacht, ich bin stolz wie Oskar (strahlt). Im US-Studio, bei Warner Brothers, sind alle völlig begeistert von ihr.

Besteht die Gefahr,  abzuheben, wenn man so jung wie Emma und Luna so erfolgreich ist?
Nein, die haben ja auch keinen abgehobenen Vater und keine abgehobene Mutter. Sie sind einige Jahre in Malibu aufgewachsen. Da sagen die Kinder in der Schule: Was ist dein Vater?  Actor. Das ist in L.A . nichts Besonderes.

Immerhin haben Sie zum Beispiel mit Angelina Jolie gedreht.
Ja (lacht), aber dann sagen die Kinder: "Papi, kriegen wir ein eigenes Flugzeug, der Papa vom Patrick hat auch eines!" Sag ich: "Aber der Papa vom Patrick ist James Bond."

Wieso sind Sie Schauspieler geworden?
Das war eine Notnagelentscheidung. Ich hatte keinen Plan, was ich mit meinem Leben machen soll. Da sagt die Schauspielerin zu mir: "Werd Schauspieler!"

Welche Schauspielerin?
Ein Mädchen, das ich damals gedated hab. Ich bin drei Monate nach Griechenland, hab am Strand geschlafen und eines nachts unterm Sternenhimmel beschlossen: Ich geh zurück und probier’s. Aber wenn ich bis 30 keinen Fuß in der Tür hab, hör ich auf.

Das mit dem Fuß in der Tür bis 30 hat geklappt. Jetzt sind Sie 48 ...
(Spricht ganz leise) Ja. Scheiße...

Wieso das?
Weil alles so schnell geht. Es macht einmal "Kabumm!" – und 15 Jahre sind um.

Möchten Sie immer jung sein?
Nein. Aber aufs Altwerden freu ich mich auch nicht.

Vorhin am Schneidetisch hatte ich das Gefühl, Sie arbeiten mit aller Leidenschaft ...
Leidenschaft ist, glaube ich, der entscheidende Faktor für Erfolg. Ich bin auch ein sehr emotionaler Mensch, oft impulsiv. Aber mir geht’s besser, wenn ich die Dinge rauslasse und nicht in mich reinfresse und mich gräme.

Entsteht deshalb der Eindruck, dass Sie sich Kritik oder Häme sehr zu Herzen nehmen?
Verrisse ärgern mich nicht mehr. Mich stört, wenn meine Eltern oder Kinder Schlagzeilen lesen wie: "Til Schweiger zu arrogant für Tatort". Die sehen das, und das tut denen weh.

Tut es auch Ihnen weh?
Weh tun kann mir nur jemand, der mir sehr nahe steht. Wenn meine Tochter sagt: "I hate you, Dad!" – und die sagen ja solche Sachen  mal im Ärger – das verletzt mich.

Und worüber ärgern Sie sich?
Wenn ich, wie vor Kurzem, den Jupiter (großer deutscher Publikumspreis, Anm.) bekomme. Und dann schreibt keine Sau, dass ich den Preis bekommen habe, nur weil ich dort, ganz nebenbei, auf eine Journalistenfrage geantwortet habe: "Freuen Sie sich auf den Tatort?" – "Klar freu ich mich!" – "Würden Sie irgendwas ändern?" – "Keine Ahnung, ja, den Vorspann, der ist Scheiße…" Dann gibt es drei Wochen kein anderes Thema. Und dann äußern sich sogenannte Kollegen und fordern, dass man mich feuert. Das ärgert mich.

Wie werden Sie die Rolle anlegen? Good cop?
Good cop, auf jeden Fall. Aber bad cop to the bad guys. Das wird ein richtiger Schlag-Drauf,   einer, der das organisierte Verbrechen bekämpft, der für emotionale Gerechtigkeit kämpft, der zuhaut und schießt, auch mal verbeult wird. Es wird actionreich,  auch lustig, das liegt in der Natur der Familiensituation: Er hat eine Tochter – die spielt wieder Luna – und eine Ex-Frau. Die Tochter zieht zu ihm, und er macht natürlich in den Augen der Frau alles falsch. Da ist viel drin aus dem Leben (lacht).

Wie läuft das Patchwork in Ihrem Leben? Man liest viel Klatsch, was ist die Wahrheit?
Dana und ich haben, als wir noch zusammen waren, oft gesagt: "Wir sind keine Traumfamilie, wir haben unsere Probleme. Das wollte keiner hören. Die Medien führen ein ideales Paar vor, wenn’s zur Trennung kommt, schreiben sie: "Die haben uns was vorgespielt!"  und hoffen auf eine Schlammschlacht. Aber die haben wir nicht geliefert. Wir haben Gütertrennung, alles läuft ziemlich friedlich.

Ist eine Scheidung geplant?
Ich weiß es nicht ... vielleicht heirate ich irgendwann nochmal. Aber ich glaub, ich hab keine Ambitionen mehr zu heiraten.

Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?
Meine Kinder.

Das würden 99 von 100 Männern an der Stelle antworten. Ist es tatsächlich so?
Ja. Ich würde für jedes meiner Kinder sofort mein Leben geben, ohne nachzudenken.

Welche Frage, die ich nicht gestellt habe, würden Sie noch gern beantworten?
(Er grinst) Ich glaub, ich hab genug gesabbelt. Meine Mutter hat immer gesagt: "Til, denk nach, bevor du den Mund aufmachst."

Beherzigen Sie den Rat?
Nicht immer. Ich sage meist das, was ich denke und fühle.

 Wenn man im Rampenlicht steht, kann das gefährlich sein ...
... gefährlich nicht, eher doof, weil man seinen Gegnern so viel Material liefert,eigentlich sollte ich gar nichts mehr sagen (er grinst).

Sie bleiben sich selbst treu?
Ich bleib mir immer treu. Das ist der größte Teil von meinem Erfolg.

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