Hanno Settele: "Die Leute sind nicht deppert"

Hanno Settele ist für die KURIER ROMY 2017 nominiert.
Hanno Settele, Moderator und stellvertretender ORFeins-Info-Chef, ist für eine ROMY nominiert. Im Interview spricht er über sein Hit-Format "Wahlfahrt" und die "dokeins"-Reihe, über News für jüngeres Publikum und die Überheblichkeit des Journalismus.

KURIER: Wie macht man Information für junge Leute? Mit der Einschränkung, dass „jung“ im Fernsehen relativ ist…
Hanno Settele: Jung heißt im Fernsehen 45 bis 50. Das ist einfach so, das hat nichts mit öffentlich-rechtlich oder privat zu tun. Und Information für jüngeres Publikum ist besonders schwierig. Es gibt so ein paar Catch-Words, wo wir an den Einschaltziffern sehen, da ist Schluss. Brüssel ist so ein Word, das ist Quotengift. Obwohl es enorm wichtig ist. Aber das ist nur ein Beispiel.

Wie unterscheidet sich das „junge“ ORFeins-Info-Publikum in punkto Aufmerksamkeitsspanne vom durchschnittlich älteren ORF2-Publikum?
Als ich angefangen habe, hat es geheißen, alles über einer Minute pro Thema geht nicht. Mittlerweile sind wir bei neun bis elf Sekunden.

Das heißt, man wird knapper, pointierter?
Nur kurz und flapsig lassen sie sich auch nicht gefallen. Die Leute sind nicht deppert. Wir versuchen halt einen Weg zu finden, sie für Dinge zu interessieren, die sie bei einer „ZiB1“ nicht mehr anschauen.

Bedeutet das andere Gestaltungsformen, andere Themen?
Die Themen sind vorgegeben. Ich kann ja nicht sagen, ich berichte über z.B. Erdogan nicht, weil das ist fad. Gestaltungsformen sind sicher eine Option, aber schon auch, in welcher Form man einen Mehrwert bietet. Die nackte Meldung reicht bei Politik oft nicht mehr aus. Daher versuchen wir, Wege zu finden, die noch interessant sind. Die immer wieder gehörte Aussage „Fernsehen stirbt“ ist nicht wahr. Das analoge Fernsehen hat Probleme. Die Leute lassen sich keine Beginnzeiten mehr diktieren, aber sie suchen und finden es dann auf digitalen Plattformen.

Ein gutes Beispiel für alternative Gestaltungsform sind Ihre „ Wahlfahrten“, der Überraschungshit der TV-Information in den letzten Jahren.
Da hat ganz gut funktioniert. Das Ziel war, zu schauen, ob das, was einer im Parlament von sich gibt, einer sechsstündigen Autofahrt standhält. Der nicht immer ganz ernste Zugang war dabei der Schlüssel, nicht der Selbstzweck. Wir sind natürlich auch kritisiert worden, etwa als zu seicht, das nehme ich alles an, aber es war ja gar nicht die Idee, mit den Kandidaten zwei Stunden über die Pensionsreform zu diskutieren.

Fühlen Sie sich wohl vor der Kamera? Es wirkt so.
Ja. Ich verstelle mich aber auch nicht. Vielleicht hat das auch ein bisschen zum Erfolg der Wahlfahrt beigetragen, dass die Leute gleich gesehen habe, es ist authentisch. Das geht nur mit einem Fahrer oder einer Fahrerin, die sich auch darauf einlässt. Was die Leute über mich geschrieben haben, war auch nicht so angenehm. Man muss sich halt hergeben.

Davon lebt auch "dokeins", da sind Sie auch als Reporter vor der Kamera unterwegs.
Was wir mit "dokeins" wollen ist, da kommt jemand, der ist genuin interessiert und nicht ganz deppert, aber er kennt sich nicht aus. Wir laden unsere Seherinnen und Seher ein, kommt's einmal mit. Das hängt natürlich stark an mir. Weil wenn jemand mich nicht sehen kann, wird er nicht viel damit anfangen können. Und bei allen "dokeins"-Filmen gilt: Mach dich nicht darüber lustig. Weil sobald die Leute das Gefühl haben, der stellt sich drüber, funktioniert es nicht.

In „Settele im Heimatfieber“ haben Sie sich z.B. bestimmt, aber ohne Überheblichkeit mit der Identitären Alina von Rauheneck auseinandergesetzt.
Ich halte das für einen Riesenfehler, den man vielen Medien zurecht vorwirft: Was glaubt ihr, wer ihr seid? Ich muss mich mit der Sache nicht gemein machen, aber wenn sie sich Zeit für mich nimmt, hat sie das Recht dargestellt zu werden. Natürlich muss sie damit rechnen, dass sie sehr konkret befragt wird. Aber dieses „Was ist denn mit dir, Mädel?“ versuchen wir unter allen Umständen zu vermeiden.

"Man soll sich mit keiner Sache gemein machen"

Ist diese Haltung ein Problem im Journalismus, siehe auch die immer wieder erhobenen Fake News-Vorwürfe?
Ich will mich nicht zum Richter machen. Wie soll ich sagen. Man soll sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer, von der man glaubt, dass sie eine gute ist. Das sollte man vielleicht beherzigen, auch ich. Was richtig ist, ist ganz schwer zu sagen.

Sie behandeln oft Themen, die einen besonderen Nerv treffen. Sie haben bereits im November über Türken in Wien berichtet, jetzt ist das Thema in aller Munde.
Wir haben halt auch die Möglichkeit und viel Sendeplatz, das ist ein großes Privileg.

Aber zur Themenauswahl, wie machen Sie das?
Wir sind darauf gekommen, das ist kein großes Geheimnis, dass Emotion gut funktioniert. Meine Lieblingsfilm war ja der über Zukunft, der hieß „Que Sera“ und hat mit mir in einem Sarg begonnen – weil es das Einzige ist, was fix ist, dass wir da irgendwann drinnen sind. Die hat vom Zuschauerzuspruch her nicht so gut funktioniert, weil Zukunft etwas abstraktes ist. Wenn wir Themen wie „Angst“ oder „ Österreich, Land der Neider“ oder „Settele und die zehn Gebote“ machen, haben wir größeren Zuspruch.

Morgen geht es um „Das große Unbehagen“.
Wir versuchen dem Gefühl nachzugehen, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft verunsichert sind. Wir haben einerseits die Statistik vom Innenminister - weniger Morde, weniger Banküberfälle und weniger Schwerverbrechen - , andererseits haben wir die Tatsache, dass die Menschen sich in Österreich bewaffnen wie nie zuvor – plus 7,7 Prozentmehr Waffenkäufe 2016. Und die übernächste Sendung im Mai widmet sich dem Thema Fake News und Lügenpresse.

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