Adele Neuhauser: Schinkenfleckerln zum Textlernen

Adele Neuhauser im Gespräch mit der Kaffeehaus-Chefin Lotte Reiter – die Wahl-Josefstädterin kehrt gerne im Café Maria Treu ein.
Zur Vorbereitung auf den neuen Tatort geht die ROMY-Nominierte ins Café Maria Treu.

Am effektivsten arbeitet Adele Neuhauser, wenn sie von geschäftigem Treiben umgeben ist. Dann hat die Schauspielerin auch während des Lernens das Gefühl, nichts zu verpassen. Außerdem macht sie das Ausblenden von Gesprächen konzentrierter.

Besonders häufig wählt Adele Neuhauser für ihre Arbeitseinheiten das Café Maria Treu in der Piaristengasse, das vergangenes Jahr 100-jähriges Bestehen feierte . Am allerliebsten – aber dafür ist es derzeit noch zu kalt – sitzt sie im großen Gastgarten vor der Piaristenkirche. Der Platz, der gleichzeitig Ruhe und Wiener Lebhaftigkeit ausstrahlt, sage ihr einfach zu.

Kreuz und quer

Mit einer Eigenheit hat es der Jodok-Fink-Platz (der nicht Piaristenplatz heißt, wie viele Wiener glauben) sogar schon in die deutschen Medien geschafft. Denn die Gastgärten befinden sich hier über Kreuz: Kellner der Pizzeria linker Hand, bewirten also die Gäste im Gastgarten auf der rechten Seite. Das Maria Treu wiederum, das sich an der rechten Ecke befindet, hat seinen Garten schräg links.

Adele Neuhauser: Schinkenfleckerln zum Textlernen
Adele Neuhauser, Treffpunkt Wien, Cafe Maria Treu, mit Lokalbesitzerin
Lotte Reiter, die heutige Chefin des Café, hat das Lokal vor 14 Jahren mit dieser Regelung bereits übernommen. Eigentlich hat Reiter Mathematik studiert; in die Gastronomie ist sie dann hineingerutscht. Mittlerweile ist sie froh, sich für diesen Weg und die Selbstständigkeit entschieden zu haben.

Auf bequemen, gepolsterten Sitzbänken und großen Tischen serviert sie Anwaltsgattinnen, Mathematikprofessoren oder auch Schülern vom nahe gelegenen Piaristengymnasium österreichische Küche. Für Adele Neuhauser sind es zumeist Knödeln mit Ei. Manchmal auch Schinkenfleckerln. Diesmal ist es nur ein Kaffee; eine Stärkung zwischendurch. Denn derzeit wechseln sich Dreh- und Interviewtermine ab.

Die Schauspielerin ist bereits zum fünften Mal für die ROMY nominiert. Drei Mal durfte sie die vergoldete Statuette schon mit nach Hause nehmen. Heuer könnte die vierte folgen – und zwar als "Beste Seriendarstellerin" in den Rollen der toughen Bibi Fellner im Österreich-Tatort sowie der Julie Zirbner in "4 Frauen und ein Todesfall".

Ist ihr eine der Figuren näher? "Julie Zirbner tut meiner Seele sehr gut. Durch ihre Kompromisslosigkeit, ihre Frechheit. Aber sie ist doch ein bisschen entfernter von der Realität. Die Bibi ist sehr nah an der Wahrheit. Sie fordert mich umso mehr. Aber ich habe immer das Gefühl, auf sie aufpassen zu müssen."

Das Schöne an beiden: Bei ihnen konnte sie zum ersten Mal sprachlich andocken: "In Deutschland (wo sie mehr als 20 Jahre lebte, Anm.) bekam ich oft zu hören: Oh, Sie sind Österreicherin. Können Sie auch Hochdeutsch sprechen? Das nimmt Spontaneität. Jetzt kann ich reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist."

Frauen im Film

Das kommt beim Publikum offensichtlich gut an. Ein Umstand, der Adele Neuhauser, aus einem weiteren Grund freut: "Ich bin jetzt 57 Jahre alt. In der Filmbranche wird eine Figur um die 45 gerne von einer 30-Jährigen besetzt. Da stell ich mir schon die Frage: Wie geht sich das aus?" An der Akzeptanz der Bibi Fellner sehe sie, dass das Publikum ältere Frauen durchaus schätze. "Vielleicht sollte die Filmbranche dem ein bisschen mehr folgen. Dann würden Kolleginnen in meinem Alter mehr zu tun haben."

Dass sie selbst derzeit aus dem Drehen kaum rauskommt, darüber kann und will sie sich trotz langer Tage nicht beschweren. Am Freitag wurde der Erste von drei Tatorten, die heuer auf dem Drehplan stehen, abgedreht. Zu sehen ist er 2017. Geschrieben und inszeniert wurde der Film von Rupert Henning.

Worum es geht? "Um einen jungen Mann, der einen theoretischen Diskurs anzetteln möchte, indem er seine Eltern entführt und droht, sie und sich selbst zu töten." Ein heftiges Thema, räumt Neuhauser ein. Aber zeitpolitische Debatten wie diese würden den Tatort ausmachen. So wie die freundlichen Kellner und die gute Küche im Maria Treu.

Angebot Großteils österreichische Küche. Etwa Josefstadtpfanne mit Champignonsauce oder Matjesfilet „Hausfrauenart“. Preise Mittelpreisig. Hauptspeisen gibt es ab 7,80 €, der Häferlkaffee kostet 3,60 €.

Sonstiges Das Lokal ist täglich von 8 bis 24 Uhr geöffnet. Nichtraucherlokal. Gemütliche Sitzbänke.

ROMY-Nominierung Die Schauspielerin Adele Neuhauser wurde bereits drei Mal mit einer ROMY ausgezeichnet. Dieses Jahr ist sie in der Kategorie „Beste Seriendarstellerin“ für ihre Rollen in „Tatort“ und „4 Frauen und ein Todesfall“ nominiert.

Tatort Seit 2010 spielt Adele Neuhauser die toughe Bibi Fellner im Österreich-Tatort. Der nächste neue Fall ist erst im Herbst zu sehen: „Die Kunst des Krieges“. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, zeigt der ORF am 17. April die Wiederholung von „Kein Entkommen“.

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