Ein Kofferraum voll hübscher Mädels

Ein Kofferraum voll hübscher Mädels

Wir verlassen am frühen Morgen Nowosibirsk, welche nach Moskau und St. Petersburg die drittgrößte Stadt Russlands und die größte Stadt Sibiriens ist, ihre Gründung nur dem Bau einer Brücke der Transib über den Fluss Ob im Jahre 1893 verdankt und ihren Namen „Neues Sibirien“ seit 1926 trägt.

Vorbei am Opernhaus im sozialistischen Klassizismus, an der riesigen auf dessen Vorplatz aufgestellten Lenin Statue und am Bahnhof im Zentrum der Stadt, einer der größten seiner Art in Russland geht's Richtung Krasnojarsk.

Die Fahrt gestaltet sich ziemlich abwechslungsreich und farbenfroh - Laub- und Nadelwald changieren in allen Farbnuancen, Händler verkaufen Birkenzweige für das russische Massage - Badeerlebnis - die Banja, bunte Bienenstöcke mit tausenden, fleißigen Majas im dichten Gras versteckt, dazu die Dächer der Häuser von zuckerlrosa bis dunkelblau und Bauern, die das duftende fast schon gold glänzende Heu einbringen. Es ist eine Aneinanderreihung von Eindrücken, die die Seele baumeln lässt und einem den kitschigen Spruch entlockt "ist das nicht wunderschön?"...

Wir durchqueren das kohlereiche Kussbass, wo aktuell 57% der landesweiten Förderung realisiert wird, wobei eine Reihe von Gruben technisch veraltet ist. Das wiederum kostet Geld und deshalb sollen im Gebiet Kemerowo bis 2018 acht Gruben geschlossen werden. Vorerst arbeiten im gesamten Kussbass ca. noch 60 Gruben. Der Schwerpunkt der Investitionen liegt aber eher auf Kohleveredelung. In den kommenden zehn Jahren sollen so 20 Brikettfabriken und 13 Kokereien entstehen. Die Menge an veredelter Kohle würde dadurch bis auf 260 Mio. bis 2025 steigen.

Hahahahaha, was ist denn das? Nicht ein Stern, der deinen Namen trägt, nein, nein, sondern ein Dorf, das so heißt, wie's Hinterteil. Sind wir etwa schon am A. der Welt angelangt, knapp 600 km vor Krasnojarsk? Nein, also die Adresse gehört zu den Dingen, die man nicht unbedingt haben muss. Soll's aber ja in unseren Breiten auch ein paar davon geben ;-))

Der Running Gag des Tages treibt uns bis jetzt die Tränen in die Augen, unser Bauch tut vor Lachen schon weh, da taucht vor uns plötzlich ein riesiger, russischer Erzberg auf! Unser lieber Freund Karl Katoch vom gleichnamigen Rodeo ist scheinbar auch hier am Werken und wir grüßen ihn an dieser Stelle ganz herzlich, ebenso Mark Schilling, Heinz Kinegader und Niki Mayr - Mellnhof! Burschen, da hätten wir wieder was zum Biken am Wochenende und der Reitwagen was zum Berichten! Wenn's bloß nicht so weit weg wär...

In Krasnojask, der Stadt an der Transibirischen angekommen, geht's sofort ab zur Saturday Night Open House Party ans Flussufer des Jenissei.

Beschreiben? Geht nicht! Völlig irre und ausgeflippt, verfeinert mit einem Balzritual, das ich den LeserInnen unseres Blogs (übrigens ein herzliches Dankeschön an alle für die unzähligen, lieben Rückmeldungen und Wünsche an uns) nicht vorenthalten möchte und sich auch in unseren Breiten - denk ich - ganz gut machen würde. Also man stelle sich das so vor: Die Jungs kommen mit ihren aufgemotzten Kisten am riesigen Parkplatz an, lassen im rituellen Kampf gegeneinander ordentlich ihre Reifen quietschen, stellen sich mit ohrenbetäubenden Bass sodann brav in die Reihe und zeigen tanzend beinahe zirkusreife Akrobatik, während die Mädels bereits erste Reihe fussfrei in ihrem Kofferraum sitzend mehr oder weniger beeindruckt an ihrer Shischa rauchend dem ganzen Treiben zusehen. Und es ist irgendwie anders, als daheim. Fröhlicher, nicht so gestellt und man muss hier nicht erst Vollgas "vorglühen", um so richtig heiß zu werden...es ist ein natürliches Miteinander, ein buntes Multi - Kulti - Mosaik aus unglaublich sympathischen Menschen, die - wenn man sie als "Fremder" anspricht, nicht nach dem Motto: "Was will der denn...?" reagieren, sondern offen mit lachenden Augen auf einen zugehen und zum essen, trinken und mitfeiern einladen...ich glaube, da könnten wir ein wenig davon lernen, denn die Bausteine zu einem multikulturellen, offenen und respektvollen Miteinander sind schließlich wir Menschen...n'est - pas?

Wir unterhalten uns mit Ludmilla und Vitali, die uns eine ganze Menge über Gott, die Welt und diese unglaubliche Stadt erzählen und uns ein Stück begleiten, Rodion ein "Kämpfer" aus Tscherkassien - der extra angereist ist, um an den (Ureinwohner)Turnieren auf der zehn Mal so großen "Donauinsel" im Fluss teilzunehmen, er spricht einen völlig anderen Dialekt und feiert ausgelassen mit seinen Freunden aus Krasnojask. Wodka, Bier und Cocktail Mix nimmt man selbst aber in Maßen mit, Kaffe gibt's frisch aus dem Kofferaum eines Caddy und die Wasserpfeifen ums Eck bei Natalia. Wir bekommen dazu frische Wassermelone und feiern mit bis in die Morgenstunden...

Drei Wahrzeichen der Stadt sind übrigens auf dem 10 Rubel Schein – der hier seit 2009 leider durch Münzen ersetzt wird – abgebildet: die Runde Kapelle Paraskewa-Pjatniza, hoch oben über der Stadt, die Eisenbahn Brücke über den Jenissei und – auf der Rückseite – das Kraftwerk am Stausee in Diwnogorsk.

Über eine moderne Brücke gelangt man zu einer Insel, ähnlich unserer geliebten Donauinsel, nur 10 mal größer, aber das Badeeldorado mit Fahrradverleih usw.ist dasselbe. Ein Polizist ist entsetzt, weil wir aus Platzmangel am Parkplatz frech direkt auf der ersten Spur mit der Warnblinkanlage halt machen und kommentiert mein Aussteigen und unser unbekanntes Kennzeichen freundlich lachend aber mit einer wilden Geste auf den Verkehr deutend uns - unwissend, dass er halbe Russen vor sich hat - mit den Worten "bumm bumm"ein rasches Weiterfahren zu. Unser zweiter Running Gag dieses Tages, wo wir noch lange Tränen lachen...er möge uns das verzeihen, aber der Anblick war besser, als Mr. Bean das jemals hingebracht hätte...

Wir kommen ins Gespräch mit Olga, einer 89 jährigen Dame in einem wild anmutenden Vorort der Stadt, wo der metallische Reichtum noch nicht so seinen Weg hingefunden hat, die uns über Ihren Alltag einiges ohne ihr Gebiss dabei gehabt zu haben - erzählt und uns so an ihrem "kargen" aber durchaus "schönen, erfüllten" Leben teilhaben lässt. In der Nachbarschaft putzt Sergej stolz seinen gelben Wolga, den "man(n) wie eine Frau behandeln muss", meint er.

Müll stapelt sich in diesem Teil an jeder Ecke meterhoch und die Briefkästen an den Holzverschlägen erinnern eher an ein modernes Kunstwerk, als an Funktionalität. Und wir haben nicht das Gefühl, unerwünscht zu sein. Im Gegenteil. Wir fühlen uns sehr wohl hier.

Leider zwingt die Zeit uns, weiterzufahren, zu sehen gäbe es noch genug. Unser Ziel ist das Haus des weltberühmten Literaten Wiktor Petrowitsch Astafjew in Avsjanka. Geboren am 1. Mai 1924 in Owsjanka und literarischer Weggefährte Alexander Solschenizyns, der mit Größen wie Gorbatschow, Jelzin, Putin, oder dem Regisseur Michael Kow in seinem Haus auf Du und Du die eine oder andere Flasche leerte, wovon ein persönlicher Brief Putins in seinem Haus zeugt. Astafiew selbst war aber sowieso lieber jagend und fischend in der Natur der Taiga, der ewigen Wälder unterwegs, als in seinen vier Wänden...

A propos Natur...nicht unweit finden wir das berühmte Naturschutzgebiet „Stolby“. Der Name kommt von den bis zu 100 Meter hohen in den Hinmel ragenden Säulen aus Stein...ein Waldviertel in Sibirien sozusagen...

Einen Gewaltbau - wenn auch künstlich - inmitten der Natur finden wir auch in Diwnogorsk beim Kapazitätsgrößten Wasser - Kraftwerk Russlands und dem sechst größtem weltweit. Victor, ein ehemaliger Panzerfahrer der russischen Armee und heutiger Chef der Sicherheit, dem wir Red Bull in seinen Nachteinsatz mitgeben und einen Steiff - Teddy für seine kleine Tochter, taucht mit uns gedanklich in dieses Monument am Jenissei ein und erzählt von seiner täglichen Arbeit, die sehr abwechslungsreich und spannend ist. Das Foto der Staumauer war wirklich nicht einfach zu bekommen, aber Victor zeigt uns den besten Platz dafür, es erfordert dennoch eine ziemliche Kletterei...;-)) hier gibt es auch eines der größten Schiffshebewerke der Welt. Es ist als Schrägaufzug ausgeführt und dient zur Überwindung der Staustufe des Stausees.

Das Kraftwerk hat einen personifizierten Namen, den wir alle auch in Österreich sehr gut kennen:

Der Absolvent der berühmten Plechanow Akademie für Physik und Wirtschaft an der Lomonossow Universität - über die wir schon berichtet haben - Oleg Wladimirowitsch Deripaska, ein 68er Jahrgang aus Dserschinsk im Oblast Nischni Nowgorod ist einer der jüngsten, russischen Oligarchen und mit einem geschätzten Vermögen von 8,8 Milliarden US Doller auf Platz 14 in Russland, begann seine Karriere an der Rohstoffbörse in Moskau. Der Freund von Roman Abramowitsch nennt das Luxushotel "Aurelio" in Lech am Arlberg sein eigen. Eine bescheidene Hütte, wenn man bedenkt, dass ihm hier in Krasnojarsk

auch das größte Aluminium Werk auf unserem Planeten, das 70% des vom Kraftwerk erzeugten Stromes auch gleich wieder verbraucht, Zinnwerke, die halbe Stadt, außerdem mehrere kleinere Beteiligungen an Stromerzeugern, Flugzeugbauunternehmen, Holzkonzernen und der hiesige Flughafen gehören. Im Jahr 2000 fusionierten dann seine SIBAL und die Aluminiumbeteiligungen des Sibneft Konzerns von Abramowitsch zum heute weltweit größten Aluminiumkonzern. Deripaska schaffte es innerhalb von sechs Jahren, auch den größten russischen Automobilhersteller GAS aus den roten Zahlen zu bringen.

In jüngster Zeit konkurriert Deripaska mit Wladimir Potanin, einem anderen russischen Oligarchen, um die Vorherrschaft bei Norsilsk Nickel. Beide halten derzeit jeweils 25 % der Anteile an dem russischen Rigstoffkonzern.

Im Jahr 2010 erwirbt Deripaska neuerlich einen 17 % Anteil an der Strabag und hatte noch bis Ende des letzten Jahres eine Option auf weitere 8 %. Die Strabag erhält im Gegenzug eine 26 % Beteiligung am führenden russischen Straßenbaukonzern Transtroy.

Chapeau! von unserer Seite vor Deripaska für die Investitionen, die er tätigt, denn - wie wir von Victor erfahren, "der Bevölkerung geht es hier im Umkreis von Krasnojarsk dadurch sehr gut und wir haben keine allzugrossen Sorgen". Wir selbst sehen das unter Anderem an perfekt ausgebauten Straßen, als wir Krasnojask verlassen und ein Motorrad - Pärchen passieren, bei dem die Belle anstatt der Hände ihre durchaus herzeigbaren Beinchen um ihren James Dean geschlungen hat ;-)

Weniger erbaulich sind die Straßen dann Richtung Irkutsk, besser gesagt eine Katastrophe - vorbei an Geisterhäusern, verlassenen Tankstellen anscheinend aus einem Jahr, wo es noch ausschließlich Pferde auf der Straße gab und wiederum an etlichen Radarüberwachungsanlagen des Militärs...

Es ist bereits finsterste Nacht bei uns - wir liegen in der Zeit schon sechs Stunden vor Wien, als ein Schild uns abermals zum Lachen bringt, wenn's nicht so traurig wär: Tempo 70!!! Über diese Straßen? Hahahaha! Die Assoziation mit der von mir geliebten Witzseite - (Grüße aus Schilda - des ÖAMTC liegt nahe ;-)) was haben die sich da wohl dabei gedacht, wenn überhaupt? Scheinbar löst chronischer Geldmangel Richtung Irkutsk manche Teile des Gehirns auf, oder die Rubel verschwinden einfach in den unzähligen Löchern des Straßenbaus - aber Trost ist in Sicht: Autoreifen sind an jeder Ecke zu haben. Das (Schinomontasche-)Geschäft scheint zu blühen, weil alle 300m ein Auto aufgebockt ist ;-)) und vergeblich sucht man an den Tankstellen nach dem Gerät zum Aufblasen der Reifen, nach einem Klo, weils präsiert, oder einfach nach einem Wasserkübel, um die vogelgrossen Insekten von der Windschutzscheibe zu bekommen, heißt es nach altem UDSSR Brauch von der Babuschka - Tante (tätig für die Rosneft Tankstellen - Kette) hinter dem Tisch einfach "Njet, nix da, aber einen super tollen Spray hätten wir da zum verkaufen..."

Nun, bei den Russen draußen ist aber Gott sei Dank Hilfsbereitschaft oberstes Gebot und so bekommen wir ein paar Flaschen Wasser von einem Lada Fahrer, der uns eine Zeit lang schon schmunzelnd beobachtet - Ein Hoch auf die Menschen in diesem Land! Bis auf ein paar Ausnahmen - genau zwei solcher griesgrämigen Exemplare kreuzten bisher unseren Weg - sind wir einfach nur begeistert von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Russen!

(Be-)Geist(ert) ist übrigens auch unser nächstes Stichwort. Wir übernachten nämlich an diesem Abend - das heißt, es ist schon beinahe zwei Uhr morgens - in einer Geisterstadt 400km vor Irkutsk, die offiziell in den Landkarten gar nicht mehr unter dem ursprünglichen Namen existiert...wer da wohl seine Finger im Spiel hatte...am Entrée der Stadt steht - wie in amerikanischen Blockbustern a la Rambo I. die Polizei und erwartet Unerwartetes. Nun, da haben sie in dieser Nacht bei uns und unserem fliegenden Holländer dann schon mal ein solches "E.T." Erlebnis...

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