Wie wir zu einem Meer kamen

Wie wir zu einem Meer kamen
Eine Ausstellung im Wien Museum spaziert auf k. u. k. Spuren der Sonne entgegen.
Von Uwe Mauch

Die Sehnsucht nach Meer, Sonne, Salz auf der Haut und Fisch auf dem Teller – diese Sehnsucht wird in Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jh. geweckt. Und ist gerade in diesen feuchtkalten Jännertagen unerträglich. Doch es gibt einen Ausweg: Fünf Stunden fahren die Wiener mit dem Wagen bis Abbazia, das heute Opatija heißt und in Kroatien liegt.

Wie wir zu einem Meer kamen
Ausstellung "Österreichische Riviera - Wien entdeckt das Meer", Wien am 20.11.2013. Die Ausstellung ist vom 14. November 2013 bis zum 30. März 2014 im Wien Museum am Karlsplatz zu sehen.
Nur mit der U-Bahn zum Karlsplatz geht es schneller. Dort bietet das Wien Museum derzeit eine kleine Ausstellung über die österreichische Riviera. Was kroatische Freunde bei einem Wien-Besuch kurz schlucken lässt, rechtfertigt Kurator Christian Rapp so: „Mit dem Titel der Ausstellung wollen wir jedenfalls keinerlei hegemoniale Ansprüche anmelden.“

Nur ein Werbegag

Wie wir zu einem Meer kamen
Ausstellung "Österreichische Riviera - Wien entdeckt das Meer", Wien Museum Der Abdruck der Bilder ist nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Ausstellung des Wien Museums honorarfrei. Grado-Aufenthalt einer Familie, 1912 Fotopostkarte Sammlung Peter König, Wien
Viel mehr ginge die österreichische Riviera auf Wiener Ärzte zurück, die um 1850 damit begonnen haben, ihre Landsleute auf das besonders milde Klima in der Kvarner Bucht aufmerksam zu machen. Private Bahn- und Schifffahrtsgesellschaften haben die Riviera-Analogie dann als Werbegag aufgegriffen, um ihre damaligen Fernreisen nach Grado, Piran, Opatija, Rijeka, Split, Dubrovnik und Budva in Montenegro zu verkaufen.

Einzigartig bis heute: Opatija vulgo Abbazia. Zur Jahrhundertwende wurde das Fischerdorf in nur einer Generation zu einer mondänen Ferienstadt aufgestockt, eine Art Industrialisierung, die heute nur noch in den abgelegensten Regionen der Welt zu beobachten ist.

Im Zeitraffer: Zuerst waren die Fischer. Dann kamen die, die das Geld hatten. Zuerst die Ärzte, die noch daran dachten, den tuberkulosekranken „Lumpenpackkindern“ ein wenig Erholung zu gönnen. Doch schon wenig später tauchten die Investoren und Immo-Haie auf.

So verwandelte sich das kleine Dorf nach der Eröffnung des ersten Hotels im Jahr 1884 bis 1914 in eine Kurstadt mit 50.000 Gästen per anno. Schnell wurden die Fischer vom Küstensaum vertrieben, und die Immobilienpreise schnalzten um das Zigfache in die Höhe.

Gut und böse

Die Einheimischen sahen die Ankunft der noblen Wiener Oberschicht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die einen fanden Arbeit und ein gutes Einkommen, denn die reichen Kaufleute aus Triest, Graz und Wien investierten im großen Stil. Andere warnten vor dem Ausverkauf und dem Verlust der eigenen Identität.

Man beklagte auch, dass die damals teilweise als neumodisch bewerteten und heute als historisch bewunderten Hotels die Landschaft verschandeln, dass das Personal nur Deutsch sprechen darf. Und dass sich die Wiener Damen und Herrschaften respektlos aufführten.

Auch die Menschenfeinde protestierten. Als bekannt wurde, dass für kranke Kinder ein eigenes Hospiz errichtet werden soll, forderten sie allen Ernstes, dass man den kranken Kindern das Baden im Meer verbieten und das Hospiz in großem Abstand zu den anderen Häusern gebaut werden muss. „Wegen der Ansteckungsgefahr“, erläutert Kurator Rapp und schüttelt dabei den Kopf.

Manch Böses, aber auch manch Gutes brachten die Fremden. So sind kroatische Juristen heute noch voll des Lobes, wenn die Rede wieder einmal auf die k. und k. Verwaltung kommt. Öfters führen sie dann aus, dass das gute alte Grundbuch vielerorts jahrzehntelang die verlässlichste Quelle war.

Die Sehnsucht

Wie wir zu einem Meer kamen
Ausstellung "Österreichische Riviera - Wien entdeckt das Meer", Wien am 20.11.2013. Die Ausstellung ist vom 14. November 2013 bis zum 30. März 2014 im Wien Museum am Karlsplatz zu sehen.
Im 20. Jahrhundert hat dann die östliche Adriaküste drei brutale Kriege erlebt. Darauf geht die Ausstellung im Wien Museum nicht näher ein. Sie endet zeitlich mit dem Jahr 1914. Erstaunlich ist dessen ungeachtet, wie schnell sich die Tourismusorte von Slowenien bis Montenegro auch nach dem dritten, dem Jugoslawien-Krieg, erholt haben und heute die alten Traditionen wieder aufleben lassen.

Österreichische Riviera ist heute insofern noch legitim, als die Österreicher nicht nur die wichtigsten Investoren in der Region sind (sichtbar gemacht auch durch einige Hotelresorts an der Küste), sondern auch neben Tschechen, Slowaken, Ungarn, Polen, Deutschen und Italienern zu den treuesten Adriaurlaubern zählen. Immer wieder werden Anstecknadeln an Menschen vergeben, die schon dreißig, vierzig, fünfzig Mal denselben Urlaubsort ansteuern.

Christian Rapp, ein Kulturwissenschafter, hilft uns mit der Ausstellung, das Warten auf den nächsten Sommer zu verkürzen. Bei wohltemperierten 22 Grad Celsius lernt man auch gerne jene Frauen kennen, die sich vom Meer zum Malen inspirieren ließen. Ein Hingucker ist auch die Bademoden-Kollektion um 1900. Schmunzeln wird jeder Bahnkunde, der die Fahrpläne von anno dazumal einsieht. Er wird trotz Modernisierung keine allzu großen Reisezeit-Verkürzungen feststellen.www.wienmuseum.atDie Riviera-Ausstellung ist im Wien Museum noch bis 30. März zu sehen.

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