Morgenland im Innviertel

Er wirkt beinahe außerirdisch, wie er von Nebelschwaden und grünem Licht umwabert am Beckenrand steht und im breitesten Innviertler Dialekt Instruktionen kräht. Der Wassergymnastik-Animateur der Therme Geinberg hat zwar nur wenige Zuhörer, die turnen aber enthusiastisch mit. Arme heben, kreisen, hüpfen, zack, zack. Ein frostiger Winterabend könnte wohl nicht viel besser verbracht werden, als in 36 Grad warmen Thermalwasser im Außenbecken, Gymnastikgebrüll hin oder her: Der Gegensatz der polar anmutenden Kälte im Gesicht und des warmen Wassers ist gänsehautherrlich. Abgesehen von dem sportlichen Grüppchen, tummeln sich noch zahlreiche weitere Badegäste am Beckenrand. Leise Gespräche dringen als wattiertes Gemurmel durch die Dampfschwaden, schemenhafte Gestalten gleiten durch die Wellen. Der Altersdurchschnitt beträgt geschätzte sechzig plus. Logisch, an einem Freitagabend. Und der entspannten Stimmung sehr zuträglich. Lediglich im Innenbereich sitzen ein paar Endzwanziger im Whirlpool, die mit etwas Wirbel einen der ihren in den Hafen der Ehe verabschieden. Grund für die gute Stimmung sind wohl auch die leeren Cocktailgläser am Beckenrand, die Minuten zuvor bargeldlos an der kleinen Thermenbar erstanden worden sind.
Geinberg5: Refugium für hohe Ansprüche
Am Abendbüfett sieht man sie wieder, die Junggesellenabschiedsfeierer. Statt in Badehose und Frotteemantel nun schick gekleidet. Das ist wichtig im Vier-Sterne-Restaurant der Therme. Wer in Hotelpatschen und Jogginghose aufkreuzt, wird von dem Kellner belustigt aber bestimmt aufgefordert, doch bitte die Garderobe umzugestalten. Ist schließlich der Zutritt zum Restaurant gewährt, sind bekleidungstechnische Strapazen schnell vergessen. Alleine von dem Vorspeisenbüfett könnte sich eine mittelgroße Schulklasse problemlos eine Woche lang ernähren: Lachsfilets, Mini-Quiches, Gemüse und Obst, diverse Salate, Wurst- sowie Käse- und Brotsorten – die Auswahl ist vielfältig und lässt kurz keinen Gedanken an die Hauptspeise zu. Aber nur kurz. Nach hervorragendem Perlhuhn und einem kleinen Ausflug an die Hotelbar, wird die Saunawelt erkundet. In der Therme Geinberg kann man sich auf verschiedenste Arten ins Schwitzen bringen: Ob die klassische finnische Variante, karibische Saunahütten, Kräuterdampfbad oder der 95-Grad-Vorhof zur Hölle – hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Mein Favorit: Die Blockhütten im Freien - aromatischer Duft, perfekte Temperatur, gesellige, aber dennoch angenehme Atmosphäre und die wohltuende Kälte gleich vor der Tür. Lediglich die Sphärensauna für Einsteiger ist langweilig lauwarm und wird mit eher gewöhnungsbedürftigen „Relax-Klängen“ und Vogelgezwitscher beschallt.
Guter Morgen im Morgenland
Besonders beworben wird in Geinberg der sogenannte Hamam, der 2012 eröffnete, orientalische Wellnessbereich. Bereits die dunkle Eingangstür weckt Assoziationen an 1001 Nacht, doch die Einzelheiten sind dann nur für eingeschworene Morgenlandspezialisten selbsterklärend. Zu der größten Ungewissheit findet sich nämlich auch im Flyer des Hamams keine Antwort: Nackt oder nicht nackt? So tapsen an besagtem Winterwochenende mehrere Menschen ratlos in den hoteleigenen Bademänteln durch die gefliesten Gänge mit den feingeschnitzten Holztüren und blicken verstohlen um sich. Man versucht auf möglichst unanstößige Weise herauszufinden, ob die anderen Badegäste unter ihren Frotteemänteln und Handtüchern Badebekleidung tragen. Schließlich die Rettung: Eine freundliche Hotelangestellte eilt an das ratlose Bademantel-Rudel heran und erklärt die Spielregeln des Hamam. Diese entsprechen dem arabischen Ritual. Badekleidung: Nein. Stattdessen trägt der kultivierte Hamam-Besucher ein sogenanntes Pestemal, ein leichtes Baumwolltuch, das zu den verschiedenen Entspannungsprozeduren abgelegt wird.

Traum für Turteltäubchen
Am Samstag und Sonntag ist das Publikum in der Therme differenzierter: Viele Pärchen und Kinder mischen sich unter die graumelierten Schwimmer. Statt Instruktionen zur Wassergymnastik hört man das Kichern dreier Burschen, die unerlaubterweise vom Beckenrand springen. Die dunklen Schatten inmitten der Dampfschwaden sind heute herzige Turteltäubchen. Dem Genuss tut das Ganze keinen Abbruch – vor allem da in der Lagune, dem Salzwasserbecken der Therme Geinberg, Musik unter Wasser abgespielt wird.

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