Strenges Regiment in der Seen-Idylle

Strenges Regiment in der Seen-Idylle
Deutschland. Mit dem Hausboot durch die Seenplatte von Mecklenburg-Vorpommern.

In Venedig bin ich mit dem Hausboot auf Grund gelaufen, in Irland sind wir bei einer Brücke hängen geblieben und haben jeden Abend mit Guinness Bier die Feuchtigkeit auf dem Shannon River ausgeglichen.

Und in Deutschland? In dieser wunderbaren Idylle der Seenplatte von "Meck-Pomm", wie unsere Nachbarn das Land Mecklenburg-Vorpommern liebevoll abkürzen? - Da bin ich mittlerweile zum Hausboot-Profi avanciert, zwar nirgends dagegen gefahren, hätte aber trotzdem beinahe eine Geldstrafe riskiert. 35 Euro. So viel steht im Preußen-Land auf eine Reihe von Vergehen, deren man sich als harmloser Hausbootfahrer mit 12 km/h schuldig machen kann.

Raserei war's nicht. Ich bin ohne Schwimmweste über die Müritz, den größten See der Platte, gefahren. Und das darf nicht sein!

Wer durch die wunderbar idyllische Landschaft mit Kanälen und Schleusen, mit kleinen und größeren Seen, mit Feriensiedlungen und strohgedeckten Pfahlhäusern, Wäldern, Wiesen und schmuckvollen Schlössern fährt, sollte sich auf ein strenges Regiment gefasst machen. Aber nur, was die Wasserpolizei betrifft, den n die zivilen Bürger von "Meck-Pomm" behandeln Hausbootfahrer durchwegs zuvorkommend.

Auch in der Marina Wolfsbruch, der Hausboot-Basis des Veranstalters Le Boat mit Restaurant und Ferienhäuschen im bunten Lego-Stil, herrscht Zucht und Ordnung: Mehr als eine Stunde dauert die Einschulung an Bord unseres Hausboots, ohne die kein noch so versierter Amateur-Kapitän loslegen darf. Und immer wieder fällt die Rede auf "35 Euro Strafe". Etwa wenn man im Kanal zu schnell fährt. Erlaubt sind 9 km/h. Oder wenn man bei zu starkem Wind die Müritz übersetzen möchte.

Vor der ersten Ausfahrt kanzelt der gelernte Österreicher derartige Androhungen noch als preußische Kleinkariertheit ab. Zumal ich diesmal mein erstes heikles Manöver bravourös gemeistert habe. Vor einer engen Brücke machen mich die Kanufahrer nervös, denn: "Muskelbetriebene Fahrzeuge haben Vorrang." Also überholen und rasch durchs Nadelöhr. Geschafft!

Drive-in-Lokale

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Danach breitet sich angenehme Entschleunigung aus - Wald, Wiesen, Siedlungen mit Uferhäuschen ziehen vorbei. Und "Drive-in-Lokale": Aalräuchereien und Fischerhütten, die für ein, zwei Euro den typischen Snack der Region verkaufen.

Unser erster Landgang führt uns nach Rheinsberg. Der Ort ist "staatlich anerkannter Erholungsort" und ein verschlafenes Nest. Bedeutendstes Kleinod ist das Schloss des Preußenkönigs Friedrich II. am Grienericksee. Im Sommer kann man hier Konzerten lauschen, sonst ist abends tote Hose.

Am nächsten Morgen fahren wir nach Mirow im Herzen der Seenplatte. Auch da gibt's ein Schlösschen und eine "Liebesinsel". Die heißt so, weil sich hier Großherzog Adolf Friedrich VI. von Mecklenburg dereinst wegen einer verschmähten Liebe umgebracht haben soll. Sein Grab befindet sich auf der Insel, Liebespaare haben sich an der schmiedeeisernen Brücke mit Schlössern und Namensprägung verewigt. Mirow hat auch einen begehbaren Kirchturm, ein paar Wirtshäuser und eine besonders nett geführte Marina.

Dann beginnt das Abenteuer Müritz - die große Fahrt übers "kleine Meer", wie Deutschlands größter Binnensee genannt wird. Hier kann man fürs Picknick an Bord vor Anker gehen, baden oder sich einfach dahin treiben lassen. Allerdings kann die Müritz auch ungemütlich werden: Ab Windstärke 4 gibt's hohe Wellen. Dann dürfen Hobbykapitäne die Müritz nicht queren.

Bis zum malerischen Städtchen Röbel bleibt der Wind deutlich unter 4, sagen uns die netten Leute in der Marina von Mirow.

"Wo ist Ihre Weste?"

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Alle legen brav ihre Schwimmwesten an, der KURIER-Redakteur "vergisst" darauf. Prompt ertönt es aus dem Lautsprecher eines Patrouillenbootes: "He, Sie mit der schwarzen Jacke, wo ist Ihre Weste?!" Kleinlaut zwänge ich mich in das unbequem e orange Ding und verharre damit an Deck, bis wir Röbel erreichen - ein schmuckes Dorf, das ab 18 Uhr die Gehsteige hochklappt. Nur im griechischen Lokal herrscht noch Betrieb, die Hausboot-Partie schlendert allein durch die Hauptstraße mit den Fachwerkhäusern, Backsteinkirchen und einer Windmühle.

In meiner Hausbootkabine wiegen mich die Wellen sanft in den Schlaf - keine Spur von Windstärke 4.

Am nächsten Morgen geht's weiter über die Müritz - zum Ziel unserer Fahrt, in die Stadt Waren. Die 21.000-Einwohner-Stadt ist vergleichsweise eine richtige Metropole mit schöner Altstadt, Cafés und Gasthäusern sowie einer Schiffsschrauben-Fabrik, die zu DDR-Zeiten Weltmarktführer war. Außerdem gibt's in Waren ein modernes Museum: Das Müritzeum (www.mueritzeum.de) mit dem größten Süßwasser-Aquarium Deutschlands gewährt Einblicke in die Natur der Mecklenburger Seenplatte mit 40 verschiedenen Fischarten. Ein Highlight sind die Kraniche: von Waren aus gibt's Beobachtungstouren.

Kraniche habe ich nicht gesehen. Dazu waren wir beim Einlaufen in Hafen von Waren zu sehr beschäftigt. Heftiger Wind und hohe Wellen haben das Manövrieren erschwert.
Am Steg wartet die Hafenpolizei auf uns. "Sie sind bei Windstärke 4 gefahren", sagt der Beamte. "Dafür droht eine Ordnungswidrigkeiten-Anzeige und 35 Euro Strafe." Der Preuße hat ein Einsehen - es bleibt bei einer Ordnungswidrigkeiten-Verwarnung .

Info

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Anreise:

Wien-Berlin-Wien mit Niki/Air Berlin ab 89,89 Euro. www.flyniki.com
- Transfer-Taxibus vom Flughafen zur Hausboot-Basis Marina Wolfsbruch 115 Euro (maximal 4 Personen), buchbar über den Veranstalter Le Boat.

Hausboot:

Der deutsche Hausboot-Spezialist Le Boat vermietet führerscheinfreie Boote unterschiedlicher Größe und Komfortklassen. Platz ist je nach Typ für zwei bis zwölf Personen. Alle Boote bieten einen geräumigen Salon, separate Schlafkabinen, Duschen mit fließend Warm- und Kaltwasser sowie komplett ausgestattete Kombüsen. Vom Besteck und Geschirr bis zu Bettwäsche und Handtüchern steht alles bereit. Gegen Aufpreis wird eine Lebensmittel-Grundausstattung ins Boot geliefert.
- Preise pro Person und Woche bei Maximalbelegung: "Clipper" für vier Personen ab 243 Euro, "Crusader" für sechs Personen ab 255 Euro, "Magnifique" für zehn
Personen ab 211 Euro. Radmiete pro Woche ab 55 Euro,
- Nähere Informationen und Buchung: in allen TUI Reisebüros, bei Blaguss und bei den Spezialisten
Hausboot Böckl, Ifsec on waters. www.leboat.at

Saison:

März bis Ende Oktober,
beste Reisezeit Juni bis September.

Lokal-Tipps:

- Rheinsberg: Seehof Rheinsberg, gutbürgerliche Küche, Fisch, schöner Garten. www.seehof-rheinsberg.de
Eis-Zauberei, nettes Eisgeschäft bei der Marina, bietet 365 Eissorten, Kurt-Tucholsky-Str. 36,
www.eiszauberei.de
- Waren: Ratskeller zu Waren, historisches Brauereigasthaus in der Altstadt, www.ratskeller-waren.de

Allgemeine Auskünfte:

Deutsche Zentrale für Tourismus in Wien, Tel.: 01/513 27 92-0,
www.germany.travel

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