Riga: Aufbruch zu neuen Ufern
Der Kellner in der "Garage", einem versteckten Nobelwirtshaus in der Altstadt, zeigt stolz die Weinkarte. Viel Gutes zu entsprechenden Preisen ist da, von Australien bis USA. Nur Austria fehlt. "That's your job", erwidert er meine Kritik.
Pfiffig, kompetent, englisch-gewandt und freundlich, so erledigt das Team zwischen ausgezeichneter Küche und fein gedecktem Tisch seinen Job - die junge Generation signalisiert Aufbruch zu neuen Ufern. Man serviert zarte Schmankerln mit vitaminreichem und schmückendem Beiwerk, während der dynamische Marketing-Chef der Air Baltic die Vorzüge seiner Luftflotte anpreist. Fettes und Geiles in der Einbrenn war vorgestern. Kulinarisch, im Service und beim Ambiente - Ähnliches wie die "Garage" gibt es oft im Zentrum - ist die gehobene Gastronomie von Riga in Europas Elite angekommen. Wie sich's eben gehört für eine Stadt, die sich selbst zur Metropole des Baltikums erhebt.
Das macht doppelt neugierig. Also hinaus, obwohl die April-Frische im Gesicht beißt. Es ist kalt und stürmisch, im schattigen Kirchenwinkel liegt noch ein Häuferl Schnee. Muss ein langer Winter gewesen sein. Frauen, viele auftoupiert und kontrastreich geschminkt, führen noch Pelz und Stiefel aus, die Girlie-Generation friert sich in ausgefransten Minis und kühnem Schuhwerk den A ab.
Riga, zumindest die historische Altstadt, will "ergangen" werden. Vorzugsweise auf festen Sohlen, sonst könnte sich das holprige Kopfsteinpflaster schmerzhaft rächen.
Wiederaufbau
Juris, unser Guide, gibt einen fast schon Übereifrigen, kennt zu jedem Turm - und davon hat Riga sehr viele - die ganze Geschichte. Richtig hängen geblieben ist er beim "Schwarzhäupterhaus" mit seiner erst 1999 wiederhergestellten niederländischen Renaissancefassade; bei den "Drei Brüdern", einem einmaligen Ensemble an Architekturdenkmal; und natürlich bei den Kirchen. St. Petri,
1209 aus Holz gebaut, später als Steinkirche neu errichtet, gilt als Muster imposanten Backsteinbaus. Die Liftfahrt zur Aussichtsplattform zahlt sich aus - das Panorama über die Dächer bis zu den Brücken und Türmen an der rauen Daugava, der Donau von Lettland, ist fantastisch.
Das wirklich Erstaunliche neben der Baukunst an sich ist, wie gut Riga die alte Architektur nach den massiven Kriegsschäden wieder aufgebaut hat. Immerhin ließ da zuerst das schwere Joch der UdSSR wenig zu, dann, nach der Wende die chronische Geldknappheit. Dass profanere Anliegen aufgeschoben wurden, ist an morschen Häuserecken außerhalb der Altstadt und an der Patina mancher Plattenbauten zu sehen, auf dem löchrigen Asphalt zu spüren, bei Kanaldeckeln zu riechen und am Knattern der Tramway zu hören.
Genusstour
Weil Juris auch weiß, was Riga-Bummler noch wollen, weist er die Wege zum Genuss: Zu V. Kuze, dem Rigaer "König der Bonbons" in der Jēkaba Straße 20/22. Ein kleines Schoko-Café im original Art-Déco-Stil mit Piano, altem Radio, antiken Möbeln und dekorierter Decke. Dort kann's schon sein, dass der Löffel in der heißen Schokolade stecken bleibt, so dick ist sie.
Oder zu Black Magic in Kalku 10. Eine charmante Bar im Stile einer alten Apotheke mit Kaffee- und Schoko-Spezialitäten. Haus-Klassiker ist der berühmte Schwarze Balsam, ein beliebtes Mitbringsel.
Oder in das "Rozengrals" in der Rozenastr. 1. Ehemals ältester Weinkeller der Stadt, heute Restaurant mit vier Meter hohen Gewölben und mittelalterlichem Brunnen.
Oder in ein Schuhgeschäft im prächtigen Jugendstil-Reich des restaurierten Botschaftsviertels. Außen nichts, was auf einen Schuhladen hinweisen würde. Kein erkennbarer Geschäftseingang, kein Reklameschild. Doch dann betritt man eine Stilmöbel-Wohnung, in der jeder Raum exklusive Schuhe und Leder-Accessoires made in Spain ausstellt. Shopping als Lifestyle im Designer-Room - einer der Gags, die auf neues Unternehmertum hinweisen. Alte Handelstradition indes spielt's hinter dicken Mauern alter Lagerhäuser.
Brot & Gurkerln
Nach viel Altstadt schleppt uns Juris nächsten Vormittag auf den Markt. In einer Unterführung versuchen sich zwei Fröhliche am Dudelsack. Der Urtyp, erklärt Juris, stamme aus Lettland und nicht aus Schottland. Okay. Die Markthallen sind bummvoll. Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Gurkerln. Und viel Brot. Die weltweit meisten Sorten und das beste soll's in Riga geben. Schade nur, dass der Frühstücksgast in unserem Hotel "Opera" davon nichts hat.
Und schade auch, dass der kalte Frühling kaum etwas von dem fühlen ließ , was die Rigaer Altstadt im Sommer zur fetzigen Spaß-Zone mit mediterranem Flair werden lässt.
Infos
Anreise Direkt-Flug mit Air Baltic zu
tagesaktuellen Preisen täglich ab Wien um
13.25 Uhr, ab Riga um 11.25 Uhr.
T.: 0820 600 830, www.airbaltic.com
Hotel-Tipp 4* Opera Hotel & Spa,
Raina bulv. 33. Gehobene Mittelklasse,
architektonisches Kunstwerk in Altstadt-Nähe, Blick auf die Oper. Design-Zimmer, gutes Restaurant, gepflegter Spa mit vielfältigem Angebot. Doppelzimmer mit Frühstück ab 85 €.
www.operahotel.lv/en/hotel
Einkehr-Tipps Restaurant & Weinbar "Garage", Berga Bazārs, Elizabetes Str 83/85. Originelles Haus mit Top-Küche und exzellenten internationalen Weinen. vinabars.lv
Restaurant Zilā Govs (Blue Cow), Livu Square, Meistaru 21. Beliebtes Steak-Lokal mit großer und gehaltvoller Weinkarte. zila-govs.lv
Skyline Bar, Radisson Blu Hotel, Elizabetes Str 55. Trendige, viel besuchte Bar mit schönem Blick auf die Stadt. www.skylinebar.lv
Ausflugstipp Jūrmala, Kurort nordwestlich von Riga, weißer Sandstrand, sehenswertes Museum. www.jurmala.lv/page/26
Währung & Preise
1 Lats (= 100 Santīmu) entspricht 1,4098 €, oder: 1 € = 0,7093 Lats. Nach einer Studie des britischen Post Office kostet 1 Tag Riga "günstige" 130 €. Prag 152, London 268 und Stockholm gar 354 €. Verglichen wurden 11 repräsentative Ausgaben wie Nächtigung im 3*-Hotel, Verpflegung, Öffis oder Eintritte in 19 beliebten Städten. In der gehobenen Gastronomie zahlt man österreichische Preise.
Auskünfte Riga Tourism, Latvian Tourism
www.liveriga.com/de , www.latviatourism.lv
-
Hauptartikel
-
Hintergrund
Kommentare