Auf den ersten Blick sieht es aus, als wäre ein UFO in Kattowitz (auch Katowice) gelandet. Tatsächlich ist die "Spodek"-Arena, eine Veranstaltungshalle in Form einer Untertasse mit einer Gesamtfläche von knapp sieben Hektar und einem Fassungsvermögen von 11.500 Plätzen, ein echter Blickfang im Stadtbild.
Ein Bild, das auch von viel Grün geprägt wird: Mehr als 40 Prozent der Stadt sind von Wäldern und Parks bedeckt, darunter befinden sich zwei Naturschutzgebiete. Der natürliche "Luftfilter" ist auch nötig, denn hier war früher die Schwerindustrie zu Hause.
Begrünt ist auch das Dach des modernen Internationalen Kongresszentrums gleich neben der Untertasse. Hier oben treffen einander nicht nur Touristen, die einen Überblick der 320.000-Einwohner-Stadt von oben bekommen wollen, sondern auch Verliebte, die auf den Bänken sitzen und schmusen. Die Touristen kichern, ihnen gefällt auch dieser Ausblick.
Noch vor wenigen Jahren befand sich auf dem Gelände das ehemalige Bergwerk Kattowitz. Heute ist neben der Kongresshalle auch der Sitz des Nationalen Symphonieorchesters des Polnischen Rundfunks (NOSPR) und des Schlesischen Museums. Gemeinsam bilden sie die neue Kulturzone, nur zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, und erinnern trotz Moderne an alte Zeiten.
Das recht junge Konzerthaus gilt als eines der akustisch besten Europas, davon konnten sich die Wiener Philharmoniker in der Eröffnungswoche im Oktober 2014 selbst überzeugen. Die Fassade des architektonisch spannenden Gebäudes wurde in Anlehnung an die ehemalige Bergarbeiter-Siedlung Nikiszowiec mit rotem Sichtziegel gebaut, in den Nischen sind die Ziegel blutrot glasiert. Die Publikumsränge des Konzertsaals mit 1800 Sitzplätzen sind wie Weinterrassen rund um das Podium angeordnet. Für die Akustik war der Japaner Yasuhisa Toyota verantwortlich, der auch engagiert wurde, um die bestmögliche Klangwirkung in der Hamburger Elbphilharmonie zu erreichen.
Unter Tage
Nur wenige Gehminuten entfernt, nicht sofort erkennbar, liegt das neue Schlesische Museum – und zwar unter Tage. Nicht nur der riesige Förderturm der ehemaligen Kohlegrube, der gleich daneben steht, erinnert an die Vergangenheit der Stadt, auch im Museum wird ein großer Teil dem Bergbau gewidmet. Besonders interessant und anschaulich gestaltet ist die historische Ausstellung, die auch auf Deutsch beschildert ist. Sieben Meter unter der Erde beginnen die Exponate, die alle in irgendeiner Form mit Polen zu tun haben. Von hier aus geht es über ein imposantes Rampensystem noch weiter nach unten. Entworfen wurde das besondere Museum vom Grazer Architekturbüro Riegler Riewe, bekannt für den Neubau des Innsbrucker Hauptbahnhofs.
Nur gläserne Boxen über Tage dienen als Lichtleiter und bringen überraschend viel natürliche Helligkeit in die Museumshallen. Auch die historischen Bestandsgebäude der Zeche Kattowitz wurden in das moderne Museum integriert. Im ehemaligen Maschinenhaus befindet sich etwa ein Restaurant. Auch der Förderturm ist Besuchern bei Schönwetter zugänglich und bietet einen weitläufigen Ausblick auf die Hauptstadt Oberschlesiens.
Einen gemütlichen Spaziergang ist die ehemalige Arbeitersiedlung Nikiszowiec (eh. Nikischschacht) wert. Das architektonische Unikat wurde Anfang des 20. Jahrhunderts nach Entwürfen von Emil und Georg Zillmann gebaut und ist noch immer bewohnt. Die neun Quartiere bestehen aus geschlossenen und mehrheitlich dreistöckigen Gebäuden aus Backstein. Bis heute gleicht dort keine Eingangstür der anderen. "Damit die Arbeiter auch nach rauschenden Festen noch in ihre eigene Wohnung fanden", erklärt Guide Kamil schmunzelnd.
In 320 Meter Tiefe
20 Kilometer von Kattowitz entfernt liegt das eindrucksvolle Bergwerk Guido in Zabrze. Während die Kohlengewinnung schon 1928 abgeschlossen wurde, diente es danach noch lange Zeit als Versuchsbergwerk. Seit 2007 ist es ein Museum. Man kann dort Extremtouren buchen, etwa das Bergwerk ohne Licht, nur mit einer Lampe, erkunden oder auch eine "Schicht" nachstellen, mit Spezialkleidung und Maske.
Wem das zu heftig ist, der kann eine normale Führung buchen, etwa bei Karolina, deren Vater selbst noch in der Grube gearbeitet hat. In dem originalen Lift, der durch Glockensignale gesteuert wird, geht es 320 Meter in die dunkle Tiefe. Das ist in etwa so hoch wie der Eiffelturm in Paris. Voller Begeisterung leitet die junge Frau durch die 1,2 Kilometer lange Besucherterrasse, führt Maschinen vor, erzählt über die 300 Millionen Jahre alte Kohle, die man in Schlesien auch schwarzes Gold nennt, und stellt den Lautstärkepegel vergangener Zeiten wieder her. Am Ende der Tour bestaunt man eine unterirdische Konzert- und Eventhalle, in der sogar Hochzeiten (auch in Weiß) gefeiert werden. Wer will, speist in Europas tiefstgelegenem Restaurant typisch schlesische Speisen wie Rinderroulade mit Rotkraut und Knödeln und verkostet das Bier "Guido".
Spätestens danach wollen viele recht rasch wieder nach oben. Denn nach ein paar Stunden in der Tiefe kann sich ein beengendes Gefühl einstellen. Wieder oben angelangt, freut man sich übers Tageslicht, frische Luft und den eigenen Arbeitsplatz, der nicht unter Tage ist.
Anreise z. B. täglich mit den ÖBB in 4,5 Std. von Wien nach Kattowitz. Reservierungspflicht! Regulär ohne Vorteilscard um 60,40 €, Sparschiene-Angebote gibt es ab 29 €.www.oebb.at
Währung 1 € = 4,40 PLN (Polnische Zloty)
Essen & TrinkenRestaurant Moodro: feines Lokal in einem historischen Gebäude, direkt mit dem Schlesischen Museum verbunden moodro.pl/restauracja/en/ – Cafe Byfyj: Entzückend eingerichtet, alte Möbel, viele Mehlspeisen direkt in Nikiszowiecpiekarniamichalski.pl/cafe-byfyj
Übernachten im modernen und farbenfrohen Angelo by Vienna House Katowice. Super Lage, alles fußläufig erreichbar, gute Küche. Ü/F am Wochenende ab 64 €/EZ und 84 €/DZ, aktuelle Angebote: viennahouse.com
NOSPR Wer in den Genuss der tollen Akustik kommen möchte, sollte sich rechtzeitig Tickets besorgen. Manche Konzerte sind schnell ausverkauft. www.nospr.org.pl/en/
Schlesisches Museum Eintritt für Ausstellungen: 12 Zloty (3 €), samstags ist der Eintritt in die Dauerausstellungen frei, gilt nicht für Wechselausstellungen und das Kaiserpanorama. muzeumslaskie.pl/de/
Bergwerk Guido Die geführte Tour unter Tage findet in Gruppen zu max. 23 Personen statt. Plätze müssen vorab telefonisch reserviert werden. Eintritt (Level 320) ab 29 €/Person. Mit Restaurant und Pub 320 Meter unter der Erde. Eintritt Pub ohne Besichtigung: 10 € ☎ +48 32 271 40 77, www.kopalniaguido.pl
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