Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland

Das Simien-Gebirge in Äthiopien.
Sagenhaft alte Klöster, exotische Gebräuche und wunderbare Menschen. Eine Rundreise mit einem jungen Mann, der seine Chance bestens genützt hat.

Als Getnet sechs Jahre alt war, gab es in seiner Familie eine Krise. Sein Vater wurde vom eigenen Bruder – Getnets Onkel – angezeigt und musste für ein paar Wochen ins Gefängnis. Dies sollte sich als echter Glücksfall für den weiteren Lebensweg des Sechsjährigen erweisen: Getnets Vater, ein Bauer, hatte seinen Sohn nicht zur Schule geschickt, sondern auf dem Feld arbeiten lassen und ihn schon im Kindesalter der Familie eines Mädchens als künftigen Ehemann versprochen. Im Äthiopien des 21. Jahrhunderts ist das zwar illegal, aber nach wie vor üblich und der Tradition entsprechend.

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Äthiopien, Guide Getnet
Getnets Vater kam erst frei, als er das Eheversprechen löste und den Sohn zur Schule schickte. Der Bub nützte seine Chance. Er lernte gut und schaffte nach der Schule eine Ausbildung zum Fremdenführer. Heute ist Getnet 23 und beendet soeben seine erste Saison als Guide. Er spricht so gut Deutsch, wie das nach einem Jahr Goethe-Institut möglich ist und zeigt sein Land mit all dem Stolz und Enthusiasmus eines Vertreters des neuen, optimistischen Äthiopiens.

Der junge Guide führt ambitioniert zu den wichtigsten Städten und Sehenswürdigkeiten des Landes. Bei unserer Rundreise durch das nördliche Äthiopien hat dies viel mit Religion zu tun – mit uraltem christlichen Glauben, genauer gesagt mit der äthiopisch-orthodoxen Tradition. Wir sehen 700 Jahre alte Klöster im Tana-See. Die Rundbauten mit Lehmwänden liegen auf 20 Inseln in einer Wasserfläche, sechs Mal so groß wie der Bodensee.

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Äthiopien, Axum, Priester
Wir besuchen die heilige Stadt Aksum, wo die Ruinen des Palasts der sagenumwobenen Königin von Saba liegen und wo in einem unscheinbaren Kloster die Bundeslade mit den Zehn Geboten aufbewahrt wird. Dem äthiopischen Glauben zufolge wurde die Bundeslade nicht mit dem Tempel von Jerusalem zerstört, sondern von Sabas (und Salomos) Sohn Menelik nach Aksum gebracht.

Kirchen unter Dächern

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Äthiopien, Lalibela, St. Georg
Absolutes Highlight des religiösen Teils der Rundreise ist die Kleinstadt Lalibela mit ihren elf bis zu 800 Jahre alten Felsenkirchen. Die Kirchen – manche sind winzig klein, andere haben beachtliche Dimensionen – sind wie die Grabtempel von Petra aus massivem Fels gemeißelt.

Heute vermitteln die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Bauten eine seltsame Mischung aus Religiosität und Tourismus: Obwohl jede Kirche nach wie vor einen Priester hat, und Messen zu orthodoxen Feiertagen – und es gibt derer viele – große Menschenmengen anziehen, ist Lalibela auch die wohl wichtigste Sehenswürdigkeit des Landes. Touristengruppen werden in Scharen durch die Kirchen geschleust, wo die Priester für ein kleines Trinkgeld gerne Segnungen aussprechen und für Erinnerungsfotos posieren. Gekrönt wird der Eindruck von futuristisch anmutenden Dächern auf hohen Stahlträgern, die die UNESCO zum Schutz vor Sonne und Wetter über einige der Kirchen setzen ließ.

Keine Berührungsängste

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Äthiopien besteht freilich nicht nur aus Kirchen und Klöstern. Über kurvenreiche Schotterstraßen geht es ins Simien-Gebirge, zu Afrikas höchstgelegenem Nationalpark. Hier leben auf knapp 3500 Metern Seehöhe die Dschelada-Paviane – die einzigen Primaten, die sich fast ausschließlich von Gras ernähren. Dies hat für Besucher den Vorteil, dass sie kein potenzielles Futter bei sich tragen und daher auch nicht angebettelt werden. Im Gegenteil: Die Tiere nehmen von den Menschen und ihren Kameras kaum Notiz und lassen Touristen bis auf einen Meter Entfernung herankommen.

Nun sind die schönsten Naturerlebnisse meist abseits der Straße. Der Rückweg von den Pavianen zum Bus ist zwar nicht weit, doch es geht bergauf, und nach wenigen Minuten macht sich die Höhe (und die schlechte Kondition) mit jedem Meter mehr bemerkbar. Hier ist unser Guide unübersehbar im Vorteil: 23 Jahre jung, schlank und sportlich, meistert er den steilen Weg mit der Selbstverständlichkeit einer Gazelle.

Auf den teils recht langen Strecken zwischen den Städten und Sehenswürdigkeiten offenbart Getnet seine wahren Qualitäten: Er gewährt seinen Gästen tiefe Einblicke in die Sitten und Gebräuche sowie das alltägliche Leben Äthiopiens.

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Äthiopien, Bauernhof
Und er organisiert Fotostopps fernab von touristischen Selbstverständlichkeiten. "Wollen Sie sehen, wie Bauern bei uns leben?" Kein Problem. Der Bus hält am Straßenrand, Getnet verschwindet hinter einem Gebüsch und kommt kurz darauf winkend zurück. Die fünfköpfige Reisegruppe ist in die Rundhütte einer archaisch lebenden Bauernfamilie eingeladen. Ebenso funktioniert es beim Dreschen, bei einer Kath-Plantage(in Äthiopien eine legale Droge)oder bei einer von einem Kamel angetriebenen Ölmühle. Auch eine Volksschule dürfen wir besuchen – nicht ohne uns vorher in der nächsten Stadt mit Schulheften und Kugelschreibern als G astgeschenke einzudecken.

Sechs Uhr Mittag

Gewöhnungsbedürftig, obwohl Getnet nicht müde wird, sie zu erklären, sind manche Eigenheiten des Landes: Das Jahr (im äthiopischen Kalender haben wir übrigens erst 2008) hat 13 Monate – zwölf Monate mit 30 und einer mit fünf Tagen. Der Tag beginnt bei Sonnenaufgang mit null Uhr, zu Mittag ist es daher sechs Uhr. Zwei Mal pro Woche – jeden Mittwoch und Freitag – ist Fasttag, was für Christen den Verzicht auf Fleisch und Fisch bedeutet.

Der wohl netteste Brauch dient der Kontaktanbahnung mit dem anderen Geschlecht: Wenn einem Mann eine Frau gefällt, wirft er eine Zitrone nach ihr. Gefällt er ihr auch, hebt sie die Zitrone auf – wenn nicht, dreht sie sich um und geht weg. Soweit die Theorie, von Getnet wortreich erklärt. In der Praxis haben wir Zitronen werfende Männer allerdings nie gesehen.

Info

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Anreise z. B. mit Ethiopian Airlines von Wien nonstop nach Addis Abeba ab 558 €,www.ethiopianairlines.com

Beste Reisezeit Hauptsaison ist Oktober bis März, Regenzeit im Juli und August.

Gesundheit Bei Einreisen aus Europa sind keine Impfungen vorgeschrieben. Die Mitnahme einer kleinen Reiseapotheke für Notfälle ist, wie in allen Entwicklungsländern empfehlenswert.

Währung/Preisniveau 1 € = 23 Äthiopische Birr . Cash only: Kreditkarten und Bankomaten sind nur in größeren Städten bekannt. Kleine Mahlzeiten kosten wenige €. In Restaurants wird dem Rechnungsbetrag Servicegebühr und Umsatzsteuer aufgeschlagen.

Äthiopien: Afrikas Kirchen-Wunderland
Äthiopien, Injera
Essen & Trinken Landestypische Mahlzeiten sind Injera-Fladen, die mit einem Ragout aus Gemüse, Fisch oder Fleisch belegt werden. Gut für Biertrinker: Äthiopien hat eine ausgeprägte Bierkultur. eine kleine Flasche kostet meist weniger als 1 €.

Highlights des Nordens Keinesfalls verpassen sollte man Lalibela mit seinen Felsenkirchen. Weiters sehenswert: die heilige Stadt Aksum, der Simien-Nationalpark und die Insel-Klöster im Tana-See.

Angebote Raiffeisen-Reisen bietet zehntägige Rundreisen zu den Highlights der nördlichen Landeshälfte inklusive Mahlzeiten, Linienflügen ab Wien sowie drei Inlandsflügen ab 2395 € p. P. im DZ. Termine: 19. 10., 16. 11. 2016 sowie 6. 1. und 3. 2. 2017. Buchbar in allen Raiffeisen- Reisebüros und unter 01 / 313 75 - 82; buze@raiffeisen-reisen.at

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