Paradiesische Radtouren an der Elbe

Schafe blöken, Kühe muhen, Störche klappern und Wildpferde wiehern. Naturbelassene, ausgedehnte Feuchtwiesen, Auwälder und der Fluss, so weit das Auge reicht. Keine Geräusche von Autos, Zügen oder Mopeds. Hier, in der geschützten Flusslandschaft der breit dahinfließenden Elbe in der Prignitz (Landkreis von Brandenburg) gibt es tatsächlich noch Wildpferde der Rasse "Liebenthaler Wildlinge".

Sie werden, wie Kühe und Schafe, als Landschaftspfleger eingesetzt, und nur bei Überschwemmungen auf die andere Seite des Damms verfrachtet.

Auf dem Deich lässt es sich gemütlich, ohne Steigungen, kilometerweit radeln und dazwischen eine Pause auf einem Holzbankerl einlegen, um den Augenblick der Stille zu genießen. 1250 Kilometer lange, sehr gut beschilderte Routen laden zu Radtouren entlang der Elbe ein.

Neue Lebensräume

Zeit lassen, nicht hetzen ist angesagt. Den aufblühenden Osten Deutschlands entdecken, historische Stadtkerne, verschlafene Elbdörfer und die traditionellen Backsteinbauten erkunden. Von 1961 bis zur Wende 1989 war die Elbe die natürliche Grenze zwischen Niedersachsen im Westen und Brandenburg im Osten. Dort, wo der ehemalige Todesstreifen hermetisch abgeriegelt wurde konnte sich die Natur entfalten und seltene Tierarten fanden eine ungestörte Heimat.

In der Prignitz, der am dünnsten besiedelten Region Deutschlands, führen verschiedene Routen auf 1100 Streckenkilometern durch Waldgebiete, Ebenen und entlang des UNESCO–Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe-Brandenburg. Jede Etappe ist auch eine Zeitreise, ob zur deutschen Teilung, in die Gründerzeit oder ins Mittelalter. In Wittenberge wird man von der "Ackerfrau" in historischem Kostüm – das waren Bäuerinnen, die in der Stadt wohnten und außerhalb auf den Feldern arbeiteten – auf den Uhrturm des Rathauses geführt. Mit einem tollen Ausblick wird der Aufstieg über 115 Stufen belohnt. Sehenswert auch der Uhrturm der ehemaligen Fabrik Singer und die Jugendstilfassaden der Stadt.

Die Qual der Wahl hat, wer in Wittenberge und Umgebung übernachten will. Entweder im Hotel Alte Ölmühle (siehe Artikel unten rechts) oder idyllisch in der Pension Deichhof in Garsedow. Ein Paradies, in das die Familie Schönfeld den alten Bauernhof mit der ältesten Fachwerkscheune liebevoll verwandelt hat. Sensationell die hausgemachten Marmeladen und Säfte.

Im Kur- und Pilgerort Bad Wilsnack prägen Fachwerkhäuser und die Wallfahrtskirche St. Nikolai, genannt "Wunderblutkirche", das Stadtbild.

Ein absolutes Highlight ist das kleine Storchendorf Rühstädt mit mehr als 30 Storchenpaaren auf den Dächern der Backsteinhäuser. Ein Erlebnis die Tour mit Jürgen Herper. Der Naturführer und ehemalige Bürgermeister kennt jedes Storchennest, das bis zu 800 Kilo schwer sein kann, und jeden der 250 Einwohner. Beim ältesten, denkmalgeschützten Haus des Dorfes begrüßt er die Hamburger Autorin und Regisseurin Vera Wildgruber, die das Haus originalgetreu restauriert hat.

Radtour-Profis

Von Wittenberge nach Rühstädt – eine Strecke von 15 Kilometern – sind Susanne und Stefan auf ihren Fahrrädern unterwegs. Das Ehepaar aus der Nähe von Köln fährt jedes Jahr eine Etappe (ca. 250 bis 300 km) an der Elbe entlang. Dieses Mal radeln sie in 14 Tagen von der Elbemündung in Cuxhaven bis Magdeburg. Ein Gewitter überrascht sie von einem Moment zum anderen. Die beiden Radreiseprofis ziehen ihre Regenhosen und -jacken aus der Satteltasche und legen ihr nächstes Tagesziel fest. "Wir übernachten dort, wo es uns gefällt, buchen vorher keine Zimmer, um flexibel zu sein", sagt Susanne. Unterkünfte, "oft wunderbare, familiär geführte Pensionen", finden sie leicht.

Wer sich das Ein- und Auspacken ersparen und nicht jeden Tag in einem anderen Bett übernachten will, kann von Wittenberge oder Lenzen mit geführten Radtouren auf Entdeckungsreise gehen: Radeln im Dreiländereck (Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachen), rund ums Rambower Moor, wo auf den Wiesen im Frühjahr die Orchideen blühen oder sich von einem Naturkundler ein Stück vom "Grünen Band" zeigen und erklären lassen, das als Naturerlebnisraum von der Ostsee bis ins sächsisch-bayerische Vogtland reicht.

Aber auch von Lenzen, eine mittelalterliche Stadt mit Burg, in dem sich Hotel, Restaurant, Museum und das Besucherzentrum befinden, lassen sich abwechslungsreiche Ausflüge machen. Eine Kanufahrt auf der Löcknitz oder eine Bootsfahrt auf der Elbe geben am Ende der Reise nicht nur einen neuen Blickwinkel auf die Naturschönheiten der Region, sondern schonen auch die vom Radeln müden Wadeln.

Das Hotel Alte Ölmühle, perfekter Urlaubs- und Erlebnisort

Lutz Lange, Besitzer der ehemaligen Ölmühle in Wittenberge, hängte nach der Wende seinen Job als Sportlehrer an den Nagel und machte sich mit einer Vision selbstständig. Heute schupft er als Hotelier, Gastronom und Bierbrauer, unterstützt von seiner Familie, das Hotel Alte Ölmühle mit 45 Mitarbeitern.

Insgesamt 10,5 Millionen Euro investierte der leutselige Wirt in die Renovierung der prachtvollen alten Backsteingemäuer. „Die Mühle stand leer, keinen hat sie interessiert.“ Die Prignitzer sind ihm heute dankbar. Denn Lange lockt mit seinen Events und seinen immer neuen Ideen Touristen in die ehemalige Industriestadt.
Direkt an der Elbe liegt die 1856 von Samuel Herz gegründete Ölmühle. Heute beherbergt sie liebevoll eingerichtete 61 Zimmer, ein Restaurant mit eigener Bierbrauerei im ehemaligen Saatenspeicher – das Bier wurde nach dem Firmengründer HerzBräu genannt –, eine wunderbare Strandbar im alten Saugturm an der Hafenkante mit Liegestühlen im Sand und einer Beachvolleyball-Anlage, eine Bühne für Konzerte und Veranstaltungen im großen Innenhof und die beiden denkmalgeschützten alten Ölspeicher.

Sie sind die große Attraktion, auch für die Einheimischen. In den Tank des einen Speichers bauten die begeisterten Hobbytaucher, Lutz Lange und sein Sohn Jan, einen Indoor-Tauchpool mit einer Tiefe von 10 Metern. Röhrensysteme und Rifflandschaften bieten eine perfekte Trainingsmöglichkeit für Freizeit- und Profi-Taucher.

Der zweite ehemalige Öltank wurde zu einem Hochseilkletterpark mit zwei Parcours in sechs und 11 Meter Höhe umgebaut. Sehr gut gebucht wird die Kletter-Attraktion für Kindergeburtstage, Betriebsfeiern oder Schulausflüge. (Preis pro Kind für 3 Std. 20 €, für Erwachsene 25 €.)
Das direkt an der Elbe gelegene Wittenberge im Bundesland Brandenburg – nicht zu verwechseln mit der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt – entwickelt sich zu einem beliebten Touristenstopp.

Infos Hotel Alte Ölmühle direkt am Elberadweg, 31 Zimmer mit Blick auf die Elbe im alten Farbrikantenhaus und weitere 30 im ehemaligen Saatenhaus. DZ ab 99 €. In der Schaubrauerei und im Restaurant der Ölmühle gibt es das hauseigene HerzBräu und typisch regionale Prignitzer Speisen.
– Heuer findet ein Tauchcamp für Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahre vom 14.–19. August statt. Preis p. P. inkl. Unterbringung in Blockhütten, VP, 24-Stunden-Betreuung, sämtliche Freizeitaktivitäten von Schwimmen bis Lagerfeuer 399 €. www.oelmuehle-wittenberge.de

Infos

Anreise Flug von Wien nach Berlin oder Hamburg, von dort nach Wittenberge oder Bad Wilsnack per Bahn in 1 Std.

Abschnitte Brandenburg z. B. Hitzacker–Wittenberge (79 km), Wittenberge–Havelberg (38 km)

Fahrradvermietung gibt es in den meisten Städten an der Elbe auf Bahnhöfen, in Hotels und bei Radspezialisten

Hotels

Das Kranhaus, Wittenberge, herrliche Fusionsküche mit frischen Produkten aus der Region direkt an der Elbe gelegen, Terrasse,www.kranhaus-wittenberge.de

Rambower Moor und Rudower See, Storchendorf Rühstädt, www.naturwacht.de
– Das Rathaus, das berühmte Steintor und die Jugendstilfassaden in Wittenberge.

AuskunftTourenempfehlungen, Hotelinfos, Radverleih, Pilgerwege, Kulturangebote:www.dieprignitz.de,
www.reiseland-brandenburg.de,www.erlebnisgruenesband.de,www.germany.travel/natur,www.germany.travel/enjoy