Warum Syriens Regimekritiker allein gelassen werden

Seit 114 Tagen bombardiert die NATO Ziele in Libyen mit dem Auftrag, die Zivilbevölkerung vor den Truppen von Muammar al-Gaddafi zu schützen.

Seit 118 Tagen wagen Syrer zivilen Widerstand gegen die Diktatur des Assad-Clans und werden von dessen Sicherheitskräften immer brutaler angegriffen, getötet, drangsaliert. Der UN-Sicherheitsrat schweigt dazu. Die bisherigen Sanktionen sind schwachbrüstig.
Wo liegt der Unterschied?

Militärisch sehen sich weder die USA noch die NATO in der Lage, gegen Syrien vorzugehen. Assads Armee ist weit stärker einzuschätzen als Gaddafis Truppen - und schon die erweisen sich als schwer zu besiegen.

Politisch ist es unmöglich, eine geschlossene Front gegen Assad zu bilden. China und Russland, die im Sicherheitsrat noch grünes Licht für den Libyen-Einsatz gaben, halten ihre schützende Hand über ihn. Vor allem Moskau will den alten Verbündeten nicht verlieren. Russland betreibt im syrischen Tartus seine einzige Marinebasis am Mittelmeer.

Irak-Szenario

Der Hauptgrund für die allgemeine Zurückhaltung liegt aber in Syriens Struktur. Ein "Irak-Szenario" mit einem Bürgerkrieg, in dem alle Ethnien, religiösen Gruppen, Clans und Stämme des 20-Millionen-Staates gegeneinander antreten, gilt als strategischer Albtraum.

Jede Unruhe könnte zudem rasch auf die Nachbarn übergreifen - vor allem auf den labilen Libanon, wo die schiitische, stramm pro-syrische Hisbollah-Miliz ein Machtfaktor ist. Oder auf Israel, mit dem die Syrer im Dauerstreit um den Golan liegen.

Völlig unberechenbar ist auch der Iran, der im Assad-Clan seinen engsten Alliierten und das unverzichtbare Bindeglied zur Hisbollah und zur Hamas sieht. Teheran hat deshalb auch
massenweise Mann und Material nach Syrien geschickt, um den Protest gegen die Assads niederzuknüppeln.

Aus all diesen Gründen werden die Demonstranten in Syrien auf absehbare Zeit auf sich allein gestellt bleiben. - Stefan Galoppi

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