Vom Hausarrest ins Parlament

Vom Hausarrest ins Parlament
Bei den morgigen Wahlen steht Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi nach Jahren der Unterdrückung vor einem Triumph

Aung San Suu Kyi ist erschöpft. Alles dreht sich in diesen Tagen um die 66-Jährige. Dutzende Male hat sie aus dem Dachfenster eines Autos gewunken, Hunderte Hände geschüttelt, vor Tausenden Menschen gesprochen. Der Wahlkampf, den sie sogar kurz wegen Erschöpfung unterbrechen musste, ist jetzt vorbei. Etliche Burmesen hatten ihr zugejubelt. Morgen wird Aung San Suu Kyi als Abgeordnete ins Parlament von Burma (Myanmar) gewählt.

Das wäre vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen. Wer den Namen der weltbekannten Ikone der Opposition in den Mund nahm, dem drohte die Verhaftung. Ihre Anhänger nannten sie deshalb nur "Die Lady". Ihr Bild zu zeigen, war ähnlich gefährlich. Noch riskanter, ihre Politik als gut zu bezeichnen.

Staatsfeindin

Denn Suu Kyi war bis vor Kurzem noch Staatsfeindin Nummer eins. 1990 hatte sie die Wahlen zu einer konstituierenden Nationalversammlung mit ihrer Partei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) haushoch gewonnen. Doch das gefiel der Militärjunta nicht – sie verweigerte die Machtübergabe und Aung San Suu Kyi blieb für die nächsten sechs Jahre unter Hausarrest, weil sie angeblich die staatliche Sicherheit gefährdete.

Seither war Suu Kyi noch zwei weitere Male unter Hausarrest. Freigelassen wurde sie zuletzt vor knapp eineinhalb Jahren. Das war Teil einer Politik der Öffnung, die die burmesische Militärregierung – die das Land 20 Jahre in die Isolation getrieben hat – derzeit durchführt. Im November 2010 ließ die Regierung Wahlen abhalten. Die NLD trat allerdings noch nicht an. Ein Boykott, weil ihre Anführerin damals noch kaltgestellt war und die Wahlgesetze auf die Militärs zugeschnitten waren: Ein Viertel der Parlamentssitze sind per Gesetz für das Militär reserviert, sowie die Schlüsselpositionen der Regierung.

Morgen werden Nachwahlen zum Urnengang von 2010 abgehalten. 48 der 440 Parlamentssitze werden neu vergeben. Und: Die NLD und auch die als "Vorbestrafte" geführte Aung San Suu Kyi sind wieder zugelassen. Das Parteiengesetz 2010 wurde kürzlich von Präsident Thein Sein im Rahmen der neuen Öffnungspolitik geändert.

 

Lockerung

Die Regierung hat zudem Hunderte politische Gefangene freigelassen, den rebellischen Minderheiten, die seit Jahrzehnten nach Autonomie streben, Friedensangebote gemacht, der NLD den Weg zurück in die Politik geebnet und den Hausarrest von Suu Kyi beendet.

Nach 50 Jahren Militärdiktatur will die Regierung dem Land jetzt einen zivilen Anstrich geben, damit EU und USA ihre Wirtschaftssanktionen beenden. Das rohstoffreiche Burma (Gas, Öl, Teakholz, Gold) steht wirtschaftlich schlecht da und ist auf internationale Investoren angewiesen. Und tatsächlich: Die Öffnung ist bei westlichen Politikern angekommen. Seit Monaten folgt ein Staatsbesuch dem anderen. Der prominenteste Gast war US-Außenministerin Hillary Clinton im November. Noch im April wollen EU und USA über ein Ende der Sanktionen beraten. Dieses wäre auch in ihrem Interesse. Denn die Sanktionen haben Burma sprichwörtlich in die Hände Chinas getrieben.

 

Minderheiten

Doch während das Regime nach außen Werbung macht, führt die burmesische Armee weiter Krieg gegen die Kachin-Minderheit im Norden des Landes. Der Vielvölkerstaat Burma besteht aus 135 Minderheiten, die knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Immer wieder kommt es zu Guerillakämpfen. Vor allem die Kachin in der Gebirgswelt an der chinesischen Grenze bescheren der Regierung Kopfschmerzen. Seit Juni herrscht wieder Krieg, weil die Armee nach 17 Jahren mit einer Offensive den Waffenstillstand gebrochen hat.

Die Rebellen hoffen jetzt auf Aung San Suu Kyi. Doch ob ihr Einzug ins Parlament reichen wird, um deren Lage zu verbessern, bleibt fraglich.

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