Vatileaks: Verrat in Benedikts engstem Kreis

Vatileaks: Verrat in Benedikts engstem Kreis
Drei enge Papst-Mitarbeiter sind ins Visier der Ermittler geraten, darunter die ehemalige Haushälterin von Benedikt.

In der Vatileaks-Affäre ist mit weiteren aufregenden Überraschungen zu rechnen. Nun gerieten drei Personen, die zum engsten Vertrauten-Kreis von Papst Benedikt XVI. zählten, ins Visier der Ermittler. Sie werden als Komplizen von Ex-Kammerdiener Paolo Gabriele verdächtigt, der beschuldigt wird, geheime vatikanische Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Dabei handelt es sich, wie die römische Tageszeitung La Repubblica berichtet, um die frühere Haushälterin von Joseph Ratzinger, Ingrid Stampa, um seinen ehemaligen Sekretär, Bischof Josef Clemens, und um den italienischen Kardinal Paolo Sardi. Der Papst hat vor wenigen Monaten zu allen drei Mitarbeitern plötzlich den Kontakt abgebrochen. Die frühere Musikprofessorin Stampa kümmert sich nicht mehr um die Schreiben des Papstes. Die wöchentlichen Treffen mit Clemens, eine beliebte Tradition von Benedikt XVI., wurden von heute auf morgen abgesagt. Sardi musste aus Altersgründen zurücktreten.

Die Deutsche Stampa – einige der wenigen Frauen im Apostolischen Palast – redigierte nicht nur viele Ansprachen des Papstes, sondern hatte auch maßgeblich am Jesus-Buch von Papst Benedikt mitgearbeitet. Die Professorin konnte, als Einzige im Vatikan, die oft schwer leserliche Schrift von Joseph Ratzinger entschlüsseln.

Eifersuchtsanfälle

Vatileaks: Verrat in Benedikts engstem Kreis

Die 62-Jährige bezeichnete sich einmal als "freien, fremden Vogel" im Vatikan, der "kein Mensch für Institutionen und Karriere" sei. Offiziell ist die Angehörige der katholischen Erneuerungsbewegung Schönstatt im vatikanischen Staatssekretariat angestellt.

Hinter vatikanischen Mauern wird über Stampas Eifersuchtsanfälle getuschelt, die jeden treffen, der zum Papst eine nahes Verhältnis pflegt.

Ein Verbündeter in Sachen Neid, weiß Vatikanexperte Marco Ansaldo, sei Bischof Clemens. Der frühere Sekretär hätte es bis zum Tag der Papstwahl nicht für möglich gehalten, dass Joseph Ratzinger tatsächlich auf dem Stuhl Petri sitzen würde. Die Ressentiments seiner verpassten Karrierechance trafen vor allem seinen Nachfolger, den aktuellen Papstsekretär Georg Gänswein. Auch Stampa soll sich mit Gänswein überhaupt nicht verstehen.

Gegen den Sekretär

Viele Attacken richteten sich ausgerechnet gegen Gänswein, der immer stärker in den Strudel eines deutschen Konflikts im Vatikan geriet.

Am Wochenende wurde der in Ungnade gefallene päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele nach zweimonatiger Haft im Vatikan in Hausarrest entlassen. Ihm wurde bisher als Einzigem vorgeworfen, geheime Dokumente vom Schreibtisch des Papstes entwendet und an Medien weitergeleitet zu haben. Der Journalist Gianluigi Nuzzi veröffentlichte die brisanten Dokumente in seinem Enthüllungsbuch "Sua Santità". Die meisten Schreiben betreffen Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone, der wegen seines Machteinflusses und seiner umstrittenen Führung der Kirchenverwaltung seit Langem in der Kritik steht. Laut Anwalt Carlo Fusco gehört Gabriele keinem größeren "Netzwerk oder einer Verschwörung" innerhalb des Kirchenstaats an. Er habe allein aus "Liebe zum Papst und aus Idealismus" gehandelt, um die katholische Kirche "lebendiger" zu machen. Für Beobachter ist jedoch klar, dass der 46-jährige Römer als Bauernopfer herhalten muss.

Warum die drei Papst-Mitarbeiter Gabriele bewogen haben sollen, die vertraulichen Dokumente des Pontifex publik zu machen, ist noch unklar. Laut Insidern geht es um Neid, Eifersucht, Ressentiments und Rangeleien, wer dem Papst am nächsten steht. Die Drahtzieher der Enthüllungen wollen vor allem aber den Rücktritt von Bertone erzwingen.

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