Vatikan will nicht mit Pfarrerinitiative reden

Vatikan will nicht mit Pfarrerinitiative reden
Vatikan von innen: Rom will den Aufstand der österreichischen Pfarrer aussitzen. Die wachsende Angst davor ist aber greifbar.

Benedikt Steinschulte zeigt keine Scheu vor Fürstenthronen. Ein Satz des zweithöchsten Mannes im Vatikan vor zwei Jahren empört ihn bis heute. „Schluss mit dem Geschwätz", kommentierte 2010 die rechte Hand des Papstes, Kardinal Angelo Sodano, die neue Enthüllungswelle an Missbrauchsfällen in der Kirche. „Das ist Realitätsverweigerung, der Kardinal sollte bußschweigen."

Steinschulte steht als PR-Fachmann seit 27 Jahren für den Vatikan an der Medienfront. Wenn aber die Rede auf Helmut Schüller kommt, gefriert der lockere Plauderton. Im besten Fall ist das nur ein Sprachproblem: Der Aufruf zum „Ungehorsam", den 400 Pfarrer in Österreich mittragen, könne auch als Aufruf zum „zivilen Ungehorsam" gelesen werden – der sei im deutschen Sprachraum mehrfach geadelt. Hier in Rom klingt das aber nach „offener Rebellion" – ein absolutes No-go. Erst heute sei in einer römischen Pfarre für die Pfarrerinitiative gebetet worden, erzählt er: Nicht für deren Anliegen – von der Freigabe der Lebensform für Kleriker bis zum Frauenpriestertum –, sondern für die Bekehrung der aufsässigen Pfarrer.

Es ist Sonntagabend, als der intime Kurien-Kenner vor österreichischen Journalisten überraschend offenherzig über das Innenleben des Vatikans plaudert. Der Grazer Bischof Egon Kapellari sucht alle paar Jahre Dan Browns Bestseller Lügen zu strafen und Medienleute mit dem wahren Innenleben des Vatikans vertraut zu machen. Bei den Meetings mit hochrangigen Kurienkardinälen streut er anfangs gerne ein: „Wir haben die Reise nicht wegen der aktuellen Ereignisse unternommen, wir haben sie deswegen auch nicht abgesagt."

Kryptisch

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Wovon da kryptisch die Rede ist, weiß rund um den Petersdom jeder – auch wenn hier die Regeln für eine Milliarde Katholiken und deren 400.000 Priester auf der ganzen Welt ausgegeben werden. Kurienkardinal Kurt Koch, zuständig für die Annäherungen an andere Kirchen, sieht in den eigenen Reihen null Bewegungsspielraum: Das Priesteramt samt Zölibat ist „der Garant der Einheit“. Und: „Man sucht Einheit, indem man neue Spaltungen sucht. Das kann nicht das Ziel sein.“ Mal mehr oder weniger herzlich, aber immer gleich hart – der steinerne Gast Schüller stößt an den Mauern des Vatikans auf Granit.

Kann es daran liegen, dass die Römer ein Überspringen des Funkens fürchten, den ein paar Hundert Kleriker in Österreich entzündet haben? Fakt ist, dass Pfarrer-Gruppen in Irland, Frankreich, der Slowakei, in Australien und in den USA bei Schüller & Co sympathisierend andocken wollen. Ein Auftrittsverbot im deutschen Hildesheim hat sie jüngst bei den Nachbarn erstmals breit bekannt gemacht. Den Rest hat der Papst selber am Gründonnerstag erledigt, als er „eine Gruppe von Priestern in einem europäischen Land“ öffentlich ins Gebet nahm: „Wir wollen den Autoren dieses Appells glauben, dass sie von Sorgsamkeit für die Kirche bewogen sind.“ Aber: „Ist Ungehorsam ein Weg?“

Egon Kapellari ist die Frage „zu flach“, ob Joseph Ratzinger deutschen Bischofskollegen, die ob Ansteckungsgefahr besorgt sind, damit einen Gefallen tun wollte. Und lässt sich zu dem Satz hinreißen: „Ich hätte es dem Papst nicht eingeredet.“

Schüllers geschickte Schub-Umkehr der verschwommenen Papst-Schelte („Er stellt uns Fragen, die wir gerne direkt beantworten wollen“) geißelt Kapellari wiederholt als „unredlich“. In der herrschenden Machtlogik des Vatikans geht Schüllers Dialog-Angebot nicht einmal als frommer Wunsch durch. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi, ein enger Vertrauter des Papstes, formuliert das extradry so: „Es ist Sache der Bischöfe vor Ort, diese Probleme zu lösen. Das ist ihre normale Arbeit.“

Medienbischof Kapellari, 76, startete mit dem Ballast der aufsässigen Pfarrer die Vatikan-Tour – und kehrt heute Abend noch schwerer beladen heim. In seiner Abwesenheit sorgte ein Studienkollege, der Homosexuelle für gefährlich krank erklärte, für weitere „Bad News“. Kapellari ließ öffentlich beschwichtigen, er lehne „schreckliche Vereinfachungen strikt ab“. Gleichzeitig schrieb er dem steirischen Landpfarrer einen Brief, in dem er ihm für den Wiederholungsfall kirchenrechtliche Konsequenzen androht.

Mittelweg

Als Oberhirte einer aus dem Tritt gekommenen Herde sucht er angestrengter denn je nach dem Mittelweg: Er gebe der Forderung nach sofortiger Abberufung des homophoben Pfarrers ebenso wenig nach, proklamiert er, wie der nach Abberufung jener Pfarrer, die im Vatikan gerade Phobien auslösen. Ob bald auch den ungehorsamen Klerikern im Wiederholungsfall der Rausschmiss droht, lässt er in Rom offen.

Helmut Schüller sitzt derweil nur ein paar Hundert Kilometer entfernt auf Malta und besichtigt mit Pfarrmitgliedern die Hinterlassenschaften der Kreuzritter. Eine Prognose, die ihm jüngst aus dem Munde eines österreichischen Strippenziehers in Rom zugetragen wurde, will er jetzt erst recht nicht wahr werden lassen: „Die Pfarrer-Initiative ist ein Fliegenschiss auf dem Kirchenfenster, der nicht einmal einen Schatten werfen wird.“

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