Unis: "Töchterle hat viel zu verlieren"

Unis: "Töchterle hat viel zu verlieren"
Alexander Van der Bellen warnt den Wissenschaftsminister: Wenn er weiter den "Krach" meidet, ist der gute Ruf dahin.

Der Ex-Parteichef der Grünen, Alexander Van der Bellen, über den Goldrausch, die Regierungsbeteiligung und Wien - und warum er lieber nicht an einer Uni unterrichten will.

KURIER: Herr Van der Bellen, haben Sie zuletzt fleißig Gold gekauft?
Alexander Van der Bellen:
Nein, warum fragen Sie?

Na weil Gold derzeit offenbar das einzige Investment ist, das konstant zulegt.
Gold würde ich nur kaufen, wenn es meine Zahnärztin für notwendig erachtet. Um in Gold zu investieren, muss man die Hysterie der Menschen verstehen. Denkt man - wie ich - ökonomisch, dann wird man nie verstehen, was da gerade abläuft.

Offenkundig ist, dass die Menschen der Politik nicht zutrauen, die Euro-Krise zu lösen. Was läuft schief?
Europäische Politiker haben die europäische Perspektive verloren. Das Hauptproblem ist Deutschland. Merkel macht eine Politik, die niemand versteht. Drei Schritte vor, zwei zurück, drei zur Seite ...

Ein Tanz-Impresario ...
... hätte seine Freude. Im Umgang mit Finanzmärkten ist das aber tödlich. Vor drei Jahren hätte ich es für unmöglich gehalten, dass die Eurozone ins Wanken gerät. Mittlerweile mache ich mir große Sorgen.

Wären die Eurobonds ein Weg aus der Krise?
Ich bin ein Verfechter der Eurobonds, auch wenn sie allein uns nicht retten. Die spontane Reaktion der Menschen ist verständlich: Warum soll die Gemeinschaft für die Schulden Einzelner haften? Das wäre ein Freibrief für eine unverantwortliche Finanzpolitik.

Aber?
Aber man kann Eurobonds intelligent gestalten, indem man sie limitiert: Die Euro-Staaten sollten maximal 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Eurobonds aufnehmen dürfen. Der allenfalls erforderliche Rest muss wie bisher finanziert werden.

Was antworten Sie Menschen, die sagen: "Unterm Schilling war alles besser."
Da antworte ich: Was heißt Schilling? Wir haben zwanzig Jahre lang die Währungsunion geübt, indem wir den Schilling an die D-Mark gebunden haben. Nominell gab`s eine eigene Währung, o.k. De facto hatten wir aber immer die D-Mark.

Der Euro und die EU sind alternativlos?
In einer Welt, in der Indien, Brasilien und China die großen Nationen sind, wollen wir in Europa wieder zurück zur Kleinstaaterei? Viel Vergnügen! Ich erinnere an das Verfahren, das die EU-Kommission gegen Microsoft wegen Marktmissbrauchs gewonnen hat. Da ging es um Milliarden Dollar. Ein Zwerg wie Österreich hätte allein so ein Verfahren nie bestreiten können, selbst Deutschland wäre das nicht gelungen. Die Union insgesamt aber, die kann und soll das machen.

Kommen wir nach Österreich: Die FPÖ ist in den Umfragen auf hohem Niveau. Warum profitieren hierzulande vor allem rechte Parteien von der Unzufriedenheit mit den Regierung?
Dass der politische Protest in diese Richtung geht, ist eine deprimierende Erfahrung, die mich in der Liebe zu diesem Land erschüttert.

Erklären können Sie`s nicht.
Es ist schade, dass wir in der Politik keine kontrollierten Labor-Experimente machen können. Ich würde die FPÖ drei Jahre lang allein regieren lassen und dann Bilanz ziehen. Wäre so eine Realityshow möglich, wären die Menschen zumindest ein paar Jahre lang geheilt.

Würden Sie heute gern an der Wirtschafts-Uni als Professor arbeiten?
Nein. Ich hatte an der Uni Wien das Privileg, an einer nicht überlaufenen, gut organisierten Studienrichtung zu arbeiten, nämlich bei den Volkswirten. Als mittlerweile Außenstehender wünsche ich mir, dass SPÖ und ÖVP endlich Ziele definieren - und erreichen. Vor Jahren wurde gesagt: Zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts sollen in die Unis investiert werden. Heute halten wir bei 1,4 Prozent und das heißt: Den Unis fehlen 1,8 Milliarden Euro - und zwar pro Jahr!

So viel wird der Wissenschaftsminister bei den Budgetverhandlungen im Herbst kaum herausholen, oder?
Nüchtern betrachtet hat Karlheinz Töchterle eine gute Position. Mit Anfang 60 muss er als Minister keine Karriere mehr machen, er ist relativ unabhängig. Zudem kann ihn die ÖVP vor den Wahlen schwer loswerden - wie sähe das denn aus? Töchterle könnte also großen Krach machen, und der besteht darin, dass er das Finanzrahmengesetz aufschnüren lässt. Töchterle ist intelligent, ich mag ihn. Aber wenn er sich beim Uni-Budget nicht auf die Beine stellt, hat er viel zu verlieren - nämlich den guten Ruf als Professor.

Zu den Grünen: In Wien ist Ihre Partei in einer Regierung mit der SPÖ und muss vor allem die Anhebung von Wasser- und Müllgebühren erklären. War die Koalition klug?

Ich verstehe die Frage nicht. Wir sind in einer Koalition mit einem größeren Partner und sind nur für bestimmte Dinge zuständig - so ist das eben. Aber ich darf Sie beruhigen. Es wurde gerade der Leiter der MA 20 (Energieplanung) bestellt und hier wird man in den nächsten Jahren sehen, was sich bei Solar-Energie, Fotovoltaik oder sanfter Mobilität tut. Die grüne Handschrift wird sich zeigen, keine Sorge.

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