Türkische Botschafterin: "Zur Integration ermutigen"

Türkische Botschafterin: "Zur Integration ermutigen"
Ayse Sezgin, neue Botschafterin der Türkei in Wien, fordert, dass Türken in Österreich positiv motiviert werden sollen.

Seit zwei Wochen hat die Türkei eine neue Botschafterin in Österreich. Nach dem Abgang ihres umstrittenen Vorgängers hat die Karrierediplomatin Ayşe Sezgin ein Ziel: Die Beziehungen Wien-Ankara zu verbessern: "Ich schaue in die Zukunft und will das Beste." Dem KURIER gab sie ihr erstes Interview in dieser Funktion auf Englisch.

KURIER: Frau Botschafterin, was wollen Sie tun?
Ayşe Sezgin: Als Botschafterin ist es meine Aufgabe, unsere politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen weiterzuentwickeln. Das eröffnet neue Horizonte und Chancen für unsere Länder und Menschen. Es freut mich, dass die Entschiedenheit, unsere Beziehungen weiterzuentwickeln, auf beiden Seiten vorhanden ist. Das ist ein wichtiger Startpunkt.

Sind Türken in Österreich gut integriert?
Ich war sehr erfreut, die große Zahl der erfolgreichen Türken oder Österreicher türkischer Herkunft in allen Bereichen des Lebens zu sehen. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass eine gute Ausbildung ein Meilenstein für erfolgreiche Integration ist. Natürlich sollten wir, während wir zur Integration ermutigen, gemeinsam mit unseren österreichischen Freunden reden, wie wir die besten Ergebnisse erzielen können. Erfolgreiche Personen können Vorbilder sein. Die Motivation, die sie von der österreichischen Gesellschaft erhalten, wird sie zu höheren Leistungen ermutigen, zu aller Vorteil.

Premier Erdoğan hat kürzlich die Assimilation eingewanderter Türken in Deutschland scharf kritisiert. Unterscheiden Sie zwischen Integration und Assimilation?
Wir unterstützen, dass Türken am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teilnehmen und einen Beitrag dazu leisten. Wir erachten es für wichtig, dass sie die Sprache des Landes gut erlernen. Genauso natürlich ist es, dass sie ihre kulturellen Eigenschaften bewahren. Das ist auch eine kulturelle Bereicherung für Österreich.

Die Türkei strebt in die EU. Warum?
Europa ist unser gemeinsames Haus. Wir teilen die gleiche Geschichte, Geografie, Werte und Visionen. Wie wird die EU eine stärkere globale Vision haben? Mit oder ohne Türkei? Der Einfluss der Türkei in der ganzen Region kann nicht übersehen werden. Europäische Politik wird mit der Türkei an Bord eine größere Reichweite haben.

Österreichs Regierung ist gegen die Mitgliedschaft der Türkei, sie will die privilegierte Partnerschaft. Was denken Sie darüber?
Es ist unmöglich für die Türkei, die privilegierte Partnerschaft zu akzeptieren. Privilegierte Partnerschaft ist ein Begriff, der keine Gültigkeit und keine Beziehung zur Realität hat und der nicht dem EU-Recht entspricht. Einen realitätsfernen Begriff zur Diskussion zu stellen bedeutet Zeit- und Energieverlust. Man muss sehen, dass in der neuen Weltordnung Europa sein Netz von Beziehungen stärken und erweitern muss. Die Türkei hat die Fähigkeit dazu.

Viele Österreicher sind gegen den EU-Beitritt der Türkei. Wie wollen Sie überzeugen?
500.000 Touristen besuchen jedes Jahr die Türkei. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Meinungen ändern werden. Die Mitgliedschaft passiert nicht über Nacht. Wenn die Zeit kommt, werden die Türkei und die EU gemeinsam über das endgültige Ergebnis entscheiden. Die EU-Entscheidung über Zulassung oder Verweigerung zum Beitritt der Türkei wird erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft Europas und die internationale Wahrnehmung der EU haben. Ich bin zuversichtlich, dass die österreichische Gesellschaft die Entwicklung der EU entsprechend der Rolle, die sie im 21. Jahrhundert spielen möchte, ermutigen wird.

Jetzt stocken die Beitrittsverhandlungen. Glauben Sie noch an einen Durchbruch?
Der Prozess der Verhandlungen zur vollen Mitgliedschaft wurde 2005 mit einstimmiger Entscheidung der EU begonnen. Einen Fortschritt zu erreichen, ist im Interesse aller Parteien. Wir stehen vor mehreren politischen Hindernissen, die im Widerspruch zum vereinbarten Rahmen der Gespräche führen. Das schadet der Glaubwürdigkeit der EU. Die Mitgliedschaft ist ein strategisches Ziel unserer Außenpolitik. Unsere Regierung ist verpflichtet, die Reformen durchzuführen. Wir glauben, dass auch die EU, um ihre Glaubwürdigkeit beizubehalten, mehr tun sollte. Die EU sollte nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten, Anm.) handeln. Persönlich sehe ich eine große Tugend darin, einen frischen Wind des Optimismus in die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU zu bringen. Es ist Zeit, neue Ideen, eine neue Art des Denkens zu entwickeln.

Zur Person: Ayşe Sezgin

1958 in Ankara geboren. Studium der Sozial- und Verwaltungswissenschaften.
Verheiratet mit dem türkischen Botschafter in Moskau, Aydin Adnan Sezgin. Mutter einer Tochter.

Seit 1983 für das türkische Außenministerium tätig, u.a. im Irak. Von 2008 bis 2009 türkische Botschafterin in Slowenien. Zuletzt im Außenamt in Ankara für die Europapolitik zuständig.

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