Türkei/Österreich: Diplomatie in der Schule

Türkei/Österreich: Diplomatie in der Schule
Mit einem Besuch im Klassenzimmer unterstrichen die zwei Außenminister die Wichtigkeit von Integration.

Auf Besuch in der Fremde und doch irgendwie zu Hause. Der gestrige Abstecher des türkischen Außenministers in eine Schule in Wien-Favoriten mit einem hohen türkischen Migrationsanteil geriet zum Heimspiel für Ahmet Davutoglu. Händeschütteln hier, Abklatschen dort und dazwischen noch Autogramme. Die Handys vieler Schüler glühten – wer konnte, schoss ein Foto von dem und mit dem hohen Gast, der mit den Burschen und Mädchen in seiner Muttersprache Smalltalk betrieb.

Das Realgymnasium in der E­ttenreichgasse wurde mit Bedacht gewählt: Von den 157 angemeldeten Kindern für die nächsten ersten Klassen haben gerade einmal 24 Deutsch als Muttersprache. Von den insgesamt 766 Schülern und Schülerinnen sprechen nur 183 im Alltag Deutsch, fast jeder Vierte hat türkische Wurzeln. Integration ist hier keine leere Worthülse, sondern eine Notwendigkeit. Und dass diese funktionieren kann, das wollten Davutoglu und sein österreichischer Amtskollege Michael Spindelegger mit ihrem Schulbesuch unterstreichen.

 

Sport verbindet

Die beiden Außenamtschefs hörten im Beisein von Integrations­staatssekretär Sebastian Kurz das, was sie hören wollten. "Es gibt überhaupt keine Probleme zwischen den Österreichern und den Ausländern", sagte etwa der 13-jährige Sevim Burak, "zwischen Ausländern und Ausländern aber schon immer wieder." Oliver Puschner, 16, sah das ähnlich und hob als Kicker die verbindende Rolle des Sports hervor: "Beim Fußball sind alle gleich."

Bei so viel Harmonie konnte Davutoglu gar nicht anders und zeigte sich "zufrieden mit der Integrationspolitik" Österreichs, das auf "eine lange multikulturelle Geschichte" zurückblicken könne. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Spindelegger betonte der türkische Chefdiplomat, dass für eine gelungene Integration zwei Komponenten erforderlich seien: Eine Pflege der eigenen kulturellen Identität und eine Teilnahme am sozialen Leben des Landes. "Dazu ist das Erlernen der deutschen Sprache unerlässlich."

Gut integrierte türkischstämmig Bürger – hierzulande gibt es etwa 250.000 – seien "wichtige Brücken" zwischen den beiden Staaten. Und sie würden dazu beitragen, die Fremdenfeindlichkeit abzubauen.

 

Austria goes Turkey

Neben Integrationsfragen und der EU-Thematik (siehe rechts) standen vor allem wirtschaftliche Aspekte im Zentrum des eintägigen Wien-Besuches Davutoglus. Spindelegger wies auf die führende Rolle heimischer Unternehmen im Land am Bosporus hin: "Wir sind seit 2009 der größte Auslandsinvestor in der Türkei." Das bilaterale Handelsvolumen (Exporte und Importe stiegen 2011 um rund 18 Prozent) habe im Vorjahr erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Marke überschritten. In dieser Tonart solle es weitergehen, so die Außenminister.

 

"Assad brach Versprechen"

Auch zum Thema Syrien waren sich die beiden Politiker einig und fanden klare Worte: Das Blutvergießen müsse gestoppt werden. "Assad hat Versprechen gemacht, die er nie hielt", so Davutoglu. Die Zeit des syrischen Machthabers sei abgelaufen, ergänzte Spindelegger.

Um die "menschliche Tragödie" zu beenden, wie der türkische Außenamtschef formulierte, brauche es einen "gemeinsamen Aktionsplan" und eine "starke Botschaft" an Assad.

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