Testamentsfälscher-Prozess: Sieben Jahre Haft

Testamentsfälscher-Prozess: Sieben Jahre Haft
Am Dienstag wurde das Urteil verkündet. Der Hauptangeklagte erhielt sieben Jahre Haft.

Nach 21 Verhandlungstagen und vier Schuldsprüchen im aufsehenerregenden Prozess um Testamentsfälschungen beim Vorarlberger Bezirksgericht (BG) Dornbirn sind Dienstags am Salzburger Landesgericht alle restlichen sechs Angeklagten verurteilt worden. Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Andreas Posch ist nicht, wie einige Verteidiger gemeint hatten, von einer One-Man-Show des geständigen Hauptbeschuldigten Jürgen H. (48) ausgegangen. Der suspendierte Geschäftsstellenleiter des BG Dornbirn erhielt sieben Jahre unbedingte Haft. Die nicht geständige, suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichtes Feldkirch wurde zu zweieinhalb Jahren teilbedingter Haft verurteilt. Ob und welche der Urteile rechtskräftig sind, steht noch nicht fest.

Laut Staatsanwaltschaft wurden von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert. Die Täter sollen sich in unterschiedlichen Funktionen an den Fälschungen beteiligt haben. Sie wollten offenbar sich und Angehörige unrechtmäßig bereichern. Mehr als 80 Erben wurden geprellt. Der inkriminierte Gesamtschaden beträgt zehn Millionen Euro. Vier geständige Angehörige des Hauptangeklagten, die vorwiegend in die Rolle von Scheinerben geschlüpft waren und sich auch geständig gezeigt hatten, wurden im Laufe des Prozesses bereits schuldig gesprochen. Sie erhielten Haftstrafen zwischen sechs Monaten bedingt und zwei Jahren teilbedingt.

Für die übrigen sechs Urteile dauerte die Beratung 30 Stunden, und zwar im Zeitraum von 23. bis 26. Juli. Für das Gericht stand fest: Jürgen H. war nicht der alleinige Drahtzieher der Manipulationen. "Wenn 40, 50 Auffälligkeiten auftreten, kann das kein Zufall sein. Es hat ein `System Dornbirn` gegeben, das war keine One-Man-Show von Jürgen H.", betonte der vorsitzende Richter Posch. "Da bin ich ganz bei Staatsanwalt Manfred Bolter. Man muss das Mosaik sehen." Es habe sich um die Spitze des Eisberges gehandelt, einiges konnte auch nicht mehr zutage gebracht werden. Posch verwies in diesem Zusammenhang auf 510, bis heute verschwundene Testamente am Bezirksgericht Dornbirn. Der Richter ortete ein "horribles Unrechtsbewusstsein" und "mangelnde Zivilcourage, "auch bei Zeugen". "Für jeden war das Winkeln normal. Auch Kollegen haben wirklich nicht geglänzt", ließ Posch aufhorchen.

Die Schuldsprüche basierten nicht einzig auf den Aussagen von Jürgen H., stellte der Vorsitzende klar, sondern beruhten auf Beweismitteln. Die ehemaligen Gerichtskollegen des Hauptbeschuldigten, Clemens M. (53), und Kurt T. ( 49), wurden zu je drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt verurteilt. Der frühere Gerichtsbedienstete Walter M. (73) erhielt zwei Jahre Haft bedingt. Kornelia Ratz (49) - sie soll zugunsten ihrer Mutter und Tante ein gefälschtes Testament bestellt haben - wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, zehn Monate davon wurden unbedingt ausgesprochen. Die vier damaligen Justizmitarbeiter beteuerten ihre Unschuld. Schuldig gesprochen wurde zudem ein geständiger Freund des Hauptbeschuldigten: Peter H. (48) kassierte eine unbedingte Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Fälscher laut Anklage besonders dreist

Die Schuldsprüche erfolgten wegen folgender Delikte: Jürgen H. wurde wegen Amtsmissbrauchs, gewerbsmäßigen schweren Betruges und Urkundenfälschung unter Ausnützung einer Amtsstellung verurteilt. Kurt T. wegen Amtsmissbrauchs und Urkundenfälschung unter Ausnützung einer Amtsstellung, Clemens M. wegen Beitrags zum Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung, Walter M. wegen Beitrags zum Amtsmissbrauch und schwerem Betrug, Peter H. wegen Amtsmissbrauchs und gewerbsmäßig schweren Betruges und Kornelia Ratz wegen Beitrags zum Amtsmissbrauch.

In einzelnen Anklagepunkten sind auch - im Zweifel - Freisprüche erfolgt. Richter Posch beleuchtete zu Beginn seiner für vier Stunden anberaumten Urteilsbegründung die Persönlichkeiten der einzelnen Beschuldigten: Kornelia Ratz bezeichnete er als eine ehrgeizige, intelligente Frau, "die sich nimmt was sie möchte". Jürgen H. sei ein intelligenter Mann mit Eigenheiten, Clemens M. "autoritätshörig", der sich auch Anerkennung habe schaffen wollen. Kurt T. sei "der Macher" in der Außerstreitabteilung gewesen, er habe wie Walter M. ein "Machtgefühl" entwickelt. Posch bezeichnete weiters den Freund des Hauptbeschuldigten als "so devot, dass mir ein bisschen übel geworden ist".

Die Fälscher sollen der Anklage zufolge besonders dreist vorgegangen sein. Im Visier standen laut Anklage meist durchwegs vermögende, kinderlose, betagte Erblasser. Sie wurden oft besachwaltert oder waren zum Zeitpunkt des Erbanfalls bereits verstorben. Um den Schwindel zu verschleiern, wurden nach Erstellung des gefälschten oder manipulierten Testamentes oft demente Senioren als Scheinerben dazwischengeparkt. Nachdem diese gestorben waren, gingen die Verlassenschaften aufgrund der Fälschung entweder meist an Angehörige von Jürgen H. oder seinen in Salzburg wohnenden Freund Peter H. Bei letzterem wurden hinterlassene Vermögenswerte von rund einer Million Euro sichergestellt.

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