Südsudan zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Südsudan zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Aus kaum mehr als rotem Staub und Armut entsteht ein neuer Staat. Die Menschen packen selber an, brauchen aber Hilfe.

Mit ausgestreckten Beinen sitzen die Frauen auf dem staubigen Boden. Noch regnet es nicht. Es bleibt Zeit, die Erdklumpen von den Erdnuss-Büscheln zu schütteln. Das Kind am Schoß, geht die Arbeit zügig voran. Ein Zehnjähriger schleppt auf seinem Kopf lange, dürre Äste als Brennmaterial herbei.

Loi, eine 22-jährige Frau, wiegt das Baby einer anderen im Arm. Mit der Faust rührt eine ältere Frau im heißen Topf, röstet unter freiem Himmel die Erdnüsse an. Zwei Säcke voll hat die Sippe von ihrem Feld nahe der Stadt Yambio im Südsudan heute eingebracht. Viel ist es nicht, aber es wird für eine Weile reichen. Und sie sind zuversichtlich, dass es vom Nullpunkt aus nur aufwärts gehen kann.

Aufbauarbeit

Südsudan zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Einen Monat existiert der Südsudan erst als unabhängiger Staat. Nach fünfzig Jahren Krieg mit zwei Millionen Toten und völliger Zerstörung der Infrastruktur jetzt wieder auf die Füße zu kommen, wird weit länger dauern. Sogar in West-Äquatoria, einer Provinz des christlich-animistischen Landes, die früher eine wahre Kornkammer war. Mit der Maisernte sei man heuer wegen spärlichen Regens hinten nach, heißt es hier und dort. Aber während in anderen Landstrichen Ostafrikas unter brütender Sonne das Weideland für die Rinder aufgebraucht ist, gibt es hier noch immer viel fruchtbaren Boden. Und die Hoffnung vor allem, dass der Aufbau einer gemeinsamen Nation aus verschiedenen Gruppen und Stämmen auf friedliche Weise gelingen kann. Eine Fahne, Geldscheine und eine eigene Hymne gibt es schon.

"Wir fangen gerade an", sagt Bangasi Joseph Bakosoro, Gouverneur des Bundesstaates. Er weiß um die Risiken, wenn es nicht gelingt, für mehr Sicherheit zu sorgen. Prioritäten gibt es viele: Schulen, Straßen, Krankenstationen bauen. Wasser und Bodenschätze sind da. Der Ölreichtum macht sich aber noch nicht recht bezahlt. Mit der Regierung in Khartum (der Hauptstadt des Sudan) tobt ein Streit über die Aufteilung des Erlöses. 90 % der Nahrungsmittel - und alles andere - werden importiert.

Von tausend Kindern erreichen 381 nicht ihr fünftes Lebensjahr. Die Müttersterblichkeit ist eine der höchsten weltweit. Zwei Drittel der Erwachsenen - manche Schätzungen liegen höher - sind Analphabeten.

Bis zum Friedensschluss 2005 haben SPLA-Rebellen gegen die arabisch-islamische Vormacht von Khartum angekämpft. Und bis heute rivalisieren lokale Führer um Einfluss im Süden. Durch diese Ausnahmesituation, die Notwendigkeit, sich zu verstecken oder zu flüchten, ging das Wissen um die selbstverständlichen Dinge des Lebens verloren. Zum Beispiel, wie man Kinder unterrichtet oder einen Acker bestellt.

Bauern

Tartiziu Wandu Bimo (54) gilt als einer der besten in seinem Job: Bevor um 1990 die Menschen rund um Yambio ins Kreuzfeuer von SPLA und Armee geraten sind, hat er eine Landwirtschaftsschule besucht. Nach der Flucht in die Zentralafrikanische Republik war er dort als Experte für Anbaumethoden gefragt. Heute zieht er im Auftrag der Caritas in seiner alten Heimat wieder von Dorf zu Dorf.

Redet mit den Bauern, zeigt ihnen, wie sie Ananas, Erdnüsse und Mais im richtigen Abstand pflanzen. Sagt, dass es Sinn hat, nicht alleine vor sich hin zu wurschteln, sondern gemeinsam die brach liegenden Felder zugänglich zu machen. Bei den Männern, die seinen Rat befolgen, schlägt einem der Schweiß harter Arbeit entgegen. Ihr Einsatz ist groß. Ihr Wunsch nach einem besseren Leben ist es auch.

Entwicklung

"Wenn es Entwicklung gibt, gibt es auch Frieden", sagt Bischof Eduardo Hiiboro Kussala, der im Zuge seines Studiums sechs Monate in Wien war und jetzt viel Energie in Bildungsprogramme steckt - der Schlüssel für den Aufbau des Staates. Die Kirche hat den Menschen über den Krieg geholfen. Jetzt fühlten sie sich frei und zuversichtlich, sagt er. Würden die Erwartungen nicht erfüllt, könnte das wieder kippen.

"Wir wollten den ganzen Sudan vom Islam befreien", sagt Cecilia Joseph, Witwe eines SPLA-Rebellen. Oft sei sie allein gewesen, während er kämpfte. "Es war schwer, zu überleben." Wenn Kämpfer kamen, musste sie mit Essen zahlen. Hatte sie nichts, haben sie zugeschlagen. "Jetzt wird alles okay", nickt die 50-Jährige. Vor ihrer Hütte zeigt sie Mais, Sorghum-Hirse, Termiten, Bohnen. Was nicht gegessen wird, können sie und ihre Schwägerin Lutina verkaufen. Der Erlös reicht für Seife und Salz. Das Leben ist so schon hart, vom Krieg haben alle genug.

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