Strauss-Kahn unter Korruptionsverdacht

Kripo-Beamte, der Direktor einer Baufirma und "Sekretärinnen" waren bei Strauss-Kahn zu Besuch in Washington.

Mit Selbstironie versuchen französische Sozialisten ihren nachträglichen Schrecken über ihren einstigen Favoriten für die Präsidentenwahl 2012 zu bannen: "Wir sollten Nafissatou Diallo ein Denkmal errichten. Nicht auszudenken, was unserer Partei passiert wäre, wenn Diallo nicht gegen Strauss-Kahn Anklage erhoben und wir ihn zu unseren Kandidaten gekürt hätten", witzeln SPF-Mitglieder.
Tatsächlich erscheint jetzt, im Lichte immer neuer Enthüllungen über die dubiosen Rahmenbedingungen der sexuellen Eskapaden von Dominique Strauss-Kahn, das Justizverfahren vom vergangenen August in New York als eine gnädige Fügung des Schicksals für Frankreichs Linksopposition: Damals hatte die afrikanische Hotelbedienstete Diallo dem Hotelgast Strauss-Kahn vorgeworfen, dieser habe sie zu Oralsex gezwungen.

Auf Grund von Ungereimtheiten in den Aussagen von Diallo musste der Staatsanwalt zwar die Anklage fallen lassen. Strauss-Kahn, kurz DSK genannt, musste aber den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) räumen und auch sein Politcomeback in Frankreich abschreiben. Dabei sahen damals viele Franzosen in DSK eine Art politischen Erlöser, dem Agenten von Präsident Nicolas Sarkozy eine Falle gestellt hätten.

Jetzt scheint DSK auch noch in eine obskure Affäre um Prostitution und Korruption in der nordfranzösischen Stadt Lille verwickelt. Ein Edelprostitutionsring war in dortigen Hotels aufgeflogen. Der Verdacht fiel auf den Boss eines Puffs in einem nahen belgischen Städtchen, den Direktor der Filiale eines französischen Baukonzerns, den Chef der Kripo von Lille und Hotelbesitzer. Als erstmals auch DSK in diesem Zusammenhang erwähnt wurde, hielt man das in Paris für einen Witz. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass ein Politiker von solcher Statur in einer bühnenreifen Provinzposse eine Rolle spielen würde.

Inzwischen liegen freilich übereinstimmende Zeugenaussagen vor, wonach DSK nicht nur in Paris von dem Baukonzern-Direktor und dem Kripo-Chef aus Lille besucht wurde und dass ihm dabei in einem Hotel Sexpartys mit eigens mitgebrachten Prostituierten geboten wurden. Sondern dass diese fröhliche Gemeinschaft, darunter gleich mehrere Polizeioffiziere aus Lille und mehrere Prostituierte - als "Sekretärinnen" der besagten Baufirma getarnt - die Reise nach Washington zum damaligen IWF-Präsidenten antraten.

Nutznießer

Seine Beziehungen mit einverstandenen Erwachsenen gehen die Justiz nichts an. Aber als Nutznießer von Prostituierten, die dafür von einem Firmen-Direktor aus der Baubranche bezahlt wurden, steht DSK unter Korruptionsverdacht. DSK hat selber verlangt, diesbezüglich einvernommen zu werden, um "diese bösartigen Gerüchte" zu stoppen. Die zuständigen U-Richter in Lille wollten ihm jetzt diesen Gefallen tun. Aber der - weisungsgebundene - Staatsanwalt verlangt eine Verlagerung des Verfahrens weg von Lille, wodurch die Einvernahme von DSK wieder in weite Ferne rücken könnte. Kritiker sehen dahinter die Hand der Staatsführung, die den fraglichen Bau-Riesen schützen wolle.

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