Schuldspruch für Chirac

Schuldspruch für Chirac
Chirac-Urteil als Justiz-Aufstand gegen die Politik: Der Ex-Staatschef wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt

Für einen Überraschungseffekt sondergleichen sorgte am Donnerstag in Paris die Verurteilung von Jacques Chirac zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. In Frankreich hatte niemand mehr damit gerechnet, dass der 79-jährige Ex-Staatschef wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt werden könnte, die auf seine Amtszeit als Pariser Bürgermeister (1977–1995) zurückgeht.

Chirac hatte damals Parteifreunde und sonstige Günstlinge für fiktive Rathaus-Jobs großzügig entlohnt. Eine Flut weiterer Affären unter Bürgermeister Chirac blieben so lange ungeahndet, bis sie verjährten.

Das Erstaunen über Chiracs jetzige Verurteilung ist umso größer, als der Staatsanwalt nicht wie üblich als Anklagevertreter, sondern de facto als Verteidiger von Chirac für einen Freispruch plädiert hatte. Dem intellektuell zuletzt beeinträchtigten Ex-Politiker blieb es auf Grund eines ärztlichen Befundes auch erspart, persönlich vor Gericht zu erscheinen.

Aufbäumen

Obendrein hatten Chiracs einstige Gegner, also die aktuelle sozialistische Pariser Rathausmehrheit, ihre Klage gegen ihn fallen gelassen. Die Sozialisten wollten nicht als Quäler eines kranken Altpolitikers dastehen, der im Vergleich mit dem aktuellen Staatschef Nicolas Sarkozy vielen Franzosen sympathisch erscheint. Außerdem hatte die bürgerliche Regierungspartei UMP einen Teil der Gelder, die Chirac abgezweigt hatte, an die Stadtverwaltung zurückgezahlt – auf Weisung von Sarkozy, der die Partei seines Vorgängers übernommen hatte.

Sarkozy sorgte auch dafür, dass die Staatsanwälte, die Anklage-Erhebungen gegen Chirac die längste Zeit abblockten. Der jetzige Richtspruch ist daher auch ein Aufbäumen der Justiz gegen diese Bevormundung. Für Sarkozy, auf dem ebenfalls eine Affäre um Korruption und illegale Parteienfinanzierung aus den 1990er-Jahren lastet, ist das alarmierend.

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