Sarkozys Schlacht um die Fabriken

Sarkozys Schlacht um die Fabriken
Im beginnenden französischen Wahlkampf besinnen sich Präsident Sarkozy und sein Herausforderer Hollande der Industriearbeiter.

Die Bilder, die Frankreichs Medien fast täglich bringen, gleichen einander – nur der Hauptdarsteller variiert. Im Hintergrund eine Fabrikhalle, vorne stehen Männer in Arbeitskluft, und alle lauschen jeweils einem klein gewachsenen Redner in Anzug und Krawatte. Mal handelt es sich um Nicolas Sarkozy, mal um François Hollande.

Der bürgerliche Staatschef und sein sozialistischer Herausforderer touren durch Werften, Stahlhütten, Autofabriken. Vier Monate vor den Präsidentenwahlen konzentriert sich die Kampagne auf Frankreichs wundesten Punkt: das Industrie-Sterben, für die Franzosen Sinnbild der Euro-Krise.

„Ich habe die Tränen derjenigen gesehen, deren Unternehmen schloss, deren Arbeit sich nach China verflüchtigte. Ich bin der Kandidat des Industrie-Patriotismus“, verkündet Hollande. „Ich werde mich nie mit Frankreich als Industrie-Museum abfinden. Wir müssen ein Land der Produktion bleiben“, hämmert Sarkozy.

Frankreich hat in einem Jahrzehnt 600.000 Arbeitsplätze in der Industrie verloren. Frankreichs Handelsbilanz, seit 2003 im Sinkflug, geriet im Vorjahr in ein Rekordtief. Nun klettert die Arbeitslosenrate Richtung zehn Prozent.

Billiglohn-Länder

Sarkozys Schlacht um die Fabriken

Dabei zählt die Produktivität der französischen Arbeitnehmer zur Weltspitze. Frankreich verfügt über durchaus erfolgreiche Konzerne. Diese tendieren aber zu einer rasenden Verlagerung ihrer Gesamtproduktion in Billiglohn-Länder. Während deutsche Großunternehmen für ihre Hochqualitätsprodukte Herstellungsprozesse gestalteten, die wichtige Fertigungs- und Entwicklungselemente in Deutschland bewahren. Frankreichs Mittelbetriebe, oft kommerziell unerfahren, sind durch den Abgang der Großunternehmen, für die sie ursprünglich arbeiteten, für eigenständigen Export nur schlecht gewappnet. Als Reaktion ist die Parole „Kauft französisch“ in Umlauf.

Laut Umfrage würde eine Mehrheit einem französischen Produkt den Vorzug geben, auch wenn es um zehn Prozent teurer als Importware wäre. Aber der nationale Einkauf in einer globalisierten Wirtschaft stößt schnell an Grenzen: „Soll ich ein Renault-Auto kaufen, das in der Türkei hergestellt wird, oder einen Toyota, der in Nordfrankreich produziert wird?“, hörte man eine Passantin in einer TV-Reportage fragen.

Sarkozy behauptet, die Antwort auf dieses Dilemma gefunden zu haben: Er wirbt für eine Kennzeichnung („Garantierter französischer Ursprung“) jener Waren, deren Wert zu über 50 Prozent in Frankreich geschaffen wurde. Vor allem will er jetzt noch schnell eine Erhöhung der Mehrwertsteuer: Die Einnahmen sollen eine Verringerung der Sozialabgaben der heimischen Betriebe ermöglichen und Importprodukte verteuern.

Etliche Politiker, auch im Umkreis von Sarkozy, plädieren für einen „modernen europäischen Protektionismus“. In der EU würden „aus Naivität“ staatliche Aufträge auch Rivalen offen stehen wie den USA und China, „die sich ihrerseits abschotten“. Die EU müsste das Prinzip der „Gegenseitigkeit“ anwenden und sich vor Billig-Einfuhren aus Ländern schützen, die keine sozialen und ökologischen Mindestnormen respektieren.

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen möchte mehr: Einfuhrzölle an Frankreichs Grenzen, auch gegenüber EU-Partnern. So wie sie den Austritt aus dem Euro als Lösung preist, um Wettbewerbsvorteile zu erringen – auch wenn die meisten Experten für diesen Fall eine Vervielfachung der öffentlichen Verschuldung und einen Bankenkrach sehen.

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